Betongebäude mit vielen Fenstern und in Blau und Braun gehaltenen Stahlelementen, in dem das Bundesverfassungsgericht sitzt
Von sechs Säulen getragenes Tympanon des Gebäudes des Bundesverwaltungsgerichts, geschmückt mit Figuren, mittig die Justitia
Haupteingang des Oberverwaltungdgerichts Berlin-Brandenburg, Hardenbergstr. in Berlin, auf der Glastür steht 31 (Hausnr.)

Aktuelle Rechtsprechung | Beamtenrecht Berlin

(sowie zum Teil bundesweit)

OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 01.11.2024 – 4 N 35/22 – 

siehe unten 


(siehe auch:    Abordnung,    dienstliche Beurteilung,    Dienstunfähigkeit,    Dienstunfall,

 Einstellungshindernisse/Eignungsmängel,    Entlassung,    Konkurrentenschutz,    

Nebentätigkeit,    Rückforderung von Bezügen,    amtsangemessene Beschäftigung,   

 Schadensersatz,    Umsetzung,    Untersuchungsanordnung,    Urlaubsabgeltung,

 Verbeamtung (Lehrer),    Verbeamtung (auf Lebenszeit),    Versetzung,    Zurruhesetzung,

 Zuweisung,   Polizeibewerber,     Kompetenzen allgemein)

OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 01.11.2024 – 4 N 35/22   

Ausschließliche Anerkennung von Befähigung für Laufbahn Lehramt an Grundschulen nach Bildungslaufbahnverordnung für Beamtenschaft / keine analoge Anwendung auf Tarifbeschäftigte

Leitsatz

Die Befähigung für die Laufbahn der Lehrkraft mit Lehramt an Grundschulen gemäß § 8a BLVO i.V.m. § 3a Abs. 1 BLVO kann nur bei Beamtinnen und Beamten der Laufbahnrichtung Bildung anerkannt werden. Die vorgenannten Normen sind nicht analog auf tarifbeschäftigte Lehrkräfte anwendbar.


Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) hatte über den Antrag eines im Angestelltenverhältnis stehenden Lehrers (Tarifbeschäftigter E 11) auf Zulassung zur Berufung zu entscheiden. Das OVG lehnte den Antrag ab, denn das Verwaltungsgericht Berlin habe die Verpflichtungsklage mit dem Begehren, die Befähigung für den Laufbahnzweig der Lehrkraft mit dem Lehramt an Grundschulen nach § 8a der Bildungslaufbahnverordnung (BLVO) anzuerkennen, zu Recht abgewiesen.

Anders als der Kläger meine, ergeb sich ohne Weiteres aus der Bildungslaufbahnverordnung unter Anwendung der anerkannten Auslegungskriterien unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Senates (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.09.2024 – OVG 4 N 25/21 – EA S. 5; vgl. auch VG Berlin, Beschluss vom 26.02.2020 – 5 K 573.19 – juris Rn. 5), dass die Befähigung für die Laufbahn der Lehrkraft mit Lehramt an Grundschulen gemäß § 8a BLVO i.V.m. § 3a Abs. 1 BLVO nur bei Beamtinnen und Beamten der Laufbahnrichtung Bildung anerkannt werden könne und die vorgenannten Normen auch nicht analog auf tarifbeschäftigte Lehrkräfte, wie den Kläger, anwendbar seien.

Hierfür spreche bereits eine systematische Auslegung unter Berücksichtigung des Titels der Bildungslaufbahnverordnung, die im Volltext vom Verordnungsgeber als Verordnung über die Laufbahnen „der Beamtinnen und Beamten“ der Laufbahnrichtung Bildung bezeichnet werde. Bestätigt werde die systematische Auslegung auch durch die Bestimmung über den Anwendungsbereich der Verordnung in § 1 Abs. 2 BLVO. Diese Norm laute: „Diese Verordnung findet auf die unmittelbaren und mittelbaren. Landesbeamtinnen und Landesbeamten der Laufbahnfachrichtung Bildung Anwendung“. Auch die streitentscheidenden Vorschriften des § 8a BLVO i.V.m. § 3a Abs. 1, Abs. 2 BLVO lassen nicht erkennen, dass sie – über den Anwendungsbereich der Verordnung in ihrer Gesamtheit hinausgehend – Geltung für angestellte Lehrkräfte beanspruchen, die nicht im Beamtenverhältnis stehen. Insbesondere die Regelungen des § 3a Abs. 1 BLVO beziehen sich ihrem Wortlaut nach jeweils ausschließlich auf das Beamtenverhältnis. So benenne § 3a Abs. 1 Nr. 2 BLVO die den jeweiligen Ursprungslaufbahnen zugeordnete Besoldungsgruppe (z.B. Besoldungsgruppe A 11) und im Beförderungsamt A 12. Eine Erstreckung der Vorschriften auf angestellte Tarifbeschäftigte entgegen dem Wortlaut und ihrer systematischen Stellung komme daher nicht in Betracht.

Zu Recht nehme das Verwaltungsgericht auch an, dass § 8a BLVO i.V.m. § 3a Abs. 1, Abs. 2 BLVO auf angestellte tarifbeschäftigte Lehrkräfte – wie den Kläger – auch nicht im Wege der Analogie entsprechend anwendbar sei. Die analoge Anwendung der von einer Norm angeordneten Rechtsfolge auf Sachverhalte, die dieser Norm nicht unterfallen, setze eine planwidrige Regelungslücke voraus. Der Anwendungsbereich der Norm müsse wegen eines versehentlichen, mit dem Normzweck unvereinbaren Regelungsversäumnisses des Normgebers unvollständig sein. Eine derartige Lücke dürfe von den Gerichten im Wege der Analogie geschlossen werden, wenn sich aufgrund der gesamten Umstände feststellen lasse, dass der Normgeber die von ihm angeordnete Rechtsfolge auch auf den nicht erfassten Sachverhalt erstreckt hätte, wenn er diesen bedacht hätte (BVerwG, Urteil vom 27.03.2014 – 2 C 2.13 – juris Rn. 17; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.09.2024 – OVG 4 N 25/21 – EA S. 5). Der Kläger habe schon nicht substantiiert dargelegt, dass hier eine planwidrige Regelungslücke vorliege. Vielmehr spreche vieles dafür, dass § 3a Abs. 1 BLVO eine abschließende Regelung zur Anerkennung der Befähigung für den Laufbahnzweig der Lehrkraft mit Lehramt an Grundschulen sei (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.09.2024 - OVG 4 N 25/21 – EA S. 5). Die Bildungslaufbahnverordnung sei aufgrund der Verordnung vom 18.12.2012 (GVBI. S. 546) geändert worden. Erst mit dieser Änderung sei die von den Beteiligten maßgeblich herangezogene Vorschrift des § 3a BLVO eingefügt worden. Sowohl zum Zeitpunkt der ursprünglichen als auch der letzten Regelung habe dem Verordnungsgeber vor Augen gestanden, dass (damals) die im Land Berlin beschäftigten Lehrkräfte in großer Zahl nicht in einem Beamtenverhältnis stehen, das den Anwendungsbereich der Bildungslaufbahnverordnung begründe. Es könne daher nicht angenommen werden, dass der Normgeber die von ihm angeordnete Rechtsfolge auch auf den nicht erfassten Sachverhalt wie angestellte tarifbeschäftigte Lehrkräfte erstreckt hätte, wenn er dies bedacht hätte.

 


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OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 31.10.2024 – 4 S 27/24 – 

Beschwerderecht: angefochtene Entscheidung darf sich nicht aus anderen Gründen als richtig erweisen / Verfassungsmäßigkeit der Altersgrenze für den höheren Polizeivollzugsdienst 

Leitsätze 
1. Erweisen sich die mit der Beschwerde dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 1 und 3 VwGO), auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht zunächst beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), als berechtigt, setzt eine Stattgabe durch das Oberverwaltungsgericht ferner voraus, dass sich die angefochtene Entscheidung nicht aus anderen Gründen als richtig erweist (st. Rspr.). 
2. Zur Verfassungsmäßigkeit der Altersgrenze für die Zulassung zum Laufbahnaufstieg in den höheren Polizeivollzugsdienst des § 109b Satz 2 LBG. 
 
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg wies die Beschwerde einer Antragstellerin zurück, die zuvor erfolglos einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz bei dem Verwaltungsgericht Berlin (VG) gestellt hatte, womit sie die Verpflichtung des Antragsgegners begehrte, die Antragstellerin zum Laufbahnaufstieg im Rahmen des im Oktober 2024 beginnenden Aufstiegslehrgangs für den höheren Polizeivollzugsdienst vorläufig zuzulassen, bis über die Klage gegen die Ablehnung der Bewerbung rechtskräftig entschieden ist. 
Das VG hatte den Antrag mangels Vorlage des gemäß § 18 Abs. 4 Nr. 4 BbgPLV erforderlichen Sprachnachweises abgelehnt und daher die Rechtmäßigkeit der auf das Lebensalter der Antragstellerin abstellenden Ablehnung des Antragsgegners sowie die seitens der Antragstellerin gerügte Verfassungswidrigkeit der Altersgrenze des § 109b Satz 2 LBG offengelassen. 
Gegen diese erstinstanzliche Entscheidung richtet sich die Beschwerde. Die Antragstellerin legte nunmehr einen Sprachnachweis vom 31.05.2024 vor und verwies für die Rechtzeitigkeit auf den sich aus § 18 Abs. 4 BbgPLV ergebenden maßgeblichen Zeitpunkt der Zulassung zum Aufstieg, der sich aus der Ausschreibung mit dem 01.10.2024 ergab. 
Das OVG erklärte, dass die mit der Beschwerde dargelegten Gründe sich zwar als berechtigt erwiesen. Denn die Antragstellerin verfüge über den erforderlichen Sprachnachweis, wie sie im Beschwerdeverfahren in zulässiger Weise und angesichts der Ausschreibung des Antragsgegners auch rechtzeitig nachgewiesen habe. Die Stattgabe des OVG setzte aber ferner voraus, dass sich die angefochtene Entscheidung nicht aus anderen Gründen als richtig erweise, woran es vorliegend fehle. 
Der Widerspruchsbescheid des Antragsgegners nenne nicht allein die gesetzliche Altersgrenze als überschritten, sondern auch weitere Voraussetzungen des § 18 BbgPLV als nicht erfüllt. Die Norm verlange insbesondere eine Beurteilung, wonach der Bewerber vergleichsweise überdurchschnittliche Leistungen unter angemessener Berücksichtigung des jeweiligen Statusamtes zeigt (§ 18 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BbgPLV). Weiter müsse der Bewerber mindestens ein Jahr lang Führungsaufgaben im gehobenen Polizeivollzugsdienst erfolgreich ausgeübt haben (§ 18 Abs. 4 Nr. 3 BbgPLV). Beides verneine der Antragsgegner. 
Der Antragsgegner habe in der erstinstanzlichen Antragserwiderung zutreffend ausgeführt, warum er diese beiden Voraussetzungen als nicht erfüllt ansehe. Der Bestätigungsvermerk vom 06.09.2023 zur erteilten dienstlichen Beurteilung bestätige deren Gesamturteil von 5 Punkten („Entspricht stets den Anforderungen, wobei gelegentlich die Anforderungen erkennbar übersteigende Leistungen gezeigt werden“). Das sei schon nach der Definition nicht „vergleichsweise überdurchschnittlich“. Dementsprechend würden die zum Aufstieg zugelassenen Mitbewerber erheblich bessere Beurteilungen aufweisen. Im Hinblick auf die nachfolgende Beförderung der Antragstellerin in das erste Beförderungsamt mit dessen höheren Statusanforderungen, an denen die Beurteilung auszurichten sei, sei es keinesfalls hoch wahrscheinlich, dass auch sie nunmehr erheblich besser zu beurteilen wäre. 
Der Antragsgegner habe des Weiteren ausgeführt, dass Führungsaufgaben im Sinne des § 18 Abs. 4 Nr. 3 BbgPLV entsprechend der Verordnungsbegründung über einen längeren Zeitraum wahrzunehmen seien und neben der Führung von Einsatzlagen insbesondere solche wahrzunehmenden Tätigkeiten sein sollten, die mit der Übernahme von Personalverantwortung verbunden seien und die eine Gestaltung und Entwicklung von beispielsweise Arbeitsprozessen, Lösungsstrategien, aber auch der Arbeitsatmosphäre beinhalteten. Abwesenheitsvertretungen fielen nicht hierunter. Das sei überzeugend und lasse sich schon am Wortlaut der Rechtsverordnung festmachen, der Führungsaufgaben von mindestens einem Jahr verlange und nicht punktuelle Vertretungen ausreichen lasse, die sich bei Abwesenheitsvertretungen oftmals auf das unumgänglich zu Entscheidende beschränken. Der Antragstellerin sei für ihre Tätigkeit in X...  lediglich eine Abwesenheitsvertretung bescheinigt worden. 
Ferner führte das OVG aus, es spreche einiges dafür, dass sich die Aufstiegshöchstaltersgrenze tragfähig auf sachliche Erwägungen stützen lasse, die nicht zu einem willkürlichen Ausschluss Einzelner führe (vgl. mit Bezug auf eine vorgelagerte Organisationsentscheidung OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.09.2019 – OVG 4 B 17.19 – juris Rn. 18, 20 ff.; mit Bezug auf Art. 33 Abs. 2 GG OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28.03.2019 – OVG 4 S 11.19 – juris Rn. 8). So habe bereits das Oberverwaltungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der sich aus dem Polizeihochschulgesetz (DHPolG) i.V.m. dem Berliner Landesrecht ergebenden (und nach der hier maßgeblichen Sach- und Rechtslage vergleichbaren) Höchstaltersgrenze von 40 Jahren (ausnahmsweise 45 Jahren) für die Zulassung zum Aufstieg in den höheren Polizeivollzugsdienst unter Einbeziehung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts mit Blick auf Art. 33 Abs. 2 GG bejaht und die Altersgrenze nach den Maßstäben des AGG und des Unionsrechts ebenfalls nicht beanstandet (Urteil vom 04.05.2011 – OVG 4 B 53.09 – juris Rn. 22 ff.). Soweit zwischen der jenem Senatsurteil zu Grunde liegenden und der vorliegend zu beurteilenden Sach- und Rechtslage ein Unterschied darin bestehen möge, dass unterschiedliche gesetzliche Aufstiegshöchstaltersgrenzen – § 109b Satz 2 LBG (45 Jahre) und § 22 Abs. 1 Satz 4 LBG (55 Jahre) – bestehen, können die Besonderheiten des Polizeivollzugsdienstes für eine zulässige Ungleichbehandlung streiten. Der Gesetzgeber habe sich für die Festlegung an der früheren Altersgrenze in § 23 LVPol orientiert und eine Minimierung des Verwaltungsaufwands durch das Absehen von Einzelausnahmen angestrebt (LT-Drs. 6/7877, Begründung S. 22 f.). Auch möge angesichts von § 29 Abs. 2 und 3 DHPolG eine bundeseinheitliche Regelung angestrebt worden sein. Ferner sei die besondere Altersgrenze der Polizeivollzugsbeamten auf Lebenszeit des höheren Dienstes für den Eintritt in den Ruhestand – Vollendung des 65. Lebensjahrs (§ 110 Abs. 1 Satz 1 LBG) – und angesichts dessen in den Blick zu nehmen, dass die Polizeidienstfähigkeit auch für die Polizeivollzugsbeamten des höheren Dienstes stets erforderlich sei (vgl. § 116 LBG sowie zur Rechtfertigung von Eingriffen in Art. 33 Abs. 2 GG in Gestalt von Einstellungshöchstaltersgrenzen durch das Lebenszeit- sowie das Alimentationsprinzips BVerfG, Beschluss vom 21.04.2015 – 2 BvR 1322/12, 2 BvR 1989/12 – juris Rn. 76 ff.; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 24.09.2009 – 2 C 31.08 – juris Rn. 27 ff.). 
Diesen Erwägungen stehe jedenfalls der von der Antragstellerin angeführte Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21.04.2015 – 2 BvR 1322/12, 2 BvR 1989/12 – (juris) nicht entgegen. Denn zum einen beziehe sich der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts unmittelbar nur auf Höchstaltersgrenzen für die Verbeamtung, die ungleich schwerer als Altersgrenzen für einen Laufbahnaufstieg in die durch Art. 12 GG und Art. 33 Abs. 2 GG geschützten Rechtspositionen eingreifen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 04.05.2011 – OVG 4 B 53.09 – juris Rn. 27, Beschlüsse vom 11.01.2018 – OVG 4 S 40.17 – juris Rn. 7 und vom 28.03.2019 – OVG 4 S 11.19 – juris Rn. 11). Zum anderen werde der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von der fehlenden Bestimmtheit der dort maßgeblichen Ermächtigungsgrundlage getragen (juris Rn. 67 ff.), die weder eine Einstellungshöchstaltersgrenze unmittelbar enthalte, noch zur Einführung einer Einstellungshöchstaltersgrenze ausdrücklich ermächtige. Mit § 109b Satz 2 LBG existiere jedoch eine hinreichend ausgestaltete gesetzliche Ermächtigungsgrundlage. Dem Beschluss sei hingegen nicht – wie allerdings wohl die Antragstellerin meine – zu entnehmen, dass für die Gesetzesbegründung besondere Anforderungen bestehen. Unbeschadet dessen lasse sich dem Gesetzentwurf der Landesregierung für das Zweite Gesetz zur Änderung des Landesbeamtengesetzes entnehmen, dass und welche Gedanken sich der Gesetzgeber über die grundrechtliche Eingriffsrelevanz angesichts der bundesverfassungsgerichtlichen Vorgaben gemacht habe (vgl. LT-Drs. 6/7877, S. 2 und Begründung S. 2 ff., 7, 21). 

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VG Berlin, Urt. v. 21.10.2024 – 5 L 401/24 – 

Beginn der Monatsfrist für die Anfechtung des Abbruchs eines Auswahlverfahrens 

Leitsatz 
Die Monatsfrist für die Anfechtung des Abbruchs eines Auswahlverfahrens beginnt auch dann zu laufen, wenn der Dienstherr den Abbruch (und dessen Gründe) nur in einem gerichtlichen Verfahren mitteilt und dem Bewerber diese Mitteilung vom Gericht übersandt wird. 
 
Die Antragstellerin wandte sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen den Abbruch eines Auswahlverfahrens. Sie ist Amtsrätin (Besoldungsgruppe A 12). Ab Februar 2019 übernahm die Antragstellerin kommissarisch die Leitung des Ordnungsamtes des Bezirksamtes R in Berlin. Die entsprechende Stelle (Magistratsdirektor, Besoldungsgruppe A 15) schrieb der Antragsgegner am 01.03.2019 aus. Im Ausschreibungstext hieß es, dass die Bewerber die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für das zweite Einstiegsamt der Laufbahngruppe 2 des nichttechnischen Verwaltungsdienstes erfüllen müssten. Neben der Antragstellerin bewarb sich noch ein weiterer Bewerber, der seine Bewerbung 2020 zurückzog. 2020 bat das Bezirksamt die Senatsverwaltung für Finanzen um Prüfung, ob die Antragstellerin die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für eine Beförderung in ein Amt der Laufbahngruppe 2, zweites Einstiegsamt des allgemeinen Verwaltungsdienstes, Laufbahnzweig nichttechnischer Verwaltungsdienst erfülle. Dies verneinte die Senatsverwaltung. Außerdem teilte sie mit, dass bereits die kommissarische Übertragung der Leitung des Ordnungsamtes unzulässig gewesen sei. Daraufhin forderte die Bezirksbürgermeisterin die zuständige Bezirksstadträtin auf, die Bewerbung der Antragstellerin aufgrund fehlender laufbahnrechtlicher Voraussetzungen abzulehnen. Die kommissarische Aufgabenübertragung der Leitung des Ordnungsamtes solle beendet werden. Das Auswahlverfahren sei abzubrechen. Dem wurde nicht nachgekommen. Das Bezirksamt beantragte bei der Senatsverwaltung für Finanzen erneut ohne Erfolg die Anerkennung der Laufbahnbefähigung der Antragstellerin. April 2021 lehnte das Bezirksamt gegenüber der Antragstellerin eine Anerkennung der Laufbahnbefähigung ab. Dagegen erhob die Antragstellerin Feststellungsklage. Über diese Klage hat die Kammer noch nicht entschieden. 
Im Dezember 2023 beschloss das Bezirksamt, die Aufgaben der Leitung des Ordnungsamtes an die Antragstellerin unter Zahlung einer Zulage bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand zu übertragen. Dieser Beschluss wurde im März 2024 – nach einer Intervention des regierenden Bürgermeisters von Berlin (unter Androhung von disziplinarrechtlichen Maßnahmen) – wieder aufgehoben. 
Im April 2024 entschied das Bezirksamt, das Auswahlverfahren abzubrechen. Mit Schreiben vom 21.05.2024 teilte das Bezirksamt der Antragstellerin mit, sie habe bei der Besetzung der Stelle nicht berücksichtigt werden können, da sie nicht über die geforderten Qualifikationen und die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen verfüge. Eine Mitteilung über den Abbruch des Auswahlverfahrens erfolgte zunächst nicht. 
Daraufhin beantragte die Antragstellerin am 27.05.2024 bei dem Verwaltungsgericht Berlin, dem Antragsgegner die Besetzung der ausgeschriebenen Stelle mit dem Auswahlsieger vorläufig zu untersagen. Mit Schriftsatz vom 31.05.2024 teilte der Antragsgegner mit, dass das Auswahlverfahren beendet worden sei und übersandte seinen sogenannten Abschlussvermerk vom 23.04.2024, aus dem sich der Abbruch und die Gründe dafür (kein formal geeigneter Bewerber) ergab. Den Schriftsatz nebst Anlage übersandte das Gericht am 03.06.2024 als elektronisches Dokument über die Infrastruktur des elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs - EGVP - an den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin. 
Mit Schriftsatz vom 09.07.2024 änderte die Antragstellerin ihren Antrag dahingehend, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig aufzugeben, das Stellenbesetzungsverfahren ... für die Besetzung der Stelle … mit der Antragstellerin fortzusetzen. 
Der Antrag wurde abgelehnt. Das Verwaltungsgericht Berlin befand ihn für unzulässig. Zwar sei der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO statthaft. Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes gebiete die gerichtliche Überprüfung der Beendigung eines Auswahlverfahrens, weil nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der wirksame Abbruch des Auswahlverfahrens den Bewerbungsverfahrensanspruch der Bewerberin untergehen lasse. Das Auswahlverfahren diene nicht nur dem Interesse des Dienstherrn, das Amt bestmöglich zu besetzen, sondern auch dem durch Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes geschützten berechtigten Interesse der Bewerberin an einer rechtsfehlerfreien Auswahlentscheidung. Allerdings bestehe kein Anspruch auf Ernennung, sondern nur ein Anspruch auf eine fehlerfreie Entscheidung über die Bewerbung. Der Bewerbungsverfahrensanspruch bestehe jedoch nur so lange, wie das Bewerbungsverfahren mit dem Ziel der Stellenbesetzung fortgeführt werde. Beende der Dienstherr das Verfahren zur Vergabe der Stelle vorzeitig aus sachlichem Grund, gehe der Bewerbungsverfahrensanspruch unter. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung könne um Rechtsschutz gegen den Abbruch des Auswahlverfahrens somit ausschließlich im Wege eines Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO nachgesucht werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 03.12.2014 - 2 A 3.13 -, juris Rn. 21 ff.). 
Die Antragstellerin habe jedoch die richterrechtlich entwickelte Monatsfrist nicht gewahrt. 
Das Erfordernis einer zeitnahen Klärung folge aus dem Gebot der Rechtssicherheit. Sowohl der Dienstherr als auch die Bewerberin bräuchten Klarheit darüber, in welchem Auswahlverfahren die Stelle vergeben werde. Die Rechtmäßigkeit des Abbruchs müsse daher geklärt sein, bevor in einem weiteren Auswahlverfahren eine Entscheidung getroffen und das Amt vergeben werde. Stelle eine Bewerberin nicht innerhalb eines Monats nach Zugang der Abbruchmitteilung einen Antrag nach § 123 VwGO, dürfe der Dienstherr darauf vertrauen, dass sie den Abbruch des Auswahlverfahrens nicht angreife. Nach Ablauf der Monatsfrist sei die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit des Abbruchs des Auswahlverfahrens mit einer Hauptsacheklage überprüfen zu lassen, verwirkt (grundlegend BVerwG, Urteil vom 03.12.2014, a.a.O., Rn. 22 f.). 
Daran gemessen sei die Antragsänderung mit Schriftsatz vom 09.07.2024 verspätet. Der Antragsgegner habe mit Schriftsatz vom 31.05.2024 mitgeteilt, dass das Auswahlverfahren mangels Vorliegens geeigneter Bewerbungen beendet worden sei. Als Anlage habe er den Abbruchvermerk vom 23.04.2024 übersandt. Diesen Posteingang habe das Gericht am 03.06.2024 über die EGVP-Infrastruktur an den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin weitergeleitet. Dem „EGVP Nachricht Versandprotokoll“ sei zu entnehmen, dass das Schreiben um 11:20 Uhr abgesandt und zeitgleich auf dem Server der Bundesrechtsanwaltskammer eingegangen war („Rückgabewert EGVP-Enterprise OK“), von dem es von dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin als Empfänger der Nachricht habe abgerufen werden können. Die somit nachweislich bestehende Möglichkeit zur Kenntnisnahme durch den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin reiche für den Zugang aus, auf die tatsächliche Kenntnisnahme komme es hingegen nicht an (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 31.07.2024 - 13a ZB 24/30090 -, juris Rn. 11). Anhaltspunkte dafür, dass am 03.06.2024 und an den folgenden Tagen diese Möglichkeit zur Kenntnisnahme, etwa wegen einer technischen Störung, dauerhaft entfallen gewesen wäre, seien nicht ersichtlich und seien von dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin trotz Hinweises des Gerichts auch nicht dargelegt worden. 
Die Monatsfrist sei mithin am 03.07.2024 (einem Mittwoch) abgelaufen (vgl. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Satz 1 BGB i.V.m. § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO). Der Schriftsatz, mit dem sich die Antragstellerin erstmals gegen den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens gewendet habe, sei erst am 09.07.2024 bei dem Gericht eingegangen. Der bereits zuvor bei dem Verwaltungsgericht eingereichte, sogenannte Konkurrentenschutzantrag sei nicht geeignet, die Monatsfrist zu wahren. Er sei auf ein anderes Rechtsschutzziel gerichtet. 
Einem Fristbeginn am 03.06.2024 stehe auch nicht der Umstand entgegen, dass der Antragsgegner die Antragstellerin nicht unmittelbar über den Abbruch des Auswahlverfahrens informiert habe, sondern diese Information in einem an das Gericht gerichteten Schriftsatz enthalten gewesen sei. Für die richterrechtlich entwickelte Abbruchmitteilung sei keine bestimmte Form vorgeschrieben (vgl. Beschluss der Kammer vom 29.02.2024 - 5 L 735/23 -, Entscheidungsabdruck Seite 4). Bei ihr handele es sich auch nicht um einen Verwaltungsakt; es fehle der Regelungscharakter (vgl. Beschluss der Kammer vom 24.01.2019 - 5 L 235/19 -, juris Rn. 8 m.w.N.). Eines Bekanntgabewillens der Behörde bedürfe es nicht. Dies folge bereits aus dem Umstand, dass anstelle einer individuellen Abbruchmitteilung nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch eine öffentliche Verlautbarung, etwa die erneute Ausschreibung der zu besetzenden Stelle, ausreichend sein könne (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.01.2012 - 2 A 7/09 -, juris Rn. 28). Auch die von dem Bundesverwaltungsgericht hervorgehobene notwendige Rechtssicherheit für Bewerberin und Dienstherr spreche dafür, die Monatsfrist für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bereits dann in Gang zu setzen, wenn ein Bewerber tatsächliche Kenntnis davon erlangt habe, dass das Auswahlverfahren abgebrochen wurde. Nur ein klar bestimmbarer Fristbeginn und ein eindeutig bestimmbarer Fristlauf gewährleisten die im Rahmen des Abbruchs eines Auswahlverfahrens besonders bedeutsame Rechtssicherheit (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 13.11.2020 - 3 CE 20/2213 -, juris Rn. 8) 

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VG Berlin, Urt. v. 16.10.2024 – 26 K 153/24 –  

Kein besoldungsrechtlicher Nachzahlungsanspruch vor gesetzlicher Anpassung der Besoldung 

Das Verwaltungsgericht Berlin (VG) wies eine Klage ab, in der sich der Kläger gegen die die Amtsangemessenheit seiner Besoldung wendete und eine Besoldungsnachzahlung für die Besoldungsjahre 2017 bis 2019 begehrte. Der seit 2022 pensionierte Kläger wurde im vorbenannten Zeitraum nach den Besoldungsgruppe A 12 und A 13 besoldet. Seine Widersprüche wurden mit Widerspruchsbescheid vom 11.11.2020 zurückgewiesen. Mit der Klage wurde beantragt, festzustellen, dass die Alimentation seit dem 01.01.2015 verfassungswidrig zu niedrig bemessen gewesen sei. 2021 setzte das VG das Verfahren aus im Hinblick auf ausstehende Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts über die Normenkontrollanträge des Bundesverwaltungsgerichts zur Besoldung Berliner Beamter der Besoldungsgruppen A 9 bis A 12 in den Jahren 2008 bis 2015. 2024 erweiterte der Kläger die Klage um einen Nachzahlungsantrag in Höhe von 25.313,67 Euro. Das VG trennte das hiesige auf Zahlung gerichtete Verfahren ab. 

Das VG entschied, die Klage sei unbegründet. Der Kläger sei im streitgegenständlichen Zeitraum (2017 bis 2019) entsprechend den jeweils gültigen Besoldungsgesetzen vergütet worden (vgl. die Grundgehaltssätze der Besoldungsordnung A gemäß Anlage 1 Nr. 1 BerlBVAnpG 2016; Anlage 1 Nr. 1 und Anlage 15 Nr. 1 BerlBVAnpG 2017/2018; Anlage 1 Nr. 1 BerlBVAnpG 2019/2020). Der geltend gemachte „Nachzahlungsanspruch“ scheide daher – unabhängig von seiner behaupteten Höhe – mangels einer hierfür erforderlichen gesetzlichen Grundlage aus. Im Besoldungsrecht gelte der Vorbehalt des Gesetzes umfassend (vgl. § 2 Abs. 1 Bundesbesoldungsgesetz in der Überleitungsfassung für Berlin – BBesG BE). Beamten dürfe keine über die gesetzlich vorgesehene Besoldung hinausgehende Vergütung gewährt werden (vgl. § 2 Abs. 2 BBesG BE). Aufgrund dieses besoldungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts und des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers bei dessen Umsetzung könnten Beamten daher auch dann, wenn die Verfassungsmäßigkeit ihrer Alimentation in Frage stehe, grundsätzlich keine Besoldungsleistungen zugesprochen werden, die gesetzlich nicht vorgesehen sei (vgl. OVG Berl.-Bbg., Beschl. v. 11.10.2017 – 4 B 34.12 -, juris, Rn. 120; siehe bereits BVerfG, DÖV 1958, 620 (623)). Vielmehr seien sie darauf verwiesen, ihren Alimentationsanspruch dadurch geltend zu machen, dass sie Klagen auf Feststellung erheben, ihr Nettoeinkommen sei verfassungswidrig zu niedrig bemessen (so BVerwG, Urt. v. 20.03.2008 – 2 C 49.07 –, juris Rn. 29; VGH Hessen, Beschl. v. 30.11.2021 – 1 A 2704/20 –, juris, Rn. 86). Diese Zusammenhänge habe der Klägervertreter in seinem Klageschriftsatz vom 15.12.2020 selbst dargestellt. 

Für wirtschaftliche Notlagen, in denen aus Gründen der Fürsorgepflicht möglicherweise vorläufige Zahlungen in Betracht kommen könnten (die Frage nach der Existenz eines solchen Anspruchs jeweils offenlassend BVerwG, Urt. v. 20.03.2008 – 2 C 49.07 –, juris, Rn. 29; Urt. v. 20.6.1996 – 2 C 7/95 –, juris, Rn. 18) sei nichts erkennbar oder dargetan. Die Unterschreitung des Mindestabstandsgebots in einzelnen Besoldungsjahren begründe für sich genommen keine wirtschaftliche Notlage in diesem Sinne: Das Mindestabstandsgebot bilde lediglich einen abstrakten besoldungsrechtlichen Vergleichsmaßstab. Eine wirtschaftliche Notlage setze jedoch eine Darlegung der konkret-individuellen Notlage voraus. Für eine solche sei beim Kläger nichts erkennbar. Der Klägervertreter berufe sich lediglich auf die Unterschreitung des Mindestabstandsgebots als solches und habe keinerlei individuelle Umstände vorgebracht, die im Fall des Klägers für eine persönliche Notlage sprächen. Dass er zwei Kinder habe und seit 2022 pensioniert sei, begründe eine solche jedenfalls nicht. Auch im klägerseits bemühten Sozialrecht sei aber anerkannt, dass Ansprüche auf staatliche Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nur bestehen, wenn andere Mittel im jeweiligen Einzelfall nicht zur Verfügung stehen (vgl. §§ 9, 19 Abs. 3 Sozialgesetzbuch II – SGB II; deutlich BVerfG, Beschl. v. 07.04.2010 – 1 BvR 688/10, BeckRS 2010, 520960). Aus der Verfassung folge gerade nicht, dass bedarfsunabhängig und voraussetzungslos bestimmte existenzsichernde Maßnahmen zu gewähren seien oder inwieweit eigene Ressourcen vorrangig einzusetzen und auf den Bedarf anzurechnen seien (vgl. Knickrehm/Knickrehm, in: BeckOGK/SozialR, § 1 SGB II Rn. 14). Zudem würden sich die vom Bundesverwaltungsgericht erwogenen vorläufigen Zahlungen zur Existenzsicherung von der hier geltend gemachten vollständigen Nachzahlung der angeblich bestehenden Differenz zu einer verfassungsmäßigen Alimentationshöhe unterscheiden. 

Ferner treffe die Auffassung des Klägers nicht zu, dass bereits infolge der durch das Bundesverfassungsgericht für das Jahr 2015 (vgl. BVerfG, Beschl. v. 04.05.2020 – 2 BvL 4/18 –, juris, Rn. 154) und durch die hiesige Kammer für die Jahre 2016 bis 2019 (vgl. VG Berlin, Beschl. v. 30.11.2023 – 26 K 251.16 – BA S. 47f.) festgestellten Verstöße gegen das Mindestabstandsgebot durch den Berliner Besoldungsgesetzgeber Nachzahlungsansprüche des Klägers entstanden wären, deren Höhe sich nach den in den jeweiligen Entscheidungen berechneten Fehlbeträgen der Netto- gegenüber der Mindestalimentation richtete. Dem Beamten werde nicht nur bei Zweifeln an der Verfassungswidrigkeit einer Norm, sondern auch im Erfolgsfall des verfassungsgerichtlichen Verfahrens zugemutet abzuwarten, bis der Gesetzgeber eine Neuregelung getroffen habe (BVerwG, Urt. v. 20.03.2008 – 2 C 49.07 –, juris, Rn. 29; Beschl. v. 25.01.2006 – 2 B 36/05 –, juris, Rn. 5, jeweils m.w.N.). Aufgrund der Bindung des Gesetzgebers an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz – GG) sei dieser Weg trotz des damit verbundenen Zuwartens auf ein Tätigwerden der Legislative mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG vereinbar. Zahlungsansprüche würden mithin erst dadurch entstehen, dass der Gesetzgeber dem Anliegen des Beamten und den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts durch eine gesetzliche Neuregelung Rechnung trage (BVerwG, Urt. v. 28.04.2005 – 2 C 1/04 –, juris, Rn. 19; Urt. v. 20.06.1996 – 2 C 7/95 –, juris, Rn. 17). Die konstatierten Verletzungen des Mindestabstandsgebots durch das Bundesverfassungsgericht bzw. hiesige Kammer änderten daher nichts daran, dass es weiterhin an einer gesetzlichen Grundlage für die Gewährung einer höheren Besoldung des Klägers für die verfahrensgegenständlichen Jahre 2017 bis 2019 fehle. Dies gelte auch, sofern man zugrunde legen würde, dass die Besoldung des Klägers selbst das Mindestabstandsgebot nicht einhalten würde und mithin verfassungswidrig wäre. 

Der Kläger verkenne in diesem Zusammenhang auch die Funktion des Mindestabstandsgebots und die hieraus resultierenden Gestaltungsaufträge und -optionen des Besoldungsgesetzgebers. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben für eine amtsangemessene Alimentation erlaube es nicht, mit mathematischer Exaktheit eine Aussage darüber abzuleiten, welcher Betrag für eine verfassungsmäßige Besoldung erforderlich sei (vgl. BVerfG, Beschl. v. 04.05.2020 – 2 BvL 4/18 –, juris, Rn. 30; BVerwG, Urt. v. 20.03.2008 – 2 C 49.07 –, juris, Rn. 27; vgl. auch VGH Bad.-Wttbg., Urt. v. 08.03.2016 – 4 S 758/15, BeckRS 2016, 44915 Rn. 28 dazu, dass der besoldungsrechtliche Gesetzesvorbehalt der Zuerkennung von Leistungen auch dann entgegensteht, wenn der Gestaltungsspielraum „auf Null“ reduziert sei). Der Besoldungsgesetzgeber verfüge bei der Strukturierung der Besoldung vielmehr auch im Hinblick auf das Mindestabstandsgebot – das jeweils in Bezug auf eine vierköpfige Familie das Grundsicherungsniveau mit der Nettoalimentation eines Beamten der niedrigsten aktiven Besoldungsgruppe vergleiche – über einen breiten Gestaltungsspielraum und könne dessen Verletzung auf unterschiedliche Weise begegnen (z.B. Anhebung der Grundbesoldung, Anhebung der Familienzuschläge, Veränderung der Beihilfesätze; vgl. BVerfG, Beschl. v. 040.5.2020 – 2 BvL 4/18 – juris, Rn. 47; s. auch VGH Hessen, Beschl. v. 30.11.2021 – 1 A 2704/20 –, juris, Rn. 310, 325ff.; VG Berlin, Urt. v. 16.06.2023 – 26 K 245/23 –, juris, Rn. 319; s. auch die Begründung zum BerlBVAnpG 2022 in AbgH-Drs. 19/0603 v. 18.10.2022, S. 59). Aus der Verletzung des Mindestabstandsgebots könne daher entgegen der Auffassung des Klägers nicht auf eine „zwingend“ zu vollziehende „Mindestanhebung“ der Grundgehaltssätze (in den jeweiligen Besoldungsgruppen und unabhängig von der jeweiligen familiären Situation) geschlossen werden. Die Neustrukturierung der Besoldung – insbesondere auch der Abstände der Besoldungsgruppen innerhalb eines gestuften Besoldungssystems unter Beachtung der Maßgaben des Abstandsgebots (vgl. zu diesem BVerfG, Beschl. v. 040.5.2020 – 2 BvL 4/18 –, juris, Rn. 45) – zur Behebung von Verstößen gegen das Mindestabstandsgebot obliege allein dem Gesetzgeber. Auch dies stehe der – behördlichen oder gerichtlichen – Anordnung bestimmter Besoldungsnachzahlungen auf Basis der Verletzung des Mindestabstandsgebots entgegen (vgl. auch deutlich der vom Klägervertreter zitierte Beitrag von Stuttmann, NVwZ-Beilage 2020, 83 (88): „Denn der Besoldungsgesetzgeber kann die Unterbesoldung auf verschiedene Arten ausgleichen, zwischen denen er wählen kann. Diese dürfen ihm die Gerichte nicht vorgeben.“). 

Sofern der Kläger sich darauf berufe, dass ein Zahlungsanspruch jedenfalls bei beharrlicher Weigerung des Besoldungsgesetzgebers zur Umsetzung der bundesverfassungsrechtlichen Vorgaben entstehe, verfange auch dieses Argument nicht. Zunächst sei zu berücksichtigen, dass das Bundesverfassungsgericht über die Vorlagebeschlüsse betreffend die Berliner A-Besoldung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschl. v. 22.09.2017 – 2 C 4.17, 2 C 5.17, 2 C 6.17, 2 C 7.17 und 2 C 8.17), des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (OVG Berl.-Bbg., Beschl. v. 11.10.2017 – 4 B 33.12 und 4 B 34.12) sowie der hiesigen Kammer (VG Berlin, Beschl. v. 30.11.2023 – 26 K 251.16) noch nicht entschieden habe. Die begründeten Zweifel an der Verfassungskonformität der vorgelegten Regelungen änderten mithin nichts daran, dass der Berliner Besoldungsgesetzgeber bisher nicht im Anschluss an eine bundesverfassungsgerichtliche Entscheidung zur Berliner A-Besoldung untätig geblieben sei. Dementsprechend liege auch die vom Kläger selbst für seinen vollstreckungsfähigen Zahlungsantrag behauptete Voraussetzung – eine „dauerhafte“ Verweigerung des Gesetzgebers, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen – nicht vor (vgl. auch Stuttmann, NVwZ-Beilage 2020, 83 (88), dessen vom Klägervertreter zitierter Hinweis auf eine ausbleibende Umsetzung durch den Besoldungsgesetzgeber sich nicht auf die allgemeinen Maßgaben der Besoldungsrechtsprechung, sondern auf konkrete Entscheidungsaussprüche des Bundesverfassungsgerichts beziehen dürfte). Vielmehr zeige auch der Erlass des sogenannten „Reparaturgesetzes“ (Gesetz über die rückwirkende Herstellung verfassungskonformer Regelungen hinsichtlich der Besoldung in den Besoldungsgruppen R 1 und R 2 in den Jahren 2009 bis 2015 und der Besoldungsgruppe R 3 im Jahr 2015 v. 23.06.2021; GVBl, S. 678) im Anschluss an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Berliner R-Besoldung, dass der Besoldungsgesetzgeber offenbar willens sei, die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gemäß der gesetzten Frist zur Neuregelung zügig umzusetzen (vgl. zur – etwa einjährigen – Umsetzungsfrist BVerfG, Beschl. v. 04.05.2020 – 2 BvL 4/18 –, juris, Tenor zu 2). Unabhängig davon eröffne die Kompetenz zum Erlass von Vollstreckungsanordnungen nach § 35 Bundesverfassungsgerichtsgesetz verschiedene prozessuale Gestaltungsmöglichkeiten, um auf eine etwaige gesetzgeberische Untätigkeit bei der Umsetzung bundesverfassungsgerichtlicher Entscheidungen – auch noch nachträglich – zu reagieren (vgl. z.B. BVerfG, NVwZ 2014, 867 (878); Sauer, in: BeckOK/BVerfGG, § 35 Rn. 12). Es sei daher nicht erkennbar, inwiefern der effektive Rechtsschutz des Klägers (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) es erforderlich mache, ihm entgegen dem Grundsatz des besoldungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts zum jetzigen Zeitpunkt einen unmittelbaren Zahlungsanspruch gegenüber dem Beklagten zu gewähren. Es möge den Kläger verärgern, dass der Besoldungsgesetzgeber auf Basis der alimentationsrechtlichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Berliner A-Besoldung bisher nicht angepasst habe – besoldungsrechtliche Nachzahlungsansprüche würden dadurch jedoch nicht begründet. 

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BVerwG, Urt. 10.10.2024 – 2 C 21.23 - 

Entlassung aus dem Probebeamtenverhältnis wegen mangelnder Bewährung 

Leitsatz 
Bei der Einschätzung der charakterlichen Eignung eines Probebeamten steht dem Dienstherrn ein Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Kontrolle ist daher auf die Nachprüfung beschränkt, ob der Dienstherr von einem unrichtigen Sachverhalt aus gegangen ist, den rechtlichen Rahmen verkannt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat. 
 
Der Kläger, zunächst Tarifangestellter beim einstigen Bundesversicherungsamt (BVA), wurde Ende 2007 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Regierungsrat zu Anstellung ernannt, wobei die Probezeit auf ein Jahr verkürzt wurde. Währenddessen erkrankte der Kläger längerfristig, weshalb seine Bewährung nicht festgestellt werden könnte. Die Probezeit wurde auf zwei Jahre bis zum 20.12.2010 verlängert. 
Mit Bescheid vom 31. Januar 2011 entließ der Präsident des BVA den Kläger aus dem Beamtenverhältnis auf Probe mit Wirkung zum 31.03.2011. Zur Begründung führte er aus, die Bewährung des Klägers während der Probezeit habe nicht festgestellt werden können. Es bestünden erhebliche Zweifel an der gesundheitlichen, der fachlichen sowie der charakterlichen Eignung des Klägers. Jeder einzelne dieser Gründe sei schon für sich geeignet, die Bewährung zu verneinen. Jedenfalls sei die Annahme der Bewährung aufgrund einer Gesamtwürdigung auszuschließen. 
Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf die charakterliche Ungeeignetheit des Klägers abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat zur fachlichen sowie zur gesundheitlichen Eignung des Klägers Beweis erhoben. Es hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Einschätzung der Beklagten, dem Kläger fehle die gesundheitliche Eignung, begegne erheblichen Bedenken. Die dem BVA vorliegenden medizinischen Unterlagen hätten für eine fundierte Prognoseentscheidung zum Zeitpunkt des Ablaufs der verlängerten Probezeit nicht ausgereicht. Auch die Beweisaufnahme durch das Gericht habe die Frage der gesundheitlichen Eignung nicht klären können, weil die vorhandenen Daten zur gesundheitlichen Situation des Klägers zum 20.12.2010 hierfür nicht ausgereicht hätten. Die Frage der gesundheitlichen Eignung könne aber ebenso offen gelassen werden wie die im angefochtenen Bescheid ebenfalls verneinte Frage der Bewährung des Klägers in fachlicher Hinsicht. Denn die selbstständig tragende Erwägung der Beklagten, der Kläger habe sich in charakterlicher Hinsicht nicht bewährt, sei nicht zu beanstanden. Die Wertung, durch die Erhebung von Dienstaufsichtsbeschwerden, Petitionen und sonstigen Beschwerden gegen den Leiter und Mitarbeiter des Personalreferats sei das Vertrauensverhältnis zerstört worden, sei ohne Weiteres nachvollziehbar. Der Beamte dürfe seine Interessen gegen den Dienstherrn auch mit Nachdruck verfolgen. Setze der Beamte bei dieser Auseinandersetzung aber seine eigenen Belange unter Vernachlässigung oder Verletzung der berechtigten Interessen des Dienstherrn und damit rücksichtslos durch, sei der Schluss auf die fehlende Loyalität gerechtfertigt. Der Vorwurf der fehlenden Loyalität treffe den Kläger aufgrund der Art und Weise, wie er die ersichtlich auch der Verzögerung des Entlassungsverfahrens dienenden Beschwerdeverfahren unter frühzeitiger Einschaltung externer Stellen und Personen geführt habe. 
Zur Begründung der vom Senat zugelassenen Revision trägt der Kläger vor: Das Werturteil über die charakterliche Eignung eines Probebeamten müsse auf hinreichend gesicherten tatsächlichen Erkenntnissen beruhen. Das Berufungsgericht habe aber zu Unrecht offengelassen, ob das vom Kläger mit den Petitionen und Beschwerden jeweils verfolgte Anliegen zu Recht wahrgenommen worden oder das Verhalten des Dienstherrn tatsächlich zu beanstanden gewesen sei. Die vom Probebeamten geforderte Loyalität könne nicht im Sinne einer blinden Gefolgschaft verstanden werden. Die Eingaben des Klägers hätten beim BVA offensichtlich bestehende Missstände insbesondere im Zusammenhang mit dem Umgang mit Gesundheitsdaten der Bediensteten zum Gegenstand gehabt und seien in der Sache auch erfolgreich gewesen. 
Der Kläger beantragte die Urteile des OVG NRW sowie den Entlassungsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids aufzuheben. 
Das BVerwG entschied die Revision des Klägers sei unbegründet. 
Zwar verletzte das Berufungsurteil § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBG und damit Bundesrecht, weil das OVG den im Hinblick auf die charakterliche Eignung zustehenden Beurteilungsspielraum nicht beachtet hat. Das Gericht habe nur zu prüfen, ob die Behörde mit ihrer Begründung die Grenzen des Beurteilungsspielraums eingehalten habe. Das Gericht sei gerade nicht befugt, die fehlende charakterliche Eignung des Probebeamten auf eigene und gegenüber den Bescheiden weitergehende Erwägungen zu stützen. 
Die Entscheidung des OVG stelle sich im Ergebnis aus anderen Gründen als richtig dar. Gemessen an den Anforderungen an eine auf § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBG gestützte Entlassung eines Probebeamten wegen mangelnder Bewährung in der Probezeit erweise sich der angefochtene Entlassungsbescheid des BVA als rechtmäßig. 
Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBG könne ein Beamter auf Probe entlassen werden, wenn er sich in der Probezeit nicht in vollem Umfang bewährt habe. 
Sinn und Zweck der Begründung eines Probebeamtenverhältnisses sei die Sicherung der Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.01.2017 - 2 B 75.16 - NJW 2017, 2295 Rn. 13). Die Erprobung solle die Feststellung ermöglichen, ob der Probebeamte im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit den Anforderungen genügen werde, die an einen Beamten seiner Laufbahn in dem zu übertragenden Amt in körperlicher, geistiger, charakterlicher und fachlicher Hinsicht zu stellen sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 25.01.2001 - 2 C 43.99 - ZBR 2002, 48 <50> und vom 19.03.1998 - 2 C 5.97 - BVerwGE 106, 263 <267> m. w. N.). Verblieben Zweifel an der vollumfänglichen Bewährung, wofür nach § 11 Abs. 1 Satz 2 BBG ausdrücklich "ein strenger Maßstab" gelte, dürfe der Probebeamte nicht zum Beamten auf Lebenszeit ernannt werden. Das Beamtenverhältnis auf Probe sei geschaffen worden, um dem Dienstherrn die Möglichkeit zu geben, Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des Probebeamten vor der Übertragung eines auf Lebenszeit verliehenen Amtes in praktischer Tätigkeit zu erproben und sich von ihm "ohne Schwierigkeiten" zu trennen, wenn er den Anforderungen nicht genügt (BVerfG, Beschluss vom 15.12.1976 - 2 BvR 841/73 - BVerfGE 43, 154 <166>). 
Maßgeblich für die Beurteilung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBG sei zwar das Verhalten "in" der Probezeit; dies stehe einer Berücksichtigung nachträglich bekannt gewordener Umstände aber nicht entgegen, sofern sie Rückschlüsse auf die Bewährung in der Probezeit zulassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - 2 C 16.12 - BVerwGE 148, 204 Rn. 14). Auch ein vor der Ernennung liegendes Verhalten könne danach bedeutsam sein, wenn es − etwa im Sinne eines "Summeneffekts" − Vorgänge während der Probezeit in einem anderen Licht erscheinen lasse oder ihnen ein besonderes Gewicht verleihe (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.11.1980 - 2 C 24.78 - BVerwGE 61, 200 <208>; OVG Greifswald, Beschluss vom 31.05.2024 - 2 M 580/23 - NVwZ-RR 2024, 914 Rn. 15). 
Zu den an einen Beamten zu stellenden Anforderungen zähle auch die charakterliche Eignung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.07.2016 - 2 B 17.16 - NVwZ-RR 2016, 831 Rn. 26 m. w. N.). Ausgangs- und Bezugspunkt für diese Beurteilung sei die Frage, ob der Probebeamte nach seinen persönlichen Eigenschaften in der Lage sei und erwarten lasse, den beamtenrechtlichen Grundpflichten (§§ 60 ff. BBG) zu genügen. Beispielhaft seien in der Rechtsprechung hierfür Elemente der Loyalität, Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Dienstauffassung benannt worden (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20.07.2016 - 2 B 17.16 - NVwZ-RR 2016, 831 Rn. 26 und vom 25.11.2015 - 2 B 38.15 - juris Rn. 9; zur Berücksichtigung auch eines einmaligen Fehlverhaltens Beschluss vom 20.07.2016 - 2 B 18.16 - juris Rn. 10). 
Dabei sei, worauf die Revision zutreffend hingewiesen habe, der (Probe-)Beamte nicht den Vorstellungen seines Vorgesetzten oder der Beschäftigungsbehörde zur Treue verpflichtet. Loyalität und Treue schulde der Beamte vielmehr dem Wohl der Allgemeinheit und den Grundwerten der Verfassung. Hierauf werde der Beamte verpflichtet (vgl. § 60 Abs. 1 BBG) und hierauf nehme seine "Dienst"-Pflicht Bezug (vgl. Depenheuer, Das öffentliche Amt, in: Isensee/ Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl. 2005, Band III, § 36 Rn. 67). 
Das Berufsbeamtentum solle, gegründet auf Sachwissen, fachliche Leistung und loyale Pflichterfüllung eine stabile Verwaltung sichern und damit einen ausgleichenden Faktor gegenüber den das Staatsleben gestaltenden politischen Kräften bilden. Dabei habe der Beamte seine Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen, bei seiner Amtsführung auf das Wohl der Allgemeinheit Bedacht zu nehmen und sich innerhalb sowie außerhalb des Dienstes so zu verhalten, dass er der Achtung und dem Vertrauen gerecht werde, die sein Beruf erfordere. Sein dienstliches Verhalten müsse sich allein an Sachrichtigkeit, Rechtstreue, Gerechtigkeit, Objektivität und dem Allgemeinwohl orientieren (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. September 2007 - 2 BvR 1047/06 - NVwZ 2008, 416). An dieser Aufgabenstellung seien auch die Anforderungen an die charakterliche Eignung des Beamten zu orientieren. 
Mit der uneigennützigen Wahrnehmung des übertragenen Amtes (§ 61 Abs. 1 Satz 2 BBG) und dem Gebot des achtungs- und vertrauenswürdigen Verhaltens (§ 61 Abs. 1 Satz 3 BBG) sei es nicht zu vereinbaren, wenn ein Beamter das ihn betreffende Verwaltungshandeln seines Dienstherrn grundsätzlich und unter Umgehung des Dienstwegs mit externen Eingaben und Beschwerden bekämpfe, in denen schwerwiegende Pflichtenverstöße reklamiert würden. Dies gelte in besonderer Weise, wenn die Vorwürfe ungerechtfertigt seien. 
Zwar dürfe auch ein Probebeamter Kritik an seinen Vorgesetzten üben und seine Rechte und Interessen grundsätzlich auch mit Nachdruck und in zulässigen Beschwerden oder Eingaben verfolgen. Ein Beamter müsse hierfür indes zunächst interne Verfahrenswege beschreiten und auf dem Dienstweg an seine Vorgesetzten herantreten, bevor er sich mit schwerwiegenden Vorwürfen an externe Stellen wende (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.04.1970 - 1 BvR 690/65 - BVerfGE 28, 191 <204>). Überdies sei er zu Sachlichkeit verpflichtet und dürfe keine verleumderischen oder beleidigenden Vorwürfe erheben (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 20.09.2007 - 2 BvR 1047/06 - NVwZ 2008, 416; BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 A 4.04 - NVwZ-RR 2006, 485 Rn. 34). Insbesondere dürfe durch die Art der Meinungsäußerung der Dienstbetrieb und die Erledigung der dienstlichen Aufgaben nicht beeinträchtigt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.08.2017 - 2 A 6.15 - NVwZ 2018, 1144 Rn. 69). 
Bei der Bewertung der fachlichen Eignung (BVerwG, Urteil vom 30.10.2013 - 2 C 16.12 - BVerwGE 148, 204 Rn. 18) wie der charakterlichen Eignung des Probebeamten (BVerwG, Urteil vom 25.01.2001 - 2 C 43.99 - Buchholz 111 Art. 20 EV Nr. 11 S. 32) stehe dem Dienstherrn ein Beurteilungsspielraum zu. 
Die Bewertung der erforderlichen charakterlichen Eignung eines Beamten aufgrund des in der Probezeit gezeigten Verhaltens sei ein Akt wertender Erkenntnis, der dem für den Dienstherrn handelnden Bediensteten vorbehalten sei. Der damit dem Dienstherrn eröffnete Beurteilungsspielraum unterliege einer nur begrenzten gerichtlichen Kontrolle (BVerfG, Kammerbeschluss vom 27.05.2013 - 2 BvR 462/13 - IÖD 2013, 182 <183>; BVerwG, Beschluss vom 28.05.2021 - 2 VR 1.21 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 109 Rn. 15). Die Prüfung sei darauf beschränkt, ob die zuständige Stelle von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sei, ob sie den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen könne, verkannt habe, ob sie allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachte, sachfremde Erwägungen anstelle oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen habe (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.12.2015 - 2 BvR 1958/13 - BVerfGE 141, 56 Rn. 56; BVerwG, Urteil vom 20.10.2016 - 2 A 2.16 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 31 Rn. 15). 
Aus der Annahme eines Beurteilungsspielraums folge unmittelbar, dass die Erwägungen des Dienstherrn maßgeblich seien und das Gericht die Schlussfolgerung der mangelnden Bewährung in charakterlicher Hinsicht nicht auf eigene Überlegungen stützen dürfe. Danach verletze das Berufungsurteil § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBG, weil es die konkrete Bewertung der charakterlichen Eignung des Klägers in der Probezeit durch den Dienstherrn, wie sie vom BVA im angefochtenen Entlassungsbescheid zum Ausdruck gebracht worden sei, durch eigene Erwägungen ersetzt habe. 
Mit den konkreten Erwägungen des BVA zur Begründung seiner Zweifel an der charakterlichen Eignung des Klägers habe sich das Oberverwaltungsgericht im Berufungsurteil nur in Ansätzen befasst. Insbesondere habe es die Frage, ob die zahlreichen Beschwerden und Petitionen des Klägers gegen Handlungen des BVA im Vorfeld der Entscheidung über seine Lebenszeitverbeamtung inhaltlich berechtigt waren, ausdrücklich offen gelassen. Zudem habe das Berufungsgericht andere und weitergehende Erwägungen zur mangelnden charakterlichen Eignung des Klägers angestellt. Es habe dem Kläger angelastet, die von ihm erhobenen Beschwerden sowie Petitionen hätten ersichtlich dazu gedient, das Entlassungsverfahren zu verzögern. Von dem Vorwurf der zielgerichteten Verschleppung des Entlassungsverfahrens sei im angefochtenen Entlassungsbescheid aber nicht die Rede. Zudem habe das Berufungsgericht das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit dem Ausfüllen eines Fragebogens zu gesundheitlichen Aspekten im Vorfeld einer ärztlichen Untersuchung für eine bestimmte Sachverhaltskonstellation als durchaus "link" bezeichnet. Auch diesen Vorwurf, der Kläger habe sich "link", d. h. "bösartig", "hinterhältig" oder "niederträchtig" verhalten, habe das BVA dem Kläger in den Bescheiden nicht gemacht. 
Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 BBG habe der Dienstherr für die Feststellung der Bewährung sämtliche Aspekte der Leistung und des Verhaltens eines Probebeamten während der Probezeit in den Blick zu nehmen; er könne sein negatives Urteil über die mangelnde Bewährung auf mehrere unterschiedliche Aspekte stützen, die fachliche, die gesundheitliche und/oder die charakterliche Eignung. Für die Verneinung der Bewährung genüge aber bereits einer dieser Gesichtspunkte, wenn die zuständige Behörde, wie hier das BVA, in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zum Ausdruck gebracht habe, dass jede der einzelnen Erwägungen das ihm zustehende Gesamturteil der Nichtbewährung selbstständig trägt. Die vom BVA formulierte Begründung für das Vorliegen berechtigter Zweifel an der charakterlichen Eignung des Klägers aufgrund seines Verhaltens in der Probezeit verletze die genannten Grenzen des der Behörde zustehenden Beurteilungsspielraums nicht. 
Die Einschätzung des Dienstherrn, ein Probebeamter erwecke berechtigte Zweifel an seiner charakterlichen Eignung, wenn er nahezu jedes Verwaltungshandeln ihm gegenüber unter Umgehung des Dienstwegs zum Gegenstand von unberechtigten Dienstaufsichtsbeschwerden und Petitionen macht und dabei zugleich die Mitarbeiter seiner Beschäftigungsbehörde der Verletzung von Dienstpflichten bezichtigt und disziplinarrechtliche Schritte gegen diese Mitarbeiter einfordert, verkennt weder den Begriff der Eignung noch stellt sie eine sachfremde Erwägung oder eine Verletzung allgemeingültiger Wertmaßstäbe dar. 
Die aus § 125 Abs. 1 Satz 2 BBG folgende Verpflichtung zur Einhaltung des Dienstwegs solle die Funktionsfähigkeit der Beschäftigungsbehörde des Beamten gewährleisten. Diese werde beeinträchtigt, wenn ein Beamter jegliches Handeln seines Dienstherrn ihm gegenüber zum Gegenstand von Beschwerden oder Petitionen mache. Die Unterlagen des Verwaltungsverfahrens belegten den erheblichen Verwaltungsaufwand, den die ständigen Beschwerden des Klägers hervorgerufen haben. Die Bearbeitung der unberechtigten Beschwerden und Petitionen auch gegenüber Außenstehenden – Abgeordnete des Deutschen Bundestages oder dessen Petitionsausschuss – habe erhebliche personelle Ressourcen der Behörde beansprucht. Immer wieder musste das BVA zu den fortlaufend erhobenen Vorwürfen des Klägers nach einem längeren internen Abstimmungsprozess gegenüber dem übergeordneten Bundesministerium – und dieses gegenüber dem Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages – Stellung nehmen und sein – rechtmäßiges – behördliches Vorgehen erläutern und rechtfertigen. Auch gegenüber dem vom Kläger eingeschalteten Abgeordneten des Deutschen Bundestages hat sich das BVA zu den vom Kläger erhobenen Vorwürfen geäußert. Zudem verletze ein Beschwerdeführer die schutzwürdigen Belange der betroffenen Mitarbeiter der Beschäftigungsbehörde, wenn er in an Außenstehende gerichtete Beschwerden und Petitionen seinen Kollegen schwerwiegende Verletzungen von Dienstpflichten vorwirft und zu disziplinarrechtlichen Schritten gegen diese auffordert. 
Im Rahmen des ersten vom BVA im November 2009 eingeleiteten und im Januar 2010 eingestellten Verfahrens zur Entlassung des Klägers wandte sich der Kläger mit seiner Dienstaufsichtsbeschwerde vom 7. Dezember 2009 unmittelbar an die damalige Bundesministerin für Arbeit und Soziales. Dabei habe er dem BVA ein gegen ihn gerichtetes Mobbing vorgehalten und das übergeordnete Bundesministerium zum Einschreiten gegen das BVA im Wege der Dienstaufsicht und ferner unmittelbar aufgefordert, gegen zwei namentlich genannte Mitarbeiter des Personalreferats des BVA disziplinarrechtlich vorzugehen. In seinem Schreiben an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages vom 21. Juni 2010, in dem er die unzureichende Verbescheidung seiner Dienstaufsichtsbeschwerde vom 7. Dezember 2009 gerügt habe, habe der Kläger auch gegenüber dem Petitionsausschuss disziplinarrechtliche Schritte gegen diese beiden Mitarbeiter des Personalreferats des BVA angemahnt. 
Im Rahmen des ersten vom BVA im November 2009 eingeleiteten und im Januar 2010 eingestellten Verfahrens zur Entlassung des Klägers wandte sich der Kläger mit seiner Dienstaufsichtsbeschwerde vom 7. Dezember 2009 unmittelbar an die damalige Bundesministerin für Arbeit und Soziales. Dabei hat er dem BVA ein gegen ihn gerichtetes Mobbing vorgehalten und das übergeordnete Bundesministerium zum Einschreiten gegen das BVA im Wege der Dienstaufsicht und ferner unmittelbar aufgefordert, gegen zwei namentlich genannte Mitarbeiter des Personalreferats des BVA disziplinarrechtlich vorzugehen. In seinem Schreiben an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages vom 21. Juni 2010, in dem er die unzureichende Verbescheidung seiner Dienstaufsichtsbeschwerde vom 7. Dezember 2009 gerügt hat, hat der Kläger auch gegenüber dem Petitionsausschuss disziplinarrechtliche Schritte gegen diese beiden Mitarbeiter des Personalreferats des BVA angemahnt. Nahezu zeitgleich mit der an das Bundesministerium gerichteten Beschwerde vom 7. Dezember 2009 hat der Kläger im Schreiben an den Bundestagsabgeordneten seines Wahlkreises am 14. Dezember 2009 die Vorwürfe erhoben, Mitarbeiter des BVA hätten ihn durch Täuschung dazu veranlasst, der Weiterleitung eines ärztlichen Gutachtens an das BVA zuzustimmen, er werde vom BVA gegenüber anderen Kollegen, die vergleichbar erkrankt seien, benachteiligt und das BVA betreibe ihm gegenüber Mobbing, sodass sich sein Gesundheitszustand verschlechtert habe. Am 15. Dezember 2009 hat der Kläger diese massiven Vorwürfe gegen das BVA auch zum Gegenstand einer Petition beim Deutschen Bundestag gemacht, zu der wiederum das BVA gegenüber dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales Stellung nehmen musste. Im weiteren Schreiben an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages von Anfang Januar 2010 hat der Kläger den Mobbing-Vorwurf gegen das BVA durch die Vorlage eines Auszugs aus seinem "Mobbing-Tagebuch" bekräftigt. 
Auch seine Anhörung vom 17. Dezember 2010 zu der vom BVA beabsichtigten Entlassung aus dem Probebeamtenverhältnis hat der Kläger zum Gegenstand einer weiteren Eingabe beim Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages gemacht. 
Die vom Kläger erhobenen Beschwerden seien überdies unberechtigt, weil das jeweils vom Kläger monierte Verwaltungshandeln des BVA rechtmäßig gewesen sei. Die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Handelns einer Behörde sei eine Rechtsfrage, die vom Revisionsgericht ungeachtet der fehlenden Erwägungen im Berufungsurteil selbst beantwortet werden könne. Die hierfür erforderlichen Tatsachen seien den Verwaltungsakten zu entnehmen, auf die das Oberverwaltungsgericht in seinem Urteil nach § 117 Abs. 3 Satz 2 und § 125 Abs. 1 VwGO verwiesen habe. 
Zentraler Punkt der Auseinandersetzung des Klägers mit dem BVA ist das Gutachten des Sozialmedizinischen Dienstes der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft Bahn See (SMD) vom 29. Oktober 2009. Das BVA hatte den SMD unter Hinweis auf die zahlreichen Krankheitstage des Klägers und die Ergebnisse von Personalgesprächen mit dem Kläger um Stellungnahmen gebeten, ob diese Umstände eine von der bisherigen positiven Einschätzung der gesundheitlichen Verfassung des Klägers abweichende Bewertung rechtfertigen könnten. In seinem an das BVA übersandten Gutachten stellte der SMD fest, dass der Kläger aufgrund einer psychiatrischen Erkrankung behandlungsbedürftig und für voraussichtlich mindestens sechs Monate dienstunfähig sei. Die zahlreichen vom Kläger im Zusammenhang mit diesem Gutachten gegen das Handeln des BVA erhobenen Beschwerden seien unbegründet. 
Insbesondere sei der SMD verpflichtet gewesen dem BVA das vollständige Gutachten vorzulegen. Die in der Auseinandersetzung immer wieder herangezogene Vorschrift des § 48 Abs. 2 BBG sei entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hier von vornherein nicht anwendbar; hierauf habe bereits das Verwaltungsgericht hingewiesen. Probebeamte würden regelmäßig nicht in den Ruhestand versetzt, sondern nach § 34 Abs. 1 BBG entlassen. Ein Fall des § 49 Abs. 1 oder 2 BBG, wonach auch ein Probebeamter in den Ruhestand zu versetzen sei oder versetzt werden könne und der nach § 49 Abs. 3 BBG auch zur Anwendung des § 48 BBG führe, habe beim Kläger nicht in Rede gestanden. Die besonderen Vorschriften über das Verfahren der Dienstunfähigkeit betreffen ausschließlich Untersuchungen im Hinblick auf eine beabsichtigte Versetzung eines Beamten in den Ruhestand (BVerwG, Urteil vom 23.10.1980 - 2 A 4.78 - ZBR 1981, 220). Auch eine analoge Anwendung der Vorschriften über die Zurruhesetzung eines Beamten wegen dauernder Dienstunfähigkeit auf Fallkonstellationen, bei denen es um den gesundheitlichen Zustand eines Beamten gehe, werde abgelehnt (vgl. OVG Koblenz, Beschluss vom 29. Oktober 2020 - 2 B 11161/20 - DVBl. 2021, 891 Rn. 18). 
Unabhängig hiervon sei auch im Anwendungsbereich des § 48 Abs. 2 BBG dem Dienstherrn das vollständige ärztliche Gutachten zur Verfügung zu stellen. Satz 2 der Vorschrift betreffe nur die Aufbewahrung. Die Beurteilung der Dienstfähigkeit obliege dem Dienstherrn; die als sachverständige Hilfe hierzu erstellten ärztlichen Gutachten müsse der Dienstherr in vollem Umfang zur Kenntnis nehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juni 2014 - 2 C 22.13 - BVerwGE 150, 1 Rn. 18). Ungeachtet der unzutreffenden Annahme des Bundesbeauftragten für den Datenschutz, die bei der Abfassung des Wortlauts einer der Vorgängerregelungen des § 48 Abs. 2 BBG eine Rolle gespielt haben mag, wonach nicht die Behörde, sondern bereits der beauftragte Arzt die Entscheidung über die Dienstfähigkeit des Beamten treffe (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 4. September 2014 - 1 B 807/14 - IÖD 2014, 247 <251 f.>), müsse die Auslegung dieser Vorschrift der sachverständigen Hilfsfunktion des Arztes bei der Entscheidung des Dienstherrn Rechnung tragen. Die Beurteilung der gesundheitlichen Situation eines Beamten setze medizinischen Sachverstand voraus, über den die Behörde regelmäßig nicht verfüge. Der Gutachter ist danach lediglich ein Gehilfe, der der Behörde den erforderlichen Sachverstand vermittele. Die allein der Behörde obliegende Verwaltungsentscheidung erfordere die Vorlage des vollständigen Gutachtens bei der Behörde. Nur wenn dieser das Ergebnis der Untersuchung des Betroffenen durch den von ihr beauftragten Arzt mit allen Details und nicht lediglich in einer kurzen Zusammenfassung vorliege, könne sie die ihr obliegende Entscheidung verantwortlich treffen. 
Es sei auch nicht zu beanstanden, dass das BVA den SMD mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt habe. Die Vorschrift des § 48 Abs. 1 BBG sei, wie dargelegt, hier nicht anwendbar. Mangels einer gesetzlichen Regelung, die die Bestimmung des Arztes zur Durchführung einer entsprechenden Untersuchung vorgebe, habe die Behörde den medizinischen Sachverstand des SMD in Anspruch nehmen dürfen. Ausweislich der Verwaltungsvorgänge habe sich das BVA bei der Beauftragung dieser Einrichtung mit der gesundheitlichen Begutachtung des Klägers an Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern aus den Jahren 2003 und 2009 orientiert, wonach für Gutachten über die "Dienstfähigkeit" von Beamten der Bundesverwaltung neben den Amtsärzten auch die Ärzte des SMD zur Verfügung stehen. 
Unerheblich sei auch, ob und inwieweit der Kläger der Übermittlung des Gutachtens des SMD an das BVA vorab zugestimmt habe. Im Vorfeld der Entscheidung über die Verbeamtung auf Lebenszeit habe der Dienstherr nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, die gesundheitliche Eignung eines Probebeamten zu überprüfen. Die ärztliche Untersuchung im Vorfeld der Lebenszeitverbeamtung diene dazu, das angemessene Verhältnis zwischen der aktiven Dienstzeit und der Ruhestandszeit des Beamten zu gewährleisten. Dementsprechend hänge die Übersendung des Gutachtens an die Behörde nicht von der Zustimmung des betreffenden Probebeamten ab. 
Bis zu der rechtlich nicht gebotenen Rückgabe des vollständigen Gutachtens durch das BVA an den SMD sei der Kläger vor einer unberechtigten Einsichtnahme durch Dritte dadurch geschützt gewesen, dass das Gutachten beim BVA in einem versiegelten Umschlag in der Personalakte des Klägers verwahrt worden sei (vgl. § 48 Abs. 2 Satz 2 BBG). 
Auch die sonstigen Beschwerden des Klägers seien nicht gerechtfertigt. 
[...] 
Das BVA habe die berechtigten Zweifel an der charakterlichen Eignung des Klägers während der Probezeit auch damit begründet, der Kläger habe gegenüber der Ärztin, die mit der Begutachtung seines Gesundheitszustandes im Vorfeld der Lebenszeitverbeamtung beauftragt worden war, bewusst und wahrheitswidrig seine stationären Aufenthalte sowie ambulanten Behandlungen im psychisch-psychiatrischen Fachgebiet während der Probezeit verschwiegen. Auch diese Begründung verletze weder allgemeingültige Wertmaßstäbe noch sei sie sachwidrig.  
Aufgrund des gegenseitigen Dienst- und Treueverhältnisses müsse ein Beamter zu Umständen, deren dienstrechtliche Bedeutung auch für ihn ohne Weiteres ersichtlich sei, gegenüber einem vom Dienstherrn mit der Klärung eines Sachverhalts beauftragten Gehilfen zumindest dann wahrheitsgemäße Angaben machen, wenn dieser beim Beamten ausdrücklich nachfrage. Diesen Anforderungen sei der Kläger gegenüber der Ärztin, die im Rahmen des Verfahrens zur Verbeamtung auf Lebenszeit vom BVA mit der körperlichen und gesundheitlichen Untersuchung des Klägers beauftragt gewesen waren, nicht gerecht geworden. Es sei von der tatsächlichen Feststellung auszugehen, dass es dem Kläger freigestellt war, den der Vorbereitung des Gesprächs mit der Ärztin dienenden Fragebogen, mit dem u. a. bisher bekannte Erkrankungen, psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlungen, Medikationen, Unfälle oder Operationen abgefragt werden, auszufüllen und der Ärztin zu übergeben. Ferner habe der Kläger die dort formulierte Frage, ob er über längere Zeit in ambulanter oder in psychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlung stehe oder gestanden habe, nicht mit "Ja" beantwortet. Dem BVA seien aber die stationären Aufenthalte des Klägers in psychiatrischen Fachkliniken vom 10. bis 26. Dezember 2008 und vom 15. April bis 3. Juli 2009 sowie die ambulanten Behandlungen durch zwei verschiedene Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie im Januar sowie im September und Oktober 2009 bekannt gewesen. Den Grund der Untersuchung durch die B. A. D. GmbH hatte das BVA dem Kläger durch sein Anschreiben vom 24. September 2010, dem auch der Fragebogen beigefügt war, erläutert. Sei die Beantwortung einer Frage nach relevanten Vorerkrankungen formularmäßig freigestellt, müsse ein Beamter nicht von sich aus solche Erkrankungen und Vorbehandlungen offenbaren, die seiner Lebenszeitverbeamtung entgegenstehen könnten. Wird aber gezielt nach relevanten Erkrankungen und Behandlungen nachgefragt, die auch für den Beamten erkennbar für die Beurteilung seiner gesundheitlichen Eignung von großer Bedeutung sind, müsse der Beamte aufgrund der ihm obliegenden Treuepflicht zutreffende Angaben machen; ein "Recht zur Lüge" stehe ihm insoweit nicht zu. 
Die schriftliche Erklärung des Klägers vom 17. Mai 2011 belege, dass er gegenüber der Ärztin der B. A. D. GmbH anlässlich der Untersuchung vom 15. Dezember 2010 zu Vorerkrankungen und Behandlungen falsche Angaben mit der Folge gemacht habe, dass diese in ihrer Stellungnahme gegenüber dem BVA zunächst keine gesundheitlichen Bedenken gegen seine Verbeamtung auf Lebenszeit geltend gemacht habe. Denn ausweislich seiner schriftlichen Erklärung habe er gegenüber der Ärztin auf ausdrückliche Nachfrage angegeben, außer der konkret benannten Erkrankung des Auges keine weiteren Erkrankungen zu haben. Damit habe der Kläger insbesondere den länger andauernden Aufenthalt in einer Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie vom 15. April bis 3. Juli 2009 und die dort gestellte Diagnose verschwiegen. Unerwähnt geblieben sei ferner der stationäre Aufenthalt in einem Krankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik im Dezember 2008 sowie die ambulanten Behandlungen im Jahr 2009. 
Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, von der begutachtenden Ärztin nach weiteren "Erkrankungen" gefragt worden zu sein und an solchen zu diesem Zeitpunkt nach seinem Empfinden nicht gelitten zu haben. Denn es kommt nicht auf die subjektive Einschätzung des betroffenen Beamten hinsichtlich einer akuten Erkrankung an, sondern darauf, ob eine solche ärztlicherseits festgestellt worden sei. In dem Entlassungsbericht der Fachklinik vom 19. August 2009, in dem auch der Verlauf der Therapie einschließlich der umfangreichen Medikation während des zehnwöchigen Aufenthalts des Klägers wiedergegeben sei, sei als Diagnose nach ICD 10 u. a. vermerkt "Schizophrenie paranoide Form" und "vorsätzliche Selbstbeschädigung durch scharfen Gegenstand". Ungeachtet der Frage, ob diese Diagnose später von anderen Ärzten bestätigt worden sei, 
habe es sich dem Kläger, der, wie gerade die schriftliche Erklärung vom 17. Mai 2011 belege, zum Zeitpunkt der Untersuchung Mitte Dezember 2010 sehr genau zu differenzieren vermochte, aufdrängen müssen, dass eine solche Diagnose nach einem zehnwöchigen Aufenthalt in einer Fachklinik für Psychiatrie für die zu klärende Frage seines Gesundheitszustandes im Vorfeld seiner Ernennung zum Lebenszeitbeamten von Bedeutung ist. Wären diese Umstände der begutachtenden Ärztin bereits am Tag der Untersuchung des Klägers bekannt geworden, wäre deren positive Stellungnahme gegenüber dem BVA zur gesundheitlichen Verfassung des Klägers vom 15. Dezember 2010 unterblieben. Vielmehr wäre unmittelbar eine ergänzende fachpsychiatrische Begutachtung des Klägers in Auftrag gegeben worden, die später auch vom BVA unter Hinweis auf die stationären und ambulanten Behandlungen des Klägers veranlasst worden sei. Dieser Aufforderung habe der Kläger jedoch nicht Folge geleistet. 
Obwohl § 34 Abs. 1 Satz 1 BBG regele, dass ein Beamter auf Probe entlassen werden "kann", sei der Behörde hinsichtlich der Entlassung eines Probebeamten, der sich in der Probezeit nicht bewährt hat, kein Ermessen eröffnet. Das Wort "kann" träge lediglich dem Gesichtspunkt Rechnung, dass die Probezeit zu verlängern sei, wenn die Bewährung oder Nichtbewährung des Beamten noch nicht endgültig festgestellt worden sei. Sei die Probezeit, wie hier, auf das zulässige Höchstmaß verlängert worden, sei der Probebeamte bei Nichtbewährung mit Ablauf der Probezeit zu entlassen (BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - 2 C 16.12 - BVerwGE 148, 204 Rn. 11 m. w. N.). 


Link zur Entscheidung: 
BVerwG, Urt. 10.10.2024 - 2 C 21.23 - 

 


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VG Berlin, Beschl. v. 01.10.2024 – 26 L 198/24 – 

Unzulässige Anträge nach § 123 VwGO und gemäß §§ 80, 80a VwGO bei Auswahl und Ernennung für eine Beamtenstelle nach Ernennung der ausgewählten Bewerberin 

Der Antragsteller, ein selbständig tätiger Rechtsanwalt, wendet sich gegen eine Auswahlentscheidung im Rahmen eines Stellenbesetzungsverfahrens. Er hatte sich auf die vom Antragsgegner ausgeschriebene Stelle der Besoldungsgruppe A 14 für das Aufgabengebiet „Justiziar/in im Rechtsamt (m/w/d)“ des Bezirksamts R... beworben. Mit E-Mail vom 26.01.2024 wurde dem Antragsteller seine Nicht-Berücksichtigung und die Auswahl einer Mitbewerberin mitgeteilt. Während eines Telefonats am 01.02.2024 mit dem Leiter des Rechtsamtes, erwähnte der Antragsteller, er habe mit E-Mail vom selben Tag Widerspruch gegen die Auswahlentscheidung eingelegt. Durch Verfügung vom 10.07.2024 mit Wirkung zum 01.08.2024 wurde die Beigeladene zur Magistratsrätin ernannt, unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe und unter Einweisung in eine Planstelle. Nach Auffassung des Antragstellers legte dieser am 7. und 19.August 2024 nochmals Widerspruch gegen die Besetzung der Stelle sowie die Ernennung der Beigeladenen ein und suchte am selben Tag beim Verwaltungsgericht Berlin erstmalig um einstweiligen Rechtsschutz. Seinen damaligen Antrag, dem Antragsgegner „einstweilen bis zur Entscheidung über den Widerspruch des Antragstellers vom 07.08.2024 zu untersagen, die mit der Kennziffer 8... ausgeschriebene Stelle ‚Justiziar/in im Rechtsamt (m/w/d)‘ final zu besetzen“, wies die Kammer mit rechtskräftigem Beschluss vom 29.08.2024 zurück. 

Mit am 26.08.2024 erhobenen Klage, über die noch nicht entschieden wurde, begehrt der Antragsteller insbesondere die Verpflichtung des Antragsgegners, unter Aufhebung der Auswahlentscheidung erneut über seine Bewerbung zu entscheiden. 

Ebenfalls mit Schriftsatz vom 26.08.2024 hat der Antragsteller in diesem einstweiligen Rechtsschutzverfahren beantragt, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 01.02.2024 sowie 07.08.2024 sowohl gegen die Auswahlentscheidung vom 26.01.2024 als auch gegen den die Auswahlentscheidung umsetzenden Bescheid vom 10.07.2024 anzuordnen, und dem Antragsgegner zu untersagen, einstweilen bis zur Entscheidung in der Hauptsache, die mit der Kennziffer 8... ausgeschriebene Stelle „Justiziar/in im Rechtsamt (m/w/d)“ final mit der Beigeladenen zu besetzen. 

Das VG entschied, der Antrag sei sowohl im Hinblick auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung als auch den Erlass einer Sicherungsanordnung unzulässig. 

Der Antrag sei schon nicht statthaft. Denn in Angelegenheiten, die die Auswahl und Ernennung bei der Bewerbung um eine Beamtenstelle betreffen, bedürfe es keines Vorverfahrens (vgl. § 93 Abs. 1 Nr. 1 Landesbeamtengesetz Berlin – LBG – i.V.m. § 54 Abs. 2 Satz 3 Beamtenstatusgesetz – BeamtStG). Mithin bilde der Widerspruch vorliegend ohnehin nicht den statthaften Rechtsbehelf, dessen aufschiebende Wirkung angeordnet werden könne. Darüber hinaus fehle es für einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung auch an deren gesetzlichem Ausschluss nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1-3a VwGO, da insbesondere § 93 Abs. 2 LBG – entgegen der seitens des Antragstellers vertretenen Auffassung – vorliegend nicht einschlägig sei. 

Selbst sofern man den Antrag des als Rechtsanwalt rechtskundigen Antragstellers entsprechend seinem Begehren nach §§ 88, 122 Abs. 1 VwGO dahingehend auslege, dass er sich gemäß §§ 80 Abs. 5 Satz 1, 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO analog auf die Feststellung des Suspensiveffekts seiner Klage vom 26.082024 beziehe, fehle dem Antragsteller hierfür das Rechtsschutzbedürfnis (sog. „faktische Vollziehung“; vgl. hierzu in Drittanfechtungskonstellationen BVerwG, NVwZ 2012, 1127). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts köenn ein Antragsteller nach der Ernennung des Konkurrenten sein Rechtschutzziel – die vorläufige Sicherung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs – im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nicht mehr erreichen (vgl. BVerwG, Urt. v. 4.11.2010 – 2 C 16.09 –, juris, Rn. 39; Beschl. v. 22.11.2012 – 2 VR 5.12 –, juris, Rn. 17; Beschl. v. 3.7.2012 – 2 VR 3.12 –, juris, Rn. 2f.). Für einen solchen Eilantrag – sowohl nach § 123 VwGO als auch gemäß §§ 80, 80a VwGO – fehle nach der Ernennung das schutzwürdige Interesse; er werde gegenstandslos. Denn der um eine Stellenbesetzung geführte Rechtsstreit erledige sich mit der endgültigen Besetzung der ausgeschriebenen Stelle, weil die Ernennung infolge des Grundsatzes der Ämterstabilität grundsätzlich nicht mehr rückgängig gemacht werden könne (BVerwG, Urt. v. 4.11. 2010 – 2 C 16/09 – juris, Rn. 27; Wiegand, Beamtenrechtlicher Konkurrentenstreit, 2017, S. 51f.). Entgegen der Annahme des Antragstellers greife der Grundsatz der Ämterstabilität auch bei der Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Probe. Dessen Begründung setze gleichermaßen eine Ernennung voraus (vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 1 BeamtStG) und beendet das Stellenbesetzungsverfahren. Bei Bewährung in der Probezeit bestehe zudem ein Anspruch auf Umwandlung in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit (vgl. Reich, BeamtStG, 3. Aufl. 2018, § 10 Rn. 2). 

Auch der Antrag auf Erlass einer Sicherungsanordnung sei unzulässig. Ihm stehe gemäß § 121 Nr. 1 VwGO bereits die materielle Rechtskraft des (formell rechtskräftigen) Beschlusses der Kammer vom 29.08.2024 als Verfahrenshindernis entgegen (vgl. zur Anwendbarkeit des § 121 VwGO auch auf einstweilige Rechtsschutzverfahren BGH, NJW 2018, 235 (236); Wöckel, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 121 Rn. 6 m.w.N.; Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, § 121 Rn. 4). Unabhängig davon fehle es aufgrund der bereits erfolgten Ernennung der Beigeladenen aus den obigen Erwägungen auch im Hinblick auf die Sicherungsanordnung erneut am Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers. 

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OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 13.09.2024 – 4 N 61/20 -

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung wurde von dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) abgelehnt. Der Kläger hatte in der ehemaligen DDR ein Diplomlehrer-Studium der Polytechnik erfolgreich abgeschlossen. Im Jahr 1998 wurde er unter Verleihung der Eigenschaft als Beamter auf Lebenszeit zum Lehrer ernannt und nach der Besoldungsgruppe A 12 kw (künftig wegfallend) besoldet. Das Verwaltungsgericht habe dem OVG zufolge die auf „Hebung" in die Besoldungsgruppe A 13 kw gerichtete Klage mit Wirkung vom 1. August 2017 zu Recht abgewiesen. 

 

Das Verwaltungsgericht habe angenommen, der Kläger erfülle schon die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Zuordnung seines Amtes zur Besoldungsgruppe A 13 kw nicht. Nach der Anlage 1 zum brandenburgischen Besoldungsgesetz (BbgBesG) in der am 1. August 2017 in Kraft getretenen Fassung (vom 10. Juli 2017, GVBl. I Nr. 14, S. 1) gehören nach Fußnote 3 zu Besoldungsgruppe A 13 kw, die als Eingangsamt für Lehrerinnen und Lehrer auf Fußnote 4 b und c zu Besoldungsgruppe A 12 kw verweist, u.a. „Diplomlehrer mit einer Lehrbefähigung für zwei Fächer der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule (Klassen 5 bis 10)" sowie „Diplomlehrer mit einer Lehrbefähigung für zwei Fächer für die Oberstufe der allgemeinbildenden Schulen" zur Besoldungsgruppe A 13 kw. Dies treffe auf den Kläger nicht zu, denn von dem Verweis in Fußnote 3 zu Besoldungsgruppe A 13 kw seien u. a. „die in Fußnote 4 a zu Besoldungsgruppe A 12 kw geregelten „Diplomlehrer mit einer Lehrbefähigung für ein Fach der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule (Klassen 5 bis 10)" nicht erfasst worden. Das Verwaltungsgericht begründe sodann eingehend unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG, Urteil vom 21.04.1999 – 10 AZR 467/98 – juris; Urteil vom 18.08.1999 – 10 AZR 104/98 – juris), dass die vom Beklagten vorgenommene Einstufung des Klägers als Diplomlehrer mit einer Lehrbefähigung für lediglich ein Fach und damit nicht einer Lehrbefähigung für zwei Fächer der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule sich als rechtsfehlerfrei erweise. Bei seinem Hochschulabschluss mit der Lehrbefähigung "Polytechnik" handle es sich um eine Lehrbefähigung für ein Fach, nämlich den Fachunterricht "Polytechnik". Danach könne nicht davon ausgegangen werden, dass diese Lehrbefähigung als Lehrbefähigung für zwei Fächer anzusehen sei. 

Der Zulassungsantrag des Klägers ‚beanstande‘ im Hinblick auf die vorgenannten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts diese die Entscheidung des Verwaltungsgerichts tragende rechtliche Bewertung nicht und zieht ihre Richtigkeit damit nicht ernstlich in Zweifel. 

Der Kläger lege auch nicht dar, dass an der Richtigkeit ernstliche Zweifel bestünden, weil er aufgrund des Schreibens des Staatlichen Schulamtes vom 16. Januar 1992 eine Zusicherung nach § 1 VwVfG Bbg i.V. § 38 VwVfG erhalten habe, dass er ein Amt der Besoldungsgruppe A 13 kw innehabe. 

Hier nahm das VG an, das Schreiben des Staatlichen Schulamtes sei bereits nach seinem Wortlaut nur feststellender Natur und es lediglich rein informatorisch den damals aktuellen Stand der Anerkenntnisprüfung des Beklagten wiedergebe. Maßgeblich sei allein die durch eine Prüfung wirklich erlangte Lehrbefähigung, nicht ein fehlerhaftes Schreiben eines staatlichen Schulamtes. 

Der Kläger habe hiergegen eingewendet, das Schreiben stelle eine Zusicherung im rechtlichen Sinne dar, an die der Beklagte nach wie vor gebunden sei. Er gehe davon aus, dass der Beklagte die Lehrbefähigung für zwei Fächer im Jahre 1992 verbindlich zuerkannt habe. 

Eine Zusicherung nach § 1 Abs. 1 VwVfG Bbg i.V. § 38 Abs. 1 VwVfG erfordere eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen. Sie setze damit zunächst voraus, dass ein Verwaltungsakt-Erlass oder sein Unterlassen zugesagt werde (Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Auf. 2023, § 38 Rn. 12). In dem Schreiben vom 16. Januar 1992 werde lediglich mitgeteilt, dass die Ausbildung des Diplomlehrers „Polytechnik“ als Abschluss in zwei Fächern anerkannt werde, aber es werde vom Staatlichen Schulamt als Behörde keine Zusage erteilt, dass ein Verwaltungsakt erlassen werden soll, dass der Kläger ein Amt der Besoldungsgruppe A 13 kw innehabe. Im Übrigen lägen auch für eine derartige Zusicherung die fachrechtlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen nicht vor. Die Besoldung der Beamten wird durch Gesetz geregelt und Zusicherungen und Vereinbarungen, die einem Beamten eine höhere als die gesetzlich bestehende Besoldung verschaffen sollten, seien nach § 2 Abs. 2 BbgBesG unwirksam. Selbst wenn man das Schreiben vom 16. Januar 1992 als eine Zusicherung ansähe, die dem Kläger eine bestimmte höhere Besoldung verschaffen solle, wäre diese daher unwirksam. 

Der Kläger lege nicht dar, dass der Besoldungsgesetzgeber mit seiner Differenzierung bei der Besoldung zwischen den Diplomlehrern mit einer Lehrbefähigung für zwei Fächer und dem Kläger mit einer Lehrbefähigung für Polytechnik für ein Fach seine weite Gestaltungsfreiheit bei den besoldungsrechtlichen Vorschriften überschritten habe und damit den allgemeinen Gleichheitssatz verletzt hätte. 

Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebiete dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er verbiete ungleiche Belastungen ebenso wie ungleiche Begünstigungen. Verboten sei daher ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewähre, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten werde. Differenzierungen seien damit nicht ausgeschlossen, bedürften jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe. Es sei grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselben Rechtsfolgen knüpfe und die er so als rechtlich gleich qualifiziere. Im Bereich des Besoldungsrechts hänge die Zulässigkeit einer Differenzierung davon ab, ob nach dem Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG ein sachlich gerechtfertigter Grund vorliege. Bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von besoldungsrechtlichen Vorschriften habe der Gesetzgeber eine verhältnismäßig weite Gestaltungsfreiheit. Wegen des weiten Spielraums politischen Ermessens, innerhalb dessen er das Besoldungsrecht den tatsächlichen Notwendigkeiten und der fortschreitenden Entwicklung anpassen und verschiedenartige Gesichtspunkte berücksichtigen dürfe, sei Maßstab der verfassungsrechtlichen Prüfung nicht, ob der Gesetzgeber die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung gewählt habe. Sofern nicht von der Verfassung selbst getroffene Wertungen entgegenstehen, sei nur die Überschreitung äußerster Grenzen zu beanstanden, jenseits derer sich gesetzliche Vorschriften bei der Abgrenzung von Lebenssachverhalten als evident sachwidrig erweisen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.05.2017 – 2 BvR 883/14 u.a. – juris Rn. 85 m.w.N.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29.02.2024 – OVG 4 B 13/20 – juris Rn. 24). 

Gemessen an diesem Maßstab habe der Kläger nicht substantiiert dargelegt, dass an der Annahme des Verwaltungsgerichts ernstliche Zweifel bestehen, dass der Landesgesetzgeber bei der vorgenommenen gesetzlichen Differenzierung der Besoldung zwischen Diplomlehrern mit der Lehrbefähigung für ein Fach und mit zwei Fächern die Grenzen seines weiten Gestaltungsspielraums überschritten habe. Dass für die Differenzierung nach dem Maßstab des Art. 3 Abs. 1 ein sachlich rechtfertigender Grund vorliege, begründe das Verwaltungsgericht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Eingruppierung von Diplomlehrern für Polytechnik (BAG, Urteil vom 21.04.1999 – 10 AZR 467/98 –, juris Rn. 83 ff.; Urteil vom 18.08.1999 – 10 AZR 104/98 – juris Rn. 33 ff.) im Kern mit der abweichenden Ausbildung der Diplomlehrer für Polytechnik im Vergleich zu anderen Diplomlehrern, die zu einer unterschiedlichen Lehrbefähigung führten. Insbesondere stelle das bei anderen Diplomlehrern vorhandene Hochschulstudium für mehrere Fächer, die Systematik der Lehrerausbildung und die bei den Lehrern für Polytechnik geringere Verwendungsmöglichkeiten auch nach der Wiedervereinigung einen sachlichen Grund dar, die eine besoldungsrechtliche Differenzierung rechtfertige. Diese Bewertung vermöge der Kläger mit seinem Zulassungsvorbringen nicht ernsthaft in Zweifel zu ziehen, zumal in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zur Systematik der Lehrerausbildung in der ehemaligen DDR herausgearbeitet wurde, das im Recht der ehemaligen DDR für das Direktstudium, das grundsätzlich zum Erwerb der Lehrbefähigung für zwei Fächer führte, verschiedene Fächerkombinationen angeboten wurden. Lediglich das Fach Polytechnik (sowie das Fach Musik) wurde nicht in Kombination mit einem anderen Fach studiert. Das Fach Polytechnik konnte außerdem auch als Fernstudium absolviert werden; ein Fernstudium führte nach dem Recht der ehemaligen DDR grundsätzlich nur zum Erwerb der Lehrbefähigung für ein Fach. Daraus sei zu schließen, dass das Fach Polytechnik als sog. "Ein-Fach-Studium" angesehen worden sei (BAG, Urteil vom 21.04.1999 – 10 AZR 467/98 – juris Rn. 91). Angesichts dessen stelle das Verwaltungsgericht zu Recht auf die geringere Verwendungsmöglichkeit des Klägers als Diplomlehrer für Polytechnik als sachlichen Grund für die Differenzierung der besoldungsrechtlichen Vorschriften ab, zumal die Lehrbefähigung des Klägers beispielsweise für den Fachunterricht „Einführung in die sozialistische Produktion“ im Schulunterricht des Landes Brandenburg nicht zur Anwendung kommen dürfe. Auch soweit der Kläger vortrage, die vorgenannte Differenzierung spiele hinsichtlich des (tatsächlichen) Fächereinsatzes der Lehrkräfte im Schulalltag keine Rolle, berücksichtige er nicht, dass die oben genannten besoldungsrechtlichen Regelungen in nicht zu beanstandender Weise auf die Lehrbefähigung und nicht auf die tatsächliche Verwendung einer Lehrkraft abstellten. Aufgrund des Laufbahngruppensystems komme der Ausbildung für die späteren beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten und der Besoldung starke Bedeutung zu (vgl. Voßkuhle/Kaiser, in: Voßkuhle/Eifert/Möllers, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. II, 3. Aufl. 2022, S. 1099). Auch soweit der Kläger rüge, Absolventen aktueller Lehramtsstudiengänge im Land Brandenburg sei es ohne Weiteres möglich, die Besoldungsgruppe A 13 zu erreichen, weil regulär immer zwei Fächer zur Ausbildung gehörten, für ihn als „Alt-Lehrer“ hingegen nicht, lege er nicht dar, dass die vom Besoldungsgesetzgeber vorgenommene Differenzierung evident sachwidrig sei, angesichts des Umstandes, dass der nach dem Recht der ehemaligen DDR erfolgte Abschluss als „Diplomlehrer für Polytechnik“ nur zu einer Lehrbefähigung für ein Fach führte, während die heute eingestellten Lehrkräfte über die Lehrbefähigung in der Regel für zwei Fächer verfügen und damit angesichts dieser Lehrbefähigung im Unterricht breiter eingesetzt werden können. 

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BVerwG, Beschl. v. 05.09.2024 – 2 C 19.23 –  

Arbeitszeitrecht bei einer mehrtägigen Dienstreise 

Leitsätze 

1. Das unionsrechtliche Arbeitszeitrecht, das lediglich die Kategorien Arbeits- und Ruhezeit kennt, hindert den nationalen Normengeber nicht, eine Zeit während einer mehrtägigen Dienstreise, die unionsrechtlich lediglich Ruhezeit ist, wegen der damit für den Beamten verbundenen Einschränkungen (ganz oder teilweise) auf das Arbeitszeitkonto anzurechnen. 

2. Der Begriff der "Wartezeit" in § 13 Abs. 3 ThürPolAzVO a. F. erfasst bei einer mehrtägigen Dienstreise im Rahmen eines geschlossenen Einsatzes der Bereitschaftspolizei nicht den Zeitraum zwischen dem Ende der dienstlichen Tätigkeit oder der Reise an einem Tag und dem Beginn der dienstlichen Tätigkeit oder der Reise an einem anderen Tag. 

 

Diese zurückgewiesene Revision betrifft die arbeitszeitrechtliche Einordnung eines mehrtägigen auswärtigen Einsatzes einer Einsatzhundertschaft der Bereitschaftspolizei. 

Der Kläger, ein Polizeihauptmeister, befand sich in der Zeit vom 30. April bis 2. Mai 2016 mit seiner Hundertschaft wegen eines Unterstützungseinsatzes in Berlin. Vor dem Einsatz hatte man dem Kläger auf dessen Anfrage mitgeteilt, dass sämtliche Zeit, die keine Arbeits- oder Bereitschaftszeit sei, ohne Anrechnung als Ruhezeit gewertet werde; nach Rücksprache mit der einsatzführenden Dienststelle werde zwischen den Einsätzen keine Bereitschaftszeit angeordnet. Die Fahrzeiten von seiner Unterkunft zu den Einsatzorten in Berlin und zurück wurden voll auf die Arbeitszeit angerechnet, nicht jedoch die Zeiten nach der Rückkehr in die Unterkunft bis zur Abfahrt am nächsten Morgen (1. Mai, 0:00 Uhr bis 1. Mai, 9:00 Uhr und 2. Mai, 0:30 Uhr bis 2. Mai, 8:30 Uhr). Gegen die Nichtberücksichtigung dieser 17 Stunden erhob der Kläger Widerspruch, über den nicht entschieden wurde. 

Das BVerwG entschied, das OVG sei ohne Rechtsverstoß davon ausgegangen, dass die Zeiten von der abendlichen Rückkehr des Klägers vom Einsatz in Berlin in das Hotel bis zur Abfahrt am nächsten Morgen zum erneuten Einsatz in Berlin nicht als Bereitschaftsdienst i. S. v. § 16 der Thüringer Verordnung über die Arbeitszeit der Polizeivollzugsbeamten (a.F.) zu werten und deshalb nicht in vollem Umfang als Arbeitszeit anzurechnen seien. Zwar verletzten die Ausführungen des OVG gegen die hälftige Anrechnung dieser Zeiten revisibles Recht. Die Revision des Klägers sei aber dennoch zurückzuweisen, weil sich die Ablehnung des Anspruchs auf hälftige Anrechnung der 17 Stunden nach § 13 Abs. 3 ThürPolAzVO a. F. aus anderen Gründen als richtig darstelle. 

Für die arbeitszeitrechtliche Bewertung sei die Rechtslage zum Zeitpunkt des betreffenden Einsatzes des Beamten maßgeblich (BVerwG, Urteil vom 29.04.2019 - 2 C 18.20 - BVerwGE 172, 254 Rn. 16 m. w. N.). Die Anrechnung der Zeiten als Arbeitszeit richte sich nach der dafür erlassenen Rechtsnorm, hier die Thüringer Verordnung über die Arbeitszeit der Polizeivollzugsbeamten vom 1. Juli 2009, und nicht nach den Vorgaben der zwischen dem Bund und den Ländern getroffenen Verwaltungsvereinbarung über vereinfachte Regelungen und einheitliche Pauschale für die Abrechnung von Unterstützungseinsätzen vom Frühjahr 2013. 

Zur Begründung der Ablehnung des Anspruchs auf hälftige Anrechnung nach § 13 Abs. 3 ThürPolAzVO a. F. habe das Berufungsgericht ausgeführt, bei der Wartezeit handele es sich um Zeiträume, die im Rahmen einer Dienstreise, jedoch außerhalb der eigentlichen Reisezeit verstrichen, bis der Beamte dienstlich in Anspruch genommen werde. Es handele sich um Zeiten, die im Zusammenhang mit der Reise stünden, die jedoch keine Reisezeit im engeren Sinne, Arbeits- (einschließlich Bereitschaftsdienst) oder Ruhezeit seien. Dies sei hier jedoch ausgeschlossen, weil es sich bei den streitgegenständlichen Zeiten um reine Ruhezeiten i. S. v. Art. 2 Nr. 2 RL 2003/88/EG und § 7 ThürPolAzVO a. F. handele. Dem BVerwG zufolge ist diese Rechtsauffassung mit Unionsrecht und dem innerstaatlichen Recht unvereinbar. 

Das Unionsrecht, das ausgehend von Art. 2 RL 2003/88/EG für den beschränkten Anwendungsbereich der Richtlinie lediglich die Kategorien Arbeits- und Ruhezeit kenne, hindere den nationalen Normengeber nicht, eine Zeit, die nach unionsrechtlichen Kriterien bloße Ruhezeit sei, zugunsten des betroffenen Beamten (ganz oder teilweise) auf das Arbeitszeitkonto anzurechnen (vgl. zu den Gestaltungsmöglichkeiten des nationalen Normgebers im Verhältnis zum unionsrechtlichen Arbeitszeitrecht, BVerwG, Urteil vom 29.04.2021 - 2 C 18.20 - BVerwGE 172, 254 Rn. 46 m. w. N.). Bei einer mehrtägigen Dienstreise könne dies insbesondere im Hinblick auf die belastenden Umstände der längerfristigen auswärtigen Unterbringung des Beamten gerechtfertigt sein. Auch könne § 7 ThürPolAzVO a. F. nicht entnommen werden, dass es die unionsrechtliche Einstufung einer Zeit als Ruhezeit ausschließe, diese zugunsten des Betroffenen nach Maßgabe einer nationalen Rechtsvorschrift doch anderweitig zu bewerten. Denn § 7 ThürPolAzVO a. F. regele lediglich die innerhalb eines 24-Stundenzeitraums und in einem Bezugszeitraum von 14 Tagen zu gewährende Mindestruhezeiten. 

Der § 13 Abs. 3 ThürPolAzVO a. F. erfasse nicht den Zeitraum der regelmäßigen Nachtruhe zwischen zwei Einsätzen im Rahmen eines geschlossenen Einsatzes. 

Der in § 13 Abs. 3 und § 20 Abs. 4 Satz 3 ThürPolAzVO a. F. verwendete Begriff der Wartezeit sei in der hier maßgeblichen Fassung über die Arbeitszeit der Polizeivollzugsbeamten nicht legal definiert. Die aktuelle Fassung der Verordnung kenne den Begriff nicht mehr. Durch Art. 3 der Thüringer Verordnung zur Änderung laufbahn-, arbeitszeit- und urlaubsrechtlicher Vorschriften vom 11. November 2019 (GVBl. S. 480) sei § 13 Abs. 3 ThürPolAzVO a. F. ersatzlos aufgehoben worden. Im Arbeitszeitrecht des Bundes für Beamte sei der Begriff der Wartezeit zwischenzeitlich ausdrücklich definiert (§ 2 Nr. 13 und 17 AZV in der Fassung der Verordnung zur Weiterentwicklung dienstrechtlicher Regelungen zu Arbeitszeit und Sonderurlaub vom 17.12.2020, BGBl. I S. 3011; vgl. auch § 2 Nr. 10 und 15 SAZV). Die Aufnahme der Definitionen von Reise- und Wartezeit solle für die Dienststellen und für die Bediensteten Klarheit über den Umfang der als Zeitguthaben anrechenbaren Stunden während einer Dienstreise schaffen. Durch die Regelungen werde bestimmt, dass bei einer mehrtägigen Dienstreise insbesondere die Übernachtungen am auswärtigen Geschäftsort als Wartezeiten gelten und deshalb grundsätzlich keine Reisezeiten und nicht anzurechnen seien (Begründung der Verordnung der Bundesregierung, S. 20 zu § 2 und Seite 26 f. zu § 11). 

Der Entstehungsgeschichte des § 13 Abs. 3 ThürPolAzVO a. F. lasse sich nicht entnehmen, von welchem Begriffsverständnis der Verordnungsgeber beim Erlass der Norm ausgegangen sei. Die Systematik der § 13 Abs. 3 und § 20 Abs. 4 Satz 3 ThürPolAzVO a. F. und der allgemeine Sprachgebrauch des Begriffs der Wartezeit sprechen aber für eine Auslegung, die die nächtlichen Ruhezeiten nicht mit umfasse. Der Begriff der Wartezeit werde in § 13 Abs. 3 und § 20 Abs. 4 Satz 3 ThürPolAzVO a. F. jeweils im Zusammenhang mit Reisezeiten genannt. Dies führe zu dem Schluss, dass es sich bei Wartezeiten um Zeiten handeln muss, die in einem engeren Zusammenhang zur eigentlichen Reisezeit stehen. Damit müsse es sich um Zeiten handeln, die der räumlichen Veränderung des Beamten (Dienstreise) unmittelbar nachfolgen oder die der Dienstreise unmittelbar vorangehen. Auch der allgemeine Sprachgebrauch spreche gegen die Annahme, dass sich der Beamte während der mehrstündigen Nachtruhe noch im Zustand des unmittelbaren "Wartens" auf den nächsten dienstlichen Einsatz befinde. 


Link zur Entscheidung: BVerwG, Beschl. v. 05.09.2023 – 2 C 19.23 – 


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BVerwG, Beschl. v. 05.09.2024 – 2 C 14.23 –  

Berücksichtigungsfähigkeit von Vordienstzeiten nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG / kein "Auffüllung" von Teilzeit-Zeiten durch spätere Zeiten hauptberuflicher Tätigkeit  

Leitsatz 

Im Rahmen der versorgungsrechtlichen Berücksichtigung von Vordienstzeiten nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG ist als vorgeschriebene Mindestzeit praktischer hauptberuflicher Tätigkeit nur der Zeitraum berücksichtigungsfähig, der nötig ist, um die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für die Berufung in das Beamtenverhältnis zu erfüllen. Genügen hierfür auch Teilzeittätigkeiten, ist kein Raum für die "Auffüllung" von in der Mindestzeit liegenden Teilzeit-Zeiten durch spätere Zeiten hauptberuflicher Tätigkeit. 

 

Durch diesen Beschluss entschied das BVerwG gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO über die Kosten nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt hatten. Die Kosten seien nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Streitstands zu verteilen. Danach habe der Kläger die Kosten zu tragen, weil seine Klage voraussichtlich erfolglos geblieben wäre. 

Gegenstand des Rechtsstreits war die Frage, ob die Beklagte die Berücksichtigung bestimmter Vordienstzeiten des Klägers zu Recht verweigert hatte, und zwar im Rahmen einer Vorwegentscheidung, welche der Kläger noch vor seinem während des erstinstanzlichen Klageverfahrens erfolgten Ruhestandseintritt beantragt hatte. 

Dem BVerwG zufolge wäre die Klage voraussichtlich auch unter dem Aspekt der Begründetheit erfolglos geblieben. Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG in der im Zeitpunkt des Ruhestandseintritts des Klägers geltenden und damit maßgeblichen Fassung vom 15. März 2012 (BGBl. I S. 462) könne die Mindestzeit einer praktischen hauptberuflichen Tätigkeit, die für die Übernahme in das Beamtenverhältnis vorgeschrieben ist, als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt werden. 

Würden mithin auch Teilzeitbeschäftigungen für eine Anrechnung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG in Betracht kommen, genügten laufbahnrechtlich auch im Falle des Klägers Teilzeittätigkeiten für dessen Übernahme in das Beamtenverhältnis. 

Die zur Zeit der Ableistung der praktischen hauptberuflichen Tätigkeit geltenden laufbahnrechtlichen Regelungen in § 17 Abs. 2 Satz 1 PatG 1968 und § 26 Abs. 2 Satz 1 PatG 1980 bestimmten, dass als technisches Mitglied des Patentamts in der Regel nur angestellt werden soll, wer ein bestimmtes Studium absolviert und die Abschlussprüfung bestanden hat und außerdem "danach mindestens fünf Jahre hindurch praktisch gearbeitet hat". § 36b Abs. 2 Satz 3 PatG 1968 und § 65 Abs. 2 Satz 3 PatG 1980 ordneten für die technischen Mitglieder des Patentgerichts die entsprechende Anwendung dieser für die technischen Mitglieder des Patentamts geltenden Bestimmungen an. 

"Praktisch gearbeitet" i. S. d. § 26 Abs. 2 Satz 1 PatG setze nicht "in Vollzeit gearbeitet" voraus. Der Wortlaut der Norm enthalte keinerlei Anhalt für ein Vollzeit-Erfordernis. Auch die Formulierung "hindurch" besage hierzu nichts. Angesichts dessen, dass Teilzeit-Arbeit zwar nicht die Regel, aber auch seinerzeit durchaus verbreitet war, hätte es für eine derartige Einschränkung einer ausdrücklichen Regelung bedurft. 

Raum für die vom Kläger begehrte und von den Vorinstanzen angenommene "Auffüllung" von Teilzeit-Zeiten durch nach Ablauf der Mindestzeit von fünf Jahren liegende Zeiten gebe es danach nicht (vgl. GKÖD, BeamtVG, LS, Stand Mai 2024, § 12 Rn. 53). 

Dies folge schon aus dem Begriff der "Mindestzeit" in § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG. Wenn fünf Jahre praktischer Tätigkeit vorgeschrieben seien und diese Tätigkeit auch in Teilzeit geleistet werden könne, sei die vorgeschriebene Zeit nach fünf Jahren erreicht - einerlei, ob die Tätigkeit in Vollzeit und/oder in Teilzeit geleistet wurde. Nach Ablauf dieses Zeitraums konnte der Betreffende - hier der Kläger - in das Beamtenverhältnis auf Probe berufen werden. 

Insbesondere ergebe sich dies aus Sinn und Zweck des § 12 BeamtVG. Sinn und Zweck der Berücksichtigungsbestimmungen der §§ 10 ff. BeamtVG und damit auch des § 12 BeamtVG sei die Vermeidung der Schlechterstellung des "Nicht-Nur-Beamten" gegenüber dem "Nur-Beamten", nicht aber seine Besserstellung gegenüber dem "Nur-Beamten". Durch die Berücksichtigung der verbrachten Mindestzeit der außer der allgemeinen Schulbildung vorgeschriebenen Ausbildungszeiten oder Zeiten praktischer hauptberuflicher Tätigkeiten sollen die Unterschiede ausgeglichen werden, die dadurch entstehen können, dass für einzelne Laufbahnen einer Laufbahngruppe eine längere Ausbildung als für andere Laufbahnen oder eine praktische hauptberufliche Tätigkeit vorgeschrieben sei. Auf diese Weise sollen Nachteile der Laufbahnverzögerung durch Erfüllung der vorgeschriebenen Laufbahnerfordernisse gegenüber solchen Beamten vermieden werden, die unmittelbar nach dem Schulabschluss in das Beamtenverhältnis eintreten und damit bereits von einem früheren Zeitpunkt an ruhegehaltfähige Dienstzeiten erwerben können (BVerwG, Beschluss vom 06.05.2014 - 2 B 90.13 - Buchholz 239.1 § 12 BeamtVG Nr. 22 Rn. 7). 

Berücksichtigungsfähig als Mindestzeit sei damit nur der Zeitraum, der nötig sei, um die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für die Berufung in das Beamtenverhältnis zu erfüllen. Seien fünf Jahre berufspraktische Zeiten gefordert, endet der Zeitraum mit dem Ablauf von fünf Jahren - einerlei, ob Vollzeit- oder Teilzeitarbeit geleistet wurde. Ab diesem Zeitpunkt besteh kein Bedürfnis mehr, den Nicht-Nur-Beamten (weiter) zu privilegieren. Ob und in welcher Höhe er für insoweit nicht berücksichtigte Zeiten anderweitige Versorgungsansprüche - insbesondere Rentenansprüche - erworben habe, sei daher ohne Bedeutung. 

Die Zeiten nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG seien nach ihrem tatsächlichen Verlauf zu beurteilen (Kümmel, BeamtVG, LS, Stand Oktober 2021, § 12 Rn. 62). Dementsprechend dürften gemäß Tz 12.1.17 BeamtVGVwV 1980 "Zeiten nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 mit einer geringeren als der regelmäßigen Arbeitszeit nur zu dem Teil als ruhegehaltfähig berücksichtigt werden, der dem Verhältnis der tatsächlichen zur regelmäßigen Arbeitszeit entspricht". 

Dass erst im Jahr 2021 (durch das Gesetz zur Regelung des Erscheinungsbilds von Beamtinnen und Beamten sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften vom 28.06.2021, BGBl. I S. 2250) geregelt worden ist, dass § 6 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG entsprechend auf eine praktische hauptberufliche Zeit nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG anzuwenden ist, führe nicht zu einem anderen Ergebnis. Damit habe der Gesetzgeber die bestehende Rechtslage nur klargestellt, aber nicht geändert (vgl. Kümmel, BeamtVG, LS, Stand Oktober 2021, § 12 Rn. 64, Plog/Wiedow, BeamtVG, LS, Stand Juli 2024, § 12 Rn. 80b). 

Link zur Entscheidung: Beschl. v. 05.09.2024 - 2 C 14.23 - 


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BVerwG, Urt. v. 05.09.2024 – 2 A 8.23 – 

Erschwerniszulage für besondere Einsätze beim Bundesnachrichtendienst 

Leitsatz 

Ist der Aufgabenbereich eines beim Bundesnachrichtendienst beschäftigten Beamten - lediglich - dadurch geprägt, dass er unter Führung einer Dienstlegende (Dienstnamen) im Rahmen der Kooperation mit anderen Behörden oder Partnern erkennbar für den Nachrichtendienst tätig ist, ist eine Erschwerniszulage nach § 22 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 12 EZulV nicht zu gewähren. 

 

Der Kläger begehrte die Zahlung einer Erschwerniszulage. Er hatte zuletzt das Amt eines Amtsinspektors (Besoldungsgruppe A 9 BBesO) inne. Seit 2014 war er als Bürosachbearbeiter-Ermittlungsdienst auf verschiedenen Dienstposten im Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes (BND) tätig. 2022 stellte er rückwirkend den Antrag auf Gewährung einer Erschwerniszulage für besondere Einsätze bei den Nachrichtendiensten des Bundes, der unbeschieden blieb. Das Bundesverwaltungsgericht wies die Klage ab. 

Der § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 12 EZulV sei dahin auszulegen, dass die zulagenberechtigende Tätigkeit eine unmittelbare Verwendung des Beamten zur verschleierten Informationsbeschaffung im Außendienst (1. Alt.) oder in sonstiger Weise mit direktem Kontakt zu Personen von nachrichtendienstlichem Interesse voraussetze (2. Alt.). Tätigkeiten von Beamten bei den Nachrichtendiensten, die unter Führung eines Dienstnamens im Rahmen der üblichen Kooperation mit anderen Behörden oder Partnern erkennbar für die Nachrichtendienste erbracht werden, zählen dazu nicht, auch dann nicht, wenn diese als erste Schritte der Vorbereitung einer späteren Maßnahme zur geheimen Informationsgewinnung dienen. 

Bereits der Wortlaut der Zulagennorm spreche für dieses Verständnis. "Verdeckte Informationsbeschaffung" im Außendienst i. S. v. § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 12 Alt. 1 EZulV könne im Zusammenhang mit einer nachrichtendienstlichen Tätigkeit nur dahin interpretiert werden, dass die Tätigkeit für den Nachrichtendienst im Geheimen ausgeübt werde, d. h. die Identität als Mitarbeiter des Nachrichtendienstes nicht offengelegt werde. Die zulagenberechtigende heimliche Informationsgewinnung muss zudem "operativ" erfolgen. Dies bedeute, dass sie Gegenstand der vom Beamten individuell zu erbringenden Dienstleistung sein müsse. Nach dem üblichen Begriffsverständnis sei eine operative Tätigkeit nur eine solche, die aktiv ins Werk gesetzt sei oder unmittelbar wirksam werde; der Operateur sei der unmittelbar Handelnde. Kein anderes Verständnis liege der zweiten Tatbestandsalternative des § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 12 EZulV zugrunde. Es handele sich grammatikalisch um eine gleichrangige Alternative ("oder"), die sich auf das Subjekt des "operativ tätigen Beamten" und das gemeinsame Akkusativobjekt "zur verdeckten Informationsbeschaffung" beziehe. Folglich könne es sich bei der zulagenberechtigenden Kontaktaufnahme und -unterhaltung nur um eine solche zu dritten Personen von nachrichtendienstlichem Interesse handeln. Arbeitskontakte im Rahmen der Kooperation mit anderen Behörden oder Partnern der Nachrichtendienste – auch unter Verwendung eines Dienstnamens – fallen nicht darunter. 

 

Die vom Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum von Januar 2020 bis April 2023 ausgeübte dienstliche Tätigkeit erfülle die Voraussetzungen des Zulagentatbestandes des § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 12 EZulV nicht. Der Kläger sei in einem seinen Aufgabenbereich prägenden Umfang weder zur verschleierten Informationsgewinnung operativ im Außendienst (1. Alt.) noch mit unmittelbarem Kontakt zu Personen von nachrichtendienstlichem Interesse (2. Alt.) eingesetzt gewesen. Nach eigenem Vorbringen sei er seit 2018 mit einem Anteil von 85 v. H. seiner Tätigkeit mit der Beschaffung von Tarnpapieren betraut gewesen. Diese in Kooperation mit anderen Behörden ausgeübte Tätigkeit sei lediglich eine vorbereitende Maßnahme, um die verschleierte Informationsgewinnung durch Andere zu ermöglichen. Der Dienst des Klägers am Flughafen ... – selbst wenn dabei auch Kontakte zu Personen von nachrichtendienstlichem Interesse bestanden haben sollten – habe sich auf punktuelle, im Vergleich zu seiner Gesamttätigkeit nicht ins Gewicht fallende Einsätze beschränkt. 


Link zur Entscheidung: BVerwG, Urt. v. 05.09.2024 - 2 A 8.23 - 


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BVerwG, Beschl. v. 29.08.2024 - 1 WB 3.24 -  

Erfolgloser Konkurrentenstreit über einen militärischen Dienstposten 

Leitsatz 

Dokumentierte Auswahlerwägungen für eine militärische Dienstpostenbesetzung können im gerichtlichen Verfahren erläutert, näher ausgeführt oder konkretisiert werden. In der Dokumentation nicht enthaltene Auswahlgesichtspunkte können im gerichtlichen Verfahren nicht neu eingeführt werden. 

 

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung betraf einen Konkurrentenstreit um die Besetzung eines nach Besoldungsgruppe B 7 (Generalmajor) bewerteten Dienstpostens. Der Antragsteller und der Beigeladene sind Berufssoldaten. Der Bundesminister der Verteidigung entschied den Dienstposten mit dem Beigeladenen zu besetzen. Die Auswahlempfehlung wurde wie folgt begründet: 

"Beide Kandidaten sind Spitzenoffiziere mit operativem sowie umfangreichem logistischen Hintergrund und erfüllen das obligatorische Anforderungsprofil vollständig. [Der Antragsteller] greift auf ein aktuelles und besonders umfassendes Erfahrungsfundament im in Rede stehenden Tätigkeitsumfeld (...) zurück. Seit sieben Jahren in wechselnden Verwendungen auf der Ebene B6 dort eingesetzt, ist er mit allen aktuellen Themen - auch die Ops Division betreffend - bestens vertraut. Während sein VwdgAufb ansonsten in SP (techn)Log/RüPol verlief, einschl. eines Einsatzes im Ber Techn/Log/Ausb, greift [der Beigeladene] auf einen vielfältigeren Befähigungsaufbau in den Ber FüEins/Log/IPlg zurück, mit nat/multinat operativen Kenntnissen auf den Ebenen Brig, höhKdoBeh und BMVg, operativer Einsatzerfahrung, aktueller Führungserfahrung auf der Ebene B6 sowie einer ihm in ganzheitlicher Betrachtung bereits zuerkannten Potenzialabschätzungsstufe für Verwendungen der Ebene B7. In der Gesamtbetrachtung setzt sich [der Beigeladene] damit knapp aber entscheidungsleitend nach oben ab." 

Die Auswahlentscheidung wurde dokumentiert in einem Ergebnisprotokoll vom 9. Oktober 2023, das vom Generalinspekteur der Bundeswehr, den beiden beamteten Staatssekretären sowie abschließend unter dem 11. Oktober 2023 vom Bundesminister der Verteidigung gezeichnet wurde. 

Der Antrag war erfolglos. 

Das OVG führte unter anderem zunächst aus, gem. Art. 33 Abs. 2 i. V. m. Art. 19 Abs. 4 GG f sei der Dienstherrn verpflichtet, die seiner Entscheidung zugrunde liegenden wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen, um eine sachgerechte Kontrolle durch den unterlegenen Bewerber und ggf. durch das Gericht zu ermöglichen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 09.07.2007 - 2 BvR 206/07 - NVwZ 2007, 1178 <1179>). Dem folgend habe der Senat eine entsprechende Verpflichtung zur Dokumentation der wesentlichen Auswahlerwägungen auch für Entscheidungen angenommen, die ein Konkurrenzverhältnis um eine höherwertige militärische Verwendung betreffen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 25.04.2007 - 1 WB 31.06 - BVerwGE 128, 329 Rn. 50, vom 16.12.2008 - 1 WB 19.08 - BVerwGE 133, 13 Rn. 36). Zur Dokumentation verpflichtet sei primär die Stelle, die für die zu treffende Auswahlentscheidung zuständig sei (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.02.2010 - 1 WB 36.09 - BeckRS, 51350 Rn. 27). Im Hinblick auf die in § 13 WBO verankerte umfassende Kontroll- und Abänderungskompetenz könne die gemäß § 9 Abs. 1 WBO zuständige Beschwerdestelle eine fehlende Dokumentation der Auswahlerwägungen nachholen oder eine vorhandene Dokumentation der Ausgangsentscheidung ändern, ergänzen oder inhaltlich fortschreiben (BVerwG, Beschlüsse vom 26.10.2017 - 1 WB 41.16 - NVwZ-RR 2018, 236 Rn. 31, vom 01.03.2018 - 1 WB 1.17 - juris Rn. 23 und vom 11.07.2019 - 1 WDS-VR 4.19 - juris Rn. 29). Eine erst im gerichtlichen Verfahren nachträglich gegebene Begründung der Auswahlentscheidung könne jedoch nicht berücksichtigt werden (vgl. insb. BVerwG, Beschluss vom 16.12.2008 - 1 WB 19.08 - BVerwGE 133, 13 Rn. 45 f. m. w. N.). 

Das OVG entschied, die Auswahlentscheidung sei rechtlich nicht zu beanstanden. Die Dokumentationspflicht sei erfüllt. 

Nicht zu beanstanden sei weiter die Annahme, dass beide Kandidaten alle zwingenden Anforderungskriterien ("das obligatorische Anforderungsprofil") erfüllen. 

Dies gelte für die sechs in dem Auswahlbogen benannten Anforderungskriterien. 

Das Bundesministerium der Verteidigung habe in dem Vorlageschreiben vom 16.01.2024 nachvollziehbar und plausibel die Herleitung der konkreten Kriterien aus den NATO-Vorgaben erläutert. Danach handele es sich bei dem strittigen Dienstposten um einen - den deutschen Streitkräften fest zur Besetzung zugewiesenen - sog. Quota-Posten. Für derartige Quota-Posten innerhalb einer Dienststelle der NATO Force Structure würden die NATO-Vorgaben aus der jeweiligen sog. Job Description in nationale Dienstposten-Erfordernisse übersetzt und bei Bedarf im Rahmen des Organisationsermessens durch nationale Anforderungen ergänzt. 

Vorliegend seien drei der vier - bewusst sehr allgemein gehaltenen Qualifikationsmerkmale der Job Description ("Experienced Officer with ample professional background of Joint and NATO Operations Staff functions", "Experience in commanding/directing military forces" sowie "Experience in planning, development, conduct and control of training and exercises on the operational level") in die auf dem Auswahlbogen genannten sechs Anforderungskriterien ("Führungserfahrung <wünschenswert auch im Einsatz und auf Ebene B6+>", "Expertise in den Bereichen Operationsplanung und Operationsführung <Ops> sowie Logistik <Log>", "Einsatzerfahrung <wünschenswert operativ>", "Erfahrung Stabsarbeit im Bereich Joint/​NATO Operationen", "Erfahrung in Planung, Entwicklung, Führung, Überwachung von Ausbildung/​Übung auf operativer Ebene", "Erfahrung im multinationalen Umfeld") umgesetzt, ausdifferenziert und konkretisiert worden. Es sei für den Senat nicht erkennbar, dass damit der Spielraum bei der Übersetzung der NATO-Vorgaben in die nationalen Strukturen überschritten wurde. Substantiierte Einwände seien von den Verfahrensbeteiligten insoweit nicht erhoben worden. 

Unstrittig sei zwischen den Beteiligten auch, dass sowohl der Antragsteller als auch der Beigeladene die sechs genannten Kriterien, soweit sie zwingende (und nicht nur wünschenswerte) Anforderungen bezeichneten, erfüllen. Insoweit könne wegen aller Einzelheiten auf die Darstellung in dem Vorlageschreiben vom 16. Januar 2024 verwiesen werden. Zutreffend weise das Bundesministerium der Verteidigung darauf hin, dass es insoweit allein auf die Tatsache des Erfüllens und nicht z. B. auf die Anzahl entsprechender Verwendungen ankomme. 

Im Leistungsvergleich anhand der dienstlichen Beurteilungen, der stattzufinden habe, wenn mehrere Bewerber das Anforderungsprofil erfüllen, sei aber nach den dokumentierten Auswahlerwägungen kein Vorrang des Beigeladenen gegenüber dem Antragsteller festzustellen. 

Der vier Blatt umfassende Vergleich der Beurteilungen des Antragstellers und des Beigeladenen bezüglich der Leistungsmerkmale "Führungsverhalten", "praktisches Können", "Belastbarkeit" und "Kommunikationsverhalten" sowie der Perspektivaussagen für die beiden Bewerber sei methodisch nicht zu beanstanden. Er stelle in tabellarischer Form die einschlägigen Textpassagen aus den dienstlichen Beurteilungen im wörtlichen Zitat einander gegenüber, führe diese in einem zweiten Schritt in einem wertenden Vergleich zusammen und schließe diesen jeweils mit einem kurz begründeten Ergebnis ab, welcher der beiden Bewerber danach als leistungsstärker bzw. mit der besseren Prognose eingeschätzt werde. 

Die Ergebnisse dieses Vergleichs liessen sich indes nicht verwerten, weil sie nicht Teil der dokumentierten und damit die Auswahlentscheidung tragenden Erwägungen seien. In die vom Bundesminister der Verteidigung gebilligte Auswahlempfehlung sei vielmehr lediglich die Einschätzung eingegangen, beide Kandidaten seien "Spitzenoffiziere". Diese Wertung lasse sich auch auf die sich aus den dienstlichen Beurteilungen ergebenden Leistungen beziehen und insoweit im Sinne eines Gleichstands verstehen. 

 Der - zugunsten des Beigeladenen ausschlagende - Leistungsvergleich der Bewerber finde sich erstmals in dem Vorlageschreiben des Bundesministeriums der Verteidigung vom 16.01.2024, in das er unter Nr. II.6. eingefügt sei. Eine solche vollständige Nachholung eines bei der Auswahlentscheidung fehlenden Schritts in den Auswahlerwägungen sei, nachdem der Antrag auf gerichtliche Entscheidung bereits gestellt sei, unzulässig (vgl. oben II.2.a.bb und insb. BVerwG, Beschluss vom 16.12.2008 - 1 WB 19.08 - BVerwGE 133, 13 Rn. 45 f. m. w. N.). Im gerichtlichen Verfahren könnten nur Erwägungen, die im Auswahlrational bereits niedergelegt seien, ausgeführt, erläutert, präzisiert und, sofern sie damit nicht in ihrem Wesen verändert werden, auch ergänzt werden. Die Erwägung, der Beigeladene werde nach dem Gesamtbild der dienstlichen Beurteilungen als der gegenüber dem Antragsteller leistungsstärkere Bewerber ausgewählt, sei jedoch in dem dokumentierten Auswahlrational weder enthalten noch auch nur ansatzweise angelegt. 

Sei danach von einem gleichen Leistungsstand der Bewerber auszugehen, durfte der Beigeladene aufgrund der weiteren im Auswahlrational angeführten Gesichtspunkte gegenüber dem Antragsteller vorgezogen und für den Dienstposten ausgewählt werden. 


Link zur Entscheidung: BVerwG, Beschl. v. 29.08.2024 - 1 WB 3.24 - 


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OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 20.08.2024 - 4 N 47/22  

Entlassung von politischen Beamten  aus dem Probebeamtenverhältnis 

Leitsätze 

1. Die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe wäre rechtswidrig, wenn ein Anspruch auf Umwandlung in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit bestünde.

2. Das gilt auch bei der Entlassung von politischen Beamten (hier: eines Staatssekretärs) aus dem Probebeamtenverhältnis.

3. Bestätigt ein Kollegialgericht rechtskräftig die Entlassung, scheidet ein beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch regelmäßig mangels Verschuldens des Amtswalters aus.

 

Das Verwaltungsgericht Berlin hatte die auf Verurteilung des Beklagten zur Gewährung von Schadensersatz wegen der unterbliebenen Ernennung des Klägers zum Staatssekretär als Beamter auf Lebenszeit gerichtete Klage abgewiesen. Bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) beantragte der Kläger erfolglos die Zulassung der Berufung. 

Die Berufung sei wegen des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zuzulassen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werde und auch die Richtigkeit des Ergebnisses der Entscheidung derartigen Zweifeln unterliege (BVerfG, Beschluss vom 18.06.2019 – 1 BvR 587/17 – juris Rn. 32; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2023 – OVG 4 N 90/22 – juris Rn. 3). Aus den Darlegungen des Klägers ergebe sich jedenfalls die letzte Voraussetzung nicht. Denn die auf Anfechtung der Entlassung als Probebeamter, Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit und Gewährung von Übergangsgeld gerichtete Klage sei durch Urteil der als Kollegialgericht besetzten Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin abgewiesen und der Antrag auf Zulassung der Berufung durch den als Kollegialgericht besetzten Senat durch Beschluss abgelehnt worden. Danach könne der geltend gemachte Anspruch auf Grundlage des beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruchs schon deshalb nicht gegeben sein, da dieser ein Verschulden des für die Entlassung bzw. Nichternennung verantwortlichen Sachbearbeiters voraussetze und dieses Verschulden wegen der kollegialgerichtlichen Entscheidungen ausgeschlossen sei. Es sei höchstgerichtlich geklärt, dass ein Verschulden der handelnden Amtswalter regelmäßig dann zu verneinen sei, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht nach nicht nur summarischer Prüfung, also regelmäßig in einem Hauptsacheverfahren, die Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig gebilligt habe. Dem liege die Erwägung zugrunde, dass von einem Beamten eine bessere Rechtseinsicht als von einem Kollegialgericht nicht erwartet werden könne (BVerwG, Beschluss vom 16.12.2021 – 2 B 73.20 – juris Rn. 15). 

Der zu diesen Gesichtspunkten angehörte Kläger führe lediglich aus, für die Frage der Entlassung als politischer Beamter sei es unerheblich gewesen, ob der Kläger zuvor Probebeamter oder Lebenszeitbeamter gewesen sei; in jedem Falle hätte er mit einer nur eingeschränkt überprüfbaren Ermessensentscheidung entlassen werden können. Es sei deswegen nicht entscheidungserheblich darum gegangen, ob der Kläger zuvor rechtmäßig oder nicht rechtmäßig in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit übernommen worden sei. 

Der Kläger verfehle mit seinen Ausführungen die Rechtslage. Der von ihm im jetzigen Verfahren behauptete Umwandlungsanspruch, an dem seine Schadensersatzforderung anknüpfe, wäre im damaligen Verfahren der Anfechtung der Entlassungsverfügung zu prüfen gewesen. Hätte der Kläger einen Anspruch auf Lebenszeiternennung bereits am 7. Dezember 2012 gehabt, hätte das seiner Entlassung aus dem Beamtenverhältnis zum 30. Juni 2013 entgegengestanden (vgl. dazu Brockhaus, in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht, Stand Sept. 2016, § 23 BeamtStG Rn. 154 m.w.N.; Bodanowitz, in: Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, 11. Aufl. 2024, § 6 Rn. 11). Ein Umwandlungsanspruch wäre als negative Tatbestandsvoraussetzung bei der damals erfolgten Überprüfung der Entlassung anhand von § 30 Abs. 2 BeamtStG zum Tragen gekommen. Diese Ermessensvorschrift („können jederzeit entlassen werden“) gehe bei politischen Beamten im Beamtenverhältnis auf Probe als lex specialis der allgemeinen Regel des § 23 Abs. 3 Satz 1 BeamtStG vor; bei einem Umwandlungsanspruch wäre das Ermessen in der Weise reduziert, dass von der Entlassung Abstand genommen werden müsste. Wenn damals weder das Verwaltungsgericht noch der rechtsanwaltlich vertretene Kläger dem angeblichen Umwandlungsanspruch hinreichend Aufmerksamkeit geschenkt haben, könne auch dem verantwortlichen Sachbearbeiter, der anstelle einer Umwandlung in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe verfügte, eine schuldhafte Pflichtverletzung nicht vorgehalten werden. 

Der Zulassungsgrund besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten liege ebenfalls nicht vor. Denn der Kläger habe aus den vorstehenden Gründen nicht durchgreifend dargelegt, dass die Rechtssache überdurchschnittliche Schwierigkeiten aufweise. Es bestehe kein begründeter Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung, die den Ausgang des Rechtsstreits als offen erscheinen ließen und die Durchführung eines Berufungsverfahrens erforderten. 

 


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OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 20.08.2024 - 4 L 10/24 -

Streitwert für ein vorläufiges Rechtsschutzverfahren gegen eine Anordnung zur Teilnahme an einer amtsärztlichen Untersuchung 

Leitsatz 

1. Der Streitwert für ein vorläufiges Rechtsschutzverfahren gegen eine Anordnung zur Teilnahme an einer amtsärztlichen Untersuchung ist – ungekürzt – auf 5.000 Euro festzusetzen (§ 52 Abs. 2 GKG). 

2. Wird eine solche datumsmäßig bestimmte Verpflichtung durch eine andere, auf einen anderen Untersuchungstag bezogene Verpflichtung ersetzt und diese in das gerichtliche Verfahren einbezogen, ist eine Erhöhung des (Gesamt)Streitwerts auf 10.000 Euro durch Zusammenrechnung gemäß § 39 Abs. 1 GKG nicht geboten. 

 

Das OVG entschied, die gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG zulässige Streitwertbeschwerde, welche von dem Gericht als eine auf Erhöhung zielende Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers in eigenem Namen (§ 32 Abs. 2 Satz 1 RVG) gedeutet wurde, sei unbegründet. Das Verwaltungsgericht habe den Streitwert zu Recht und im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Senats und anderer Gerichte zur Höhe des Streitwerts für ein vorläufiges Rechtsschutzverfahren gegen eine Untersuchungsanordnung gemäß § 52 Abs. 2 GKG – ungekürzt – auf 5.000 Euro festgesetzt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 01.11.2023 – OVG 4 S 48/23 -, 06.06.2023 – OVG 4 L 5/23 – m.w.N. und vom 11.06.2021 – OVG 4 S 6/21 – juris; OVG Lüneburg, Beschluss vom 05.02.2014 – 5 OA 292/13 – juris Rn. 4 m.w.N.). 

Soweit die Beschwerdeführer davon ausgingen, der (Gesamt)Streitwert sei wegen der in den Schreiben vom 15. und 16. April 2024 enthaltenen Aufforderung, einen Untersuchungstermin am 24. Mai 2024 wahrzunehmen, und der mit Schriftsatz vom 3. Juni 2024 erweiternd in das Verfahren einbezogenen Untersuchungsanordnung vom 29. Mai 2024, die sich auf einen Untersuchungstermin am 14. Juni 2024 beziehe, auf 10.000 Euro festzusetzen, sei dem nicht zu folgen. Denn die Zusammenrechnung der Werte mehrerer Streitgegenstände bemesse sich nach § 39 Abs. 1 GKG und folge dem eigenständigen kostenrechtlichen Begriff des Streitgegenstands, der an eine wirtschaftliche Betrachtungsweise anknüpfe, und nicht dem prozessualen Streitgegenstandsbegriff; kostenrechtlich liegen mehrere Streitgegenstände vor, wenn mehrere prozessuale Ansprüche nebeneinander bestehen können und nicht auf dasselbe Interesse gerichtet seien (Schindler, in: Dörndorfer/Wendtland/Gerlach/Diehn, BeckOK KostR, 46. Ed. 01.01.2024, § 39 GKG Rn. 16 unter Bezugnahme auf LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 08.02.2019 – 26 Ta (Kost) 6118/18 –, vgl. juris Rn. 5). Eine Zusammenrechnung nach § 39 Abs. 1 GKG setze hiernach voraus, dass die Ansprüche von selbstständigem Wert seien, mithin nicht wirtschaftlich denselben Gegenstand betreffen (OVG Münster, Beschluss vom 05.06.2014 – 6 E 1189/13 – juris Rn. 9). Auch wenn die vom Antragsteller einstweilen geltend gemachten Ansprüche im Ausgangspunkt mit Bezug auf beide Untersuchungstermine jeweils Erfolg gehabt haben könnten, habe der Antragsgegner doch stets nur die einmalige Teilnahme des Antragstellers an einer amtsärztlichen Untersuchung verfolgt. Insoweit sei die (erstmalige) Untersuchung am 24. Mai 2024 durch die (erstmalige) Untersuchung am 14. Juni 2024 ersetzt worden und nicht etwa dem Antragsteller aufgegeben worden, sich einer weiteren Untersuchung zu unterziehen. Bezugspunkt sei stets nur die Verpflichtung zur Teilnahme an einer (erstmaligen) amtsärztlichen Untersuchung (zu einer vergleichbaren Wertung, wenn mit Bezug auf dieselbe Stellenausschreibung und damit auf dasselbe Stellenbesetzungsverfahren ein weiterer Verfahrensantrag als Reaktion auf eine Neubescheidung angebracht werde, OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 03.04.2024 – OVG 4 L 7/23 – juris Rn. 3). Schließlich sei eine Streitwertverdoppelung auch nicht deshalb geboten, da einer formalen Betrachtung nach der Antragsgegner die Verpflichtungen getrennt gefasst, jeweils auf einen gesonderten Untersuchungstermin bezogen und damit scheinbar zwei eigenständige Pflichten begründet habe. Denn die Anordnung zur Teilnahme an einer amtsärztlichen Untersuchung sei kein Verwaltungsakt; vielmehr regele die Untersuchungsanordnung als gemischte dienstlich-persönliche Weisung einen einzelnen Schritt in dem gestuften Verfahren, das bei Feststellung der Dienstunfähigkeit mit der Zurruhesetzung ende (BVerwG, Urteil vom 26.04.2012 – 2 C 17.10 – juris Rn. 14 f.). Danach komme es in diesem gestuften Verfahren auf die Teilnahme an einer Untersuchung als solcher und nicht auf Terminierungsfragen an. Vor diesem Hintergrund fehle es bei einer Gegenüberstellung beider dem Antragsteller aufgegebenen Pflichten an einem selbständigen materiellen Gehalt der einen gegenüber der anderen, wie er für die Zusammenrechnung gemäß § 39 Abs. 1 GKG nach Nr. 1.1.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (in der Fassung der am 31.05./01.06.2012 und am 18.07.2013 beschlossenen Änderungen) Voraussetzung sei. 

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OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 13.08.2024 - 10 S 23/24 

Sicherheitsüberprüfung bei Einstellung in Vorbereitungsdienst für den gehobenen Auswärtigen Dienst / Fortbestand Einstellungsanspruch durch Gasthörerstatus nach Verstreichen des Einstellungstermins / Eingeschränkte Überprüfbarkeit Beurteilungsentscheidung durch Geheimschutzreferat / Unterbleiben der Anhörung 

Die Antragstellerin, die im Ausland geboren wurde, in die Bundesrepublik übersiedelte und die deutsche Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung erhielt, begehrte den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sie in den Vorbereitungsdienst für den gehobenen Auswärtigen Dienst einzustellen. Zunächst wurde ihr vorbehaltlich einer erfolgreichen Sicherheitsüberprüfung die Absicht mitgeteilt, sie in den Vorbereitungsdienst zu berufen und zur Widerrufsbeamtin zu ernennen. Das Geheimschutzreferat vermerkte, es werde keine Sicherheitsprüfung eingeleitet und teilte danach der Ausbildungsakademie mit, eine Einstellung könne nicht mitgezeichnet werden, da ein positiver Ausgang der Sicherheitsüberprüfung dauerhaft nicht absehbar sei, aufgrund der früheren Staatsangehörigkeit der Antragstellerin und da ihr leiblicher Vater noch dort lebe. Im Hinblick auf Ihre Einstellung erging ein Ablehnungsbescheid, welcher als Grund angab, dass die Antragstellerin auf unbestimmte Zeit nicht in einem Sicherheitsbereich eingesetzt werden dürfe und ihre Verwendung nur stark eingeschränkt möglich sei. Über den von der Antragstellerin erhobenen Widerspruch wurde noch nicht entschieden. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Nachfolgend verständigten die Beteiligten sich darauf, dass die Antragstellerin als Gasthörerin an dem Ausbildungslehrgang teilnehmen werde. 

 

Die Beschwerde der Antragstellerin vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) war teilweise erfolgreich. Die Antragsgegnerin wurde durch das OVG im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, über die Bewerbung der Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden und die Antragstellerin bis dahin als Gasthörerin am Lehrgang teilnehmen zu lassen. Das darüberhinausgehende Anordnungsbegehren der Antragstellerin, sie in den Vorbereitungsdienst zu berufen und zur Widerrufsbeamtin zu ernennen blieb ohne Erfolg. Das OVG entscheid, der VG Beschluss sei nicht schon deshalb richtig, weil der Einstellungstermin mittlerweile verstrichen sei. Zwar würde bei Stellen, die zu regelmäßig wiederkehrenden Zeitpunkten ausgeschrieben und besetzt würden, der materielle Einstellungsanspruch mit dem Verstreichen des Einstellungszeitpunktes und der Besetzung der Stellen durch andere Bewerber erlöschen, weil der Antragsteller auch im Fall des Obsiegens im gerichtlichen Verfahren nicht rückwirkend zum Beamten ernannt werden könne (BVerwG, Urteil vom 25.02.2010 – BVerwG 2 C 22.09 – juris Rn. 19) und seine Teilnahme an der Laufbahnausbildung durch fortschreitenden Zeitablauf unmöglich werde (BVerwG, Beschluss vom 11.04.2017 – BVerwG 2 VR 2/17 –, juris Rn. 10). Vorliegend liege der Fall aber anders. weil die Antragsgegnerin den ursprünglich für die Antragstellerin vorgesehenen Platz im Vorbereitungsdienst nicht anderweitig vergeben und ihr mit der Zulassung als Gasthörerin zudem die Möglichkeit eröffnet habe, das Laufbahnausbildungsziel auch dann noch zu erreichen, wenn ihre Berufung in den Vorbereitungsdienst erst im Nachgang des Einstellungstermins erfolge. 

Das Geheimschutzreferat habe auf der Grundlage einer von der Antragstellerin abgegebenen Sicherheitserklärung i.S.d. § 13 Abs. 1 SÜG eine Eigenprüfung i.S.d. § 13 Abs. 6 Satz 4 Hs. 2 SÜG – danach stelle die zuständige Stelle bereits bei der Prüfung der Sicherheitserklärung fest, dass ein Sicherheitsrisiko vorliege - vorgenommen, bevor es gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 SÜG in eigener Zuständigkeit über das Vorliegen eines Sicherheitsrisikos entschieden habe. Auch ein solcher Verfahrensablauf stelle eine (förmliche) Sicherheitsüberprüfung durch die zuständige Stelle i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 SÜG dar. Ob auch eine weitergehende Fremdprüfung gemäß § 13 Abs. 6 Satz 4 Hs. 1 SÜG durch das G... als mitwirkende Behörde i.S.d. § 3 Abs. 2 SÜG erfolgt sei, sei hierfür ohne Belang. Denn ausweislich der amtlichen Überschrift des § 14 SÜG stelle die von der zuständigen Stelle i.S.d. § 3 SÜG vorzunehmenden Verfahrensschritte – dies seien neben der Entscheidung über das Vorliegen eines Sicherheitsrisikos gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 SÜG auch die vorausgehende Anhörung des Betroffenen gemäß §§ 14 Abs. 3 Satz 4, 6 Abs. 1 SÜG und die nachfolgende Unterrichtung desselben über das Entscheidungsergebnis gemäß § 14 Abs. 4 SÜG – solche dar, mit denen eine „Sicherheitsüberprüfung“ abgeschlossen werde, die also folglich Bestandteil derselben seien. 

Das OVG vertrat wie schon zuvor das VG, dass der zuständigen Stelle bei der Entscheidung, ob in der Person einer Bewerberin ein Sicherheitsrisiko im Sinne des § 5 Abs. 1 SÜG festzustellen sei, ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zustehe, dessen gerichtliche Kontrolle sich darauf beschränke, ob diese von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sei, den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen könne, verkannt, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen habe (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.02.2024 – BVerwG 1 WB 17/23 -, juris Rn. 23). 

Nach dieser Maßgabe wäre es auch nicht zu beanstanden, hätte die Antragsgegnerin ein Sicherheitsrisiko i.S.d. § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a SÜG in Gestalt einer Besorgnis einer Erpressbarkeit der Antragstellerin bei möglichen Anbahnungs- oder Werbungsversuchen ausländischer Nachrichtendienste allein aus der Tatsache abgeleitet, dass der Vater der Antragstellerin ein ... Staatsbürger ist, der in ... lebe und arbeitete. 

Aber die Tatsache, dass G... zum Kreis der Staaten mit besonderen Sicherheitsrisiken gehöre, enthebe das Geheimschutzreferat nicht der Notwendigkeit, die Feststellung eines Sicherheitsrisikos auf der Grundlage tatsächlicher Anhaltspunkte zu treffen (zu einem vergleichbaren Fall: BVerwG, Beschluss vom 09.12.1999 – BVerwG 1 WB 60/99 – juris Rn. 6). 

Solche tatsächlichen Anhaltspunkte ließen sich indes einer anderen zugänglichen Quelle, dem veröffentlichten Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in G... – Lagebericht – entnehmen. Diesem zufolge unterstehen die g... Sicherheitsbehörden dem Präsidenten und werden gezielt zur Einschüchterung und Verfolgung politischer Gegner und zur Einflussnahme auf wirtschaftliche Konkurrenten eingesetzt; ebenso nehme die Justiz eine zentrale Rolle dabei ein, das Rechtssystem zur staatlich geleiteten Repression, Einschüchterung und Bestrafung von Dissidenten und der Zivilgesellschaft zu nutzen. Unliebsame Funktionsträger oder private Konkurrenten staatlicher Betriebe werden mit Strafprozessen überzogen, als Gründe werden fiskalpolitische Straftaten angegeben, die Untersuchungshaft ohne Anklage über die gesetzliche Maximaldauer von 18 Monaten hinaus und unverhältnismäßig hohe Strafen zur Folge haben können. Politische Delikte werden seit 2020 besonders scharf und größtenteils ohne rechtsstaatliche Verfahrensgrundlagen und Normen geahndet; Angehörige von regierungskritischen Personen werden, auch wenn diese das Land bereits verlassen haben, nicht selten zum Ziel von Repressionen, u.a. durch vorläufige Festnahmen, Verhöre, Durchsuchungen oder kurzfristige Haftstrafen. Die gezielte Bloßstellung durch Aufnahme von "Bußvideos" und deren Verbreitung über öffentliche Pro-Regierungs-Telegramm-Kanäle gehöre zur festen Praxis der Strafverfolgungsbehörden. 

Angesichts dessen sei die vorgenommene Bewertung, dass die i... Sicherheitsbehörden auch nicht davor zurückschrecken würden, das Wohlergehen des Vaters der Antragstellerin zu instrumentalisieren, wenn ihnen dies zur Durchsetzung der eigenen oder ... Interessen dienlich erscheine, nicht zu beanstanden. Ebenfalls ohne Beurteilungsfehler erweise sich auch die Erwägung, dass die Existenz naher Angehöriger in einem solchermaßen agierenden Staat eine erhöhte Gefährdung für Anbahnungs- und Werbungsversuche im Wege der Erpressung begründe, weil die Androhung von Repressalien gegen diese als Druckmittel genutzt werden könne. 

Die auf tatsächliche Anhaltspunkte gestützte, aber abstrakte Gefahr einer Erpressbarkeit der Antragstellerin genüge, um von einem Sicherheitsrisiko i.S.d. § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 a SÜG auszugehen, denn der vorbeugende Charakter der Sicherheitsüberprüfung mache eine gewisse Schematisierung erforderlich, ohne die diese ihren Zweck einer effektiven Gefahrenabwehr verfehlen würde und der Maßgabe des § 14 Abs. 3 Satz 3 SÜG, dass das Sicherheitsinteresse im Zweifel Vorrang habe, nicht entsprochen werden könne. Weitergehende Prognoseerwägungen zur individuellen Wahrscheinlichkeit und Erheblichkeit der dem Vater drohenden Nachteile und zur individuellen Widerstandsfähigkeit der Antragstellerin seien daher weder geboten, noch dürften diese überhaupt zuverlässig zu treffen sein. Die damit einhergehende Einschränkung des von Art. 33 Abs. 2 GG geschützten Bewerbungsverfahrensanspruches der Antragstellerin rechtfertige sich aus dem hohen Gewicht der staatlichen Sicherheitsinteressen und der Erheblichkeit eines Schadens, der im Fall des Geheimnisverrats nicht nur für die f... Interessen der Bundesrepublik, sondern auch für Leib und Leben solcher Personen entstehen könne, die p... Schutz beanspruchen können oder für deren Wohlergehen sich das F... einsetze. 

Ein der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG widersprechendes behördliches Letztentscheidungsrecht des Geheimschutzreferats i... sei damit nicht verbunden, da dessen Risikobewertung in dem beschriebenen Umfang der gerichtliche Überprüfung unterliegt. Damit verbunden sei eine allein von § 99 Abs. 2 VwGO begrenzte Verpflichtung zur Offenlegung derjenigen tatsächlichen Anhaltspunkte, aus denen das Geheimschutzreferat im konkreten Fall ein Sicherheitsrisiko ableite (BVerwG, Beschluss vom 12.01.2023 – BVerwG 2 A 2.22 –, juris Rn. 12). Knüpfe diese Risikobewertung an Erkenntnisse an, die sich weder aus der Sicherheitserklärung selbst ergeben noch öffentlich zugänglich seien – wie der als VS-NfD eingestufte Lagebericht –, seien auch diese im Streitfall vorzulegen. 

Das Verwaltungsgericht habe aber verkannt, dass das Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung des Geheimschutzreferats des F... sich im Hinblick darauf Beurteilungsfehler aufweise, dass die Antragstellerin nur bis zu ihrem 6. Lebensjahr in G... gelebt habe und sich dort seit nunmehr 15 Jahren nicht mehr aufgehalten habe. 

Ein erstinstanzlicher Schriftsatz der Antragsgegnerin bestätige, dass eine ehemalige Staatsangehörigkeit oder eine familiäre Verbindung jeweils für sich genommen nicht genüge, eine Kombination beider Merkmale jedoch ausreiche, um ein Sicherheitsrisiko im Sinne des § 5 SÜG festzustellen. Die Beurteilung einer sicherheitsrelevanten Erpressungsgefahr beruhe mithin kumulativ auf der Annahme einer sowohl sittlich-familiären als auch nachwirkenden nationalen Verbundenheit der Antragstellerin zu ihrem Herkunftsstaat. 

In dieser Pauschalität erweise sich die Bewertung indes als fehlerhaft, weil sie allgemeingültige Wertmaßstäbe missachte bzw. auf unzureichenden Sachverhaltsfeststellungen beruhe. Es gebe keinen allgemeinen Erfahrungssatz, wonach eine Person, die ihre ersten sechs Lebensjahre in einem bestimmten Land verbracht hat bzw. in den ersten zwölf Lebensjahren dessen Staatsbürger war, dauerhaft eine nationale Verbundenheit mit diesem Land habe. Vielmehr lasse sich die Frage, ob eine solche nationale Verbundenheit überdauert habe, nur im Rahmen einer Einzelfallprüfung beantworten, deren Ergebnis maßgeblich davon abhänge, ob und in welcher Intensität eine solche Verbundenheit innerhalb der in Deutschland lebenden Kernfamilie, insbesondere von der ehemals g... und ebenfalls eingebürgerten Mutter sowie ggf. von weiteren Verwandten in ... gefördert worden sei. Diesbezügliche Feststellungen habe die Antragsgegnerin zu keinem Zeitpunkt getroffen, weshalb die auf die ehemalige Staatsangehörigkeit abstellende Sicherheitsprüfung beurteilungsfehlerhaft sei. 

Zudem sei die Feststellung des Sicherheitsrisikos durch das Geheimschutzreferat in formeller Hinsicht rechtswidrig, weil die erforderliche Anhörung der Antragstellerin weder im Vorfeld erfolgte noch gemäß § 45 VwVfG mit heilender Wirkung nachgeholt worden sei oder gemäß § 46 VwVfG unbeachtlich für das Entscheidungsergebnis sei. 

Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 SÜG sei dem Betroffenen vor der Ablehnung der Zulassung zu einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit Gelegenheit zu geben, sich persönlich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern, und könne dieser zur Anhörung einen Rechtsanwalt beiziehen. Diese Anhörung diene nicht nur dem Schutz des Betroffenen, sondern gebe auch der Behörde die Möglichkeit, die eigene Position kritisch zu überprüfen und unrichtige Annahmen und Fehleinschätzungen zu korrigieren. Da es oftmals auch auf den persönlichen Eindruck ankomme, sei dem Betroffenen in erster Linie eine persönliche Anhörung anzubieten, die lediglich in zweiter Linie mit dem Hinweis verbunden werden könne, dass es ihm freistehe, sich auch in schriftlicher Form zu ihm vorgehaltenen Umständen zu äußern (BVerwG, Beschluss vom 26.11.2013 – 1 WB 57/12 –, juris Rn. 57, 62). 

Eine unterbliebene Anhörung könne auch in entsprechender Anwendung des § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG nachgeholt werden (BVerwG, Beschluss vom 27.09.2007 – 1 WDS-VR 7/07 –, juris Ls. 1). Eine Verletzung des Rechts zur persönlichen Äußerung führe zudem nur dann zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten, wenn sich die Vorenthaltung dieser Möglichkeit entscheidungserheblich auf die Feststellung eines Sicherheitsrisikos ausgewirkt habe (BVerwG, Beschluss vom 26.11.2013 – 1 WB 57/12 –, juris Rn. 63) bzw. dies nicht ausgeschlossen werden könne (BVerwG, Beschluss vom 27.09.2007 – 1 WDS-VR 7/07 –, juris 23). 

Es genüge nicht, dass die Antragstellerin im Rahmen des Widerspruchs- und Eilverfahrens Gelegenheit hatte, sich schriftlich zu äußern, weil der damit verbundene Gehörseffekt hinter dem gesetzlich gewollten Umfang zurückbleibe. Zudem liege es nahe, dass die Vorenthaltung der Möglichkeit einer persönlichen Anhörung entscheidungserheblich war, weil dem Geheimschutzreferat in deren Rahmen hätte auffallen müssen, dass der Umstand der ehemaligen Staatsangehörigkeit der Antragstellerin angesichts ihrer frühzeitigen Ausreise isoliert betrachtet ohne weitere Feststellungen keine Relevanz für die Risikobewertung habe. 

Die Antragsgegnerin sei im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht verpflichtet die Antragstellerin in den Vorbereitungsdienst zu berufen und zur Widerrufsbeamtin zu ernennen. 

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO treffe das Gericht eine vorläufige Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile und bestimme dabei gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 938 Abs. 1 ZPO nach seinem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung dieses Zweckes erforderlich seien. Eine Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung im Rahmen der einstweilige Anordnung komme hingegen nur ausnahmsweise aus Gründen des Gebots effektiven Rechtsschutzes in Betracht. 

Billigem Ermessen entspriche es hier, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, unter Nachholung einer ordnungsgemäßen Sicherheitsüberprüfung unverzüglich erneut über die Bewerbung der Antragstellerin zur Einstellung in den Vorbereitungsdienst für die Laufbahn des gehobenen ... zum Einstellungstermin zu entscheiden und diese bis dahin weiter als Gasthörerin an dem begonnenen P...Lehrgang teilnehmen zu lassen. Letzteres sei erforderlich, um zu verhindern, dass der bislang nicht ordnungsgemäß erfüllte Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin bereits durch das Verstreichen des Einstellungstermins erlösche. Ersteres sei notwendige Voraussetzung dafür, dass die Antragstellerin ggf. den Praxisintegrierenden Studienabschnitt I in einem Referat i... absolvieren könne und dass sie Anwärterbezüge erhalte, mit denen sie ihren Lebensunterhalt sichern könne. 

Angesichts des Vorrangs der Geheimschutzinteressen erscheine es dem Senat indes nicht angezeigt, dem darüber hinausgehenden Anordnungsbegehren zu entsprechen, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Antragstellerin noch vor einer erneuten Sicherheitsprüfung in den Vorbereitungsdienst zu berufen und sie zur Widerrufsbeamtin zu ernennen. Soweit die Antragstellerin infolgedessen ihren Lebensunterhalt aktuell nicht zu sichern vermöge, sei sie ggf. auf die Möglichkeit der Beantragung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB II zu verweisen. 

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VGH München, Beschl. v. 06.08.2024 – 3 CS 24.1019 - 

Entlassung aus Beamtenverhältnis auf Widerruf wegen schwerwiegender Leistungsmängel und Zweifel an der persönlichen Eignung 

Der Antragsteller wandte sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit seiner Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf wegen persönlicher, insbesondere fachlicher Nichteignung. Das Verwaltungsgericht hatte mit Beschluss den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des gegen den Bescheid erhobenen Widerspruchs, über den nach Aktenlage noch nicht entschieden war, abgelehnt.

Die Beschwerde wurde vom VGH zurückgewiesen. Voraussichtlich zu Recht habe der Antragsgegner die streitgegenständliche Entlassung auf § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG gestützt und dem Antragsteller abweichend von der Regel des § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG keine Gelegenheit zur Beendigung des Vorbereitungsdienstes eingeräumt. Danach könne der Widerrufsbeamte entlassen werden, wenn die Entlassungsbehörde berechtigte Zweifel habe, ob der Beamte die persönliche oder fachliche Eignung (i.S.v. § 9 BeamtStG) für ein Amt in der angestrebten Laufbahn besitze (BVerwG, U.v. 9.6.1981 – 2 C 48.78 – juris Rn. 20, 21). Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle sei darauf beschränkt, ob der Dienstherr seine Annahme, es lägen Eignungszweifel vor, auf einen zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt gestützt, er den Rechtsbegriff der Eignung nicht verkannt und bei der von ihm zu treffenden Prognoseentscheidung allgemeingültige Wertmaßstäbe beachtet und auch sonst keine sachwidrigen Erwägungen angestellt habe (OVG NW, B.v. 27.9.2017 – 6 B 977/17 – juris Rn. 4 f.). Maßgebend für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Entlassungsverfügung sei die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, vorliegend also der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, da über den Widerspruch noch nicht entschieden sei (BayVGH, B.v. 15.1.2014 – 3 ZB 13.1074 – BeckRS 2014, 46385 Rn. 13). Vor dem Hintergrund dieser Maßstäbe sei die Rechtmäßigkeit der Entlassungsverfügung unter Zugrundelegung des Beschwerdevorbringens nicht in Frage gestellt.

Der Antragsteller setze ich nicht konkret mit der auf der Grundlage seiner unzureichenden fachlichen Leistungen getroffenen prognostischen Annahme auseinander und stelle diese nicht substantiiert in Frage.

Der Antragsgegner weise zu Recht auf die ernstlichen und auf einer hinreichend sachlichen Erkenntnisgrundlage gestützten Zweifel hin, dass der Antragsteller die Befähigung für die angestrebte Beamtenlaufbahn werde erreichen können. Schon in den ersten Kurzklausuren des fachtheoretischen Ausbildungsabschnitts, die noch vor der Anhörung zur beabsichtigten Entlassung geschrieben wurden, zeigte er wegen lückenhafter Grundkenntnisse mangelhafte Leistungen, die in den Prüfungsfächern nach mit durchschnittlich 3,50 von 15 Punkten bewertet wurden, wobei eine Prüfung ab 5 Punkten als bestanden gelte.

Zudem habe sich die bereits deutlich erkennbare negative Leistungstendenz in den Abschlussklausuren bestätigt, in denen er eine ungenügende (durchschnittliche) Punktzahl von 0,60 erzielte und damit „annähernd auf dem Nulllevel“ angekommen war. Beim Antragsteller lägen nicht nur partielle Mängel oder ein bloßes Bestehensrisiko vor, sondern er zeige in allen Pflichtprüfungsfächern nach eine den Anforderungen nicht entsprechende Leistung, bei der selbst die Grundkenntnisse so lückenhaft seien, dass die Mängel in absehbarer Zeit nicht behoben werden könnten. 

Bei lebensnaher Betrachtung könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller sich im weiteren Verlauf der Ausbildung so sehr steigern könne, dass er – was nötig wäre – nicht nur auf eine Notenpunktzahl von 5 Punkten käme, sondern auch die weiterhin 

relevanten ungenügenden Ergebnisse aus den Klausuren ausgleichen könne.

Auch lege die Stellungnahmen der fachpraktischen Ausbilder nahe, dass der Antragsteller tatsächlich gravierende (Grund-)Wissenslücken habe, die auf die praktische Arbeit durchschlagen. So werde dem Antragsteller ungenügende Fachkenntnisse und ein geringes Fachwissen und fehlende Grundlagen bescheinigt. Das spreche explizit dagegen, dass der Antragsteller über das nötige Grundwissen verfüge. Zu den fachtheoretischen Mängeln gesellten sich Eignungszweifel in Bezug auf die Berufspraxis. In der Stellungnahme der Ausbilder wurden die praktischen Arbeitsergebnisse des Antragstellers als qualitativ „fast ausschließlich unbrauchbar“ bezeichnet und seine Eignung ausdrücklich bezweifelt. Der Antragsteller sei nicht im Stande, eigenständig zu arbeiten und brauchbare Ergebnisse zu erzielen; bereits bei einfachsten Dingen fehlten die Grundlagen.

Vor diesem Hintergrund ging der VGH davon aus, dass das über den Zeitraum der Ausbildung zu betrachtende Leistungsbild keine Prognose dahingehend erlaubt, dass die feststehenden Mängel in absehbarer Zeit behoben werden könnten und der Antragsteller die Laufbahnbefähigung erwerben werde.

Dem VGH nach komme es auf die Ursache der bestehenden Leistungsmängel des Widerrufsbeamten grundsätzlich nicht an (BayVGH, B.v. 30.3.2022 – 3 CS 22.281 – juris Rn. 10; B.v. 3.3.1994 – 3 CS 93.3817 – juris Rn. 24). In qualitativer Hinsicht seien auch bei der Beurteilung von schwerbehinderten Beamten die für alle Beamten geltenden Beurteilungsmaßstäbe anzulegen (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 25.2.1988 – 2 C 72.85 – BVerwGE 79, 86 = juris Rn. 17 m.w.N.).

Wenn der Antragsteller vorträgt, er habe gleichwohl panische Angst gehabt, seine Ausbildung nicht fortsetzen zu können, und sei durch die Maßnahmen psychisch derart belastet gewesen, dass er sich nicht mehr auf die Schule und Ausbildung habe konzentrieren können, worauf seine ungenügenden Leistungen zurückzuführen seien, kann offen bleiben, ob insbesondere die erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist vorgelegten Atteste im Rahmen der Beschwerdeentscheidung Berücksichtigung finden können (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 1 und Satz 6 VwGO). Denn soweit der Vortrag zutreffen sollte, begründete dies berechtigte Zweifel, dass der Antragsteller den Anforderungen der Ausbildung und des Amts des Steuersekretärs persönlich bzw. gesundheitlich derzeit bereits hinreichend gewachsen sei. Von einem Widerrufsbeamten müsse – auch unter Berücksichtigung einer autistischen Veranlagung – erwartet werden können, Aussagen und Erläuterungen von Vorgesetzten verstehen, sachgerecht einordnen und sich vertrauensvoll hierauf einlassen zu können, da anderenfalls eine erfolgreiche Ausbildung und Zusammenarbeit nicht möglich sei (vgl. auch BayVGH, B.v. 10.9.2018 – 6 ZB 18.653 – juris Rn. 15).

Zum anderen habe der Antragsgegner in der Anhörung als Grund für charakterliche Eignungszweifel zwar auch die Vorfälle angeführt, die zur Erteilung des Hausverbots geführt hätten; die Anhörung zur beabsichtigten Entlassung erfolgte jedoch erst, nachdem der Antragsteller ohne die hierfür erforderliche Genehmigung eine offensichtlich nicht genehmigungsfähige, da dem Ausbildungserfolg zuwiderlaufende, Nebentätigkeit im Umfang einer Vollzeittätigkeit von 40 Wochenstunden angetreten hätte, einen weiteren Antrag auf Genehmigung einer Nebentätigkeit gestellt hätte und einer angeordneten Attestpflicht nicht nachgekommen war . Die Entlassung verstoße daher trotz der sich in der Tat aus dem Gesprächsprotokoll ergebenden Versicherung, dass kein Grund zur Sorge bestehe, dass der Antragsteller wegen der als anstößig wahrgenommenen Verhaltensweisen aus dem Beamtenverhältnis entlassen werde, entgegen dessen Auffassung auch nicht gegen Treu und Glauben, da die zur Erteilung des Hausverbots führenden Vorfälle nicht den alleinigen Anlass und Grund der Anhörung sowie der Entlassung darstellten.

Zurecht habe das Verwaltungsgericht Zweifel an der persönlichen Eignung des Antragstellers angenommen, weil der Antragsteller die Aufnahme einer offensichtlich nicht genehmigungsfähigen Nebentätigkeit angezeigt und diese ohne die erforderliche Genehmigung aufgenommen hat.

Es habe kein wirtschaftlicher Druck bestanden, eine Vollzeittätigkeit aufzunehmen. Auch unter Berücksichtigung der Erkrankung und autistischen Veranlagung des Antragstellers müsse von ihm erwartet werden können, dass er in der Lage sei, Entscheidungen, denen vernünftige eigenständige Erwägungen zugrunde liegen, frei und ohne Hilfe von außen zu treffen und danach zu handeln.

Der unstreitige Umstand, dass der Antragsteller einer gesondert angeordneten Attestpflicht nicht bzw. zu spät nachgekommen sei, begründe ebenfalls Zweifel an seiner charakterlichen Eignung, weil damit eine Nachlässigkeit im Umgang mit dienstlichen Erfordernissen im Raum stehe.

Das mehrmalige Einschlafen während des Dienstes im Finanzamt begründe schließlich ebenfalls Zweifel an der Dienstauffassung. Soweit der Antragsteller hervorhebe, dass das Einnicken im Finanzamt nicht in seiner Verantwortung liege, sondern darin begründet sei, dass ihm kein Ausbildungsplatz an seinem Wohnortfinanzamt zugewiesen worden sei und er den Zug um 4.30 Uhr habe nehmen müssen, da er nicht die finanziellen Möglichkeiten gehabt habe, sich eine Unterkunft in H. zu nehmen, sei dies schlichtweg absurd. Das mehrmalige Einschlafen – in einem Fall, ausweislich der in der Behördenakte befindlichen Stellungnahme der Ausbilder am selbst während einer Besprechung – liege unzweifelhaft in der alleinigen Verantwortung des Antragstellers und begründeten erhebliche Zweifel an der Dienstauffassung des Antragstellers; der Versuch der Relativierung in der Beschwerdebegründung ändere daran nichts.

Zurecht weise die Beschwerde darauf hin, dass der Antragsgegner die Schwerbehinderung des Antragstellers, die im Zeitpunkt des Bescheiderlasses noch nicht festgestellt war, sowie den Vortrag des Antragstellers im Beschwerdeverfahren einschließlich der vorgelegten Atteste im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung zu berücksichtigen haben werde. Zwar seien die Anforderungen an die Ausübung des Entlassungsermessens wegen der Schwerbehinderung des Antragstellers hoch, doch seien die in allen Bereichen festzustellenden Eignungszweifel ebenfalls schwerwiegend. Dem Senat erscheine daher unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens, eine Entlassung des Antragstellers zumindest ermessensfehlerfrei möglich. Auch eine über die Erfolgsaussichten der Hauptsache als Hauptindiz hinausgehende Interessenabwägung (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 89) führe nicht zu einem anderen Ergebnis. Insbesondere drohe dem Antragsteller kein irreversibler Schaden durch den Sofortvollzug der Entlassung, da die noch fehlenden Ausbildungsabschnitte und die Abschlussprüfung turnusgemäß jährlich vom Antragsgegner durchgeführt würden. Ein Wiedereinstieg und Abschluss der Ausbildung bei endgültigem Obsiegen in der Hauptsache sei möglich. Das Vollzugsinteresse des Antragsgegners überwiege daher derzeit das Aussetzungsinteresse des Antragstellers.


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BVerfG, Urt. v. 07.08.2024 – 2 BvR 418/24 – 

Teilweise erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen die Besetzung der OVG-Präsidentenstelle in Nordrhein-Westfalen 

Der Beschwerdeführer, ein Bundesrichter, hatte sich erfolglos für die OVG-Präsidentenstelle in Nordrhein-Westfalen beworben. Das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vor dem OVG gegen die Besetzung der Stelle mit der ausgewählten Mitbewerberin war erfolglos. Währenddessen berief sich der Beschwerdeführer insbesondere darauf, dass die Auswahlentscheidung des nordrhein-westfälischen Ministers der Justiz ihn in seinem Recht auf gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern (Art. 33 Abs. 2 GG) verletze. Die Entscheidung für die Mitbewerberin sei nicht nach der Bestenauswahl getroffen worden, sondern im Wege einer politischen Vorfestlegung zugunsten der Mitbewerberin aufgrund deren Geschlechts. In einem persönlichen Gespräch mit dem Minister habe dieser dem Beschwerdeführer nahegelegt, seine Bewerbung zurück zu ziehen und von einem Vorsprung der Mitbewerberin gesprochen, und zwar noch bevor eine dienstliche Beurteilung der Mitbewerberin vorgelegen habe. Das Oberverwaltungsgericht habe diese Tatumstände nicht aufgeklärt, trotz seiner eidesstattlichen Versicherung dieser Vorgänge. 

 

Dem BVerfG zufolge verletze die angegriffene Entscheidung des OVG den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 33 Abs. 2 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG. Damit hatte die Verfassungsbeschwerde zumindest teilweise Erfolg. Die Entscheidung des OVG wurde aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. 

Das grundrechtsgleiche Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG gewährt jedem Deutschen den gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. 

Zur Vermeidung einer nicht sachgemäßen Vorfestlegung müsse das Auswahlverfahren derart organisiert sein, dass es sich dafür eigne, den fachlich besten Bewerber zu ermitteln. Die Gerichte müssten im Verfahren zur Überprüfung einer Auswahlentscheidung zur Gewährung effektiven Rechtschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG vorgetragene Umstände aufklären und rechtlich nachvollziehbar würdigen, sofern diese Umstände auf eine Vorfestlegung aufgrund sachwidriger Erwägungen hindeuteten. 

Die angegriffene OVG-Entscheidung lasse dies vermissen. Obwohl der Beschwerdeführer im Hinblick auf Umstände, die auf eine sachwidrige Vorfestlegung hindeuteten ein strafbewehrte eidesstattliche Erklärung abgegeben habe, die sich auch auf eine noch vor dem Vorliegen einer dienstlichen Beurteilung der Mitbewerberin getätigte Äußerung des Ministers über einen angeblichen Vorsprung der Mitbewerberin, erstreckte, habe das OVG angenommen, es seien keine ergiebigen Anhaltspunkt gegeben für die Annahme einer Voreingenommenheit des Ministers der Justiz, weshalb eine weitere Sachverhaltsaufklärung unterbleiben könne. Die hierfür vom OVG angeführte Begründung sei verfassungsrechtlich nicht tragfähig. Das OVG habe lediglich darauf verwiesen, die behauptete Äußerung des Ministers könne ohne Weiteres auf einer zulässigen bloßen Voreinschätzung beruhen. Im Übrigen habe das OVG vermieden, sich eine eigene Überzeugung von dem tatsächlich zugrundeliegenden Sachverhalt zu bilden und diesen erforderlichenfalls zunächst weiter aufzuklären. Dadurch habe es den Beschwerdeführer in seinem Recht auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 33 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG verletzt. 

Daher erfolgte eine Zurückverweisung der Sache an das OVG. Es sei durch das OVG zu klären, ob tatsächlich eine unzulässige Vorfestlegung des Ministers gegeben war. Denn die Aufklärung des Sachverhalts und die Beweiswürdigung sei Aufgabe der Fachgerichte, nicht des Bundesverfassungsgerichts. 

Hingegen wurde die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, soweit sie sich gegen weitere Mängel des Auswahlverfahrens und die Begründung der Auswahl zwischen den Bewerbern richte. Der Beschwerdeführer habe einen Verfassungsverstoß insoweit nicht hinreichend substantiiert dargelegt. 

Link zur Entscheidung: BVerfG, Urt. v. 07.08.2024 – 2 BvR 418/24 – 

  


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BVerwG, Urt. v. 07.08.2024 – 2 B 10.24 –

Beamtendisziplinarrecht

Der Beklagte war als Hauptbrandmeister im Dienst der Klägerin und als Ehrenbeamter Gemeindebrandinspektor der Freiwilligen Feuerwehr B.

Das Amtsgericht verurteilte den Beklagten wegen Untreue in 57 Fällen und Betrugs in 64 Fällen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten auf Bewährung. Die Berufung verwarf das Landgericht. 

Dem lag zugrunde, dass der Kläger als Gemeindebrandinspektor die den Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr eingeräumte Möglichkeit zur Betankung von Einsatz- und sonstigen Feuerwehrfahrzeugen auf Kosten der Gemeinde B. für private Zwecke nutzte. Darüber hinaus hob er vom Konto der Einsatzabteilung der Freiwilligen Feuerwehr, über das er Verfügungsgewalt besaß, Barbeträge in unterschiedlicher Höhe zur Bestreitung des Lebensunterhalts seiner Familie ab. Zudem nutzte er das Konto wiederholt, um private Forderungen Dritter zu erfüllen. 

Im Disziplinarklageverfahren hat das Verwaltungsgericht den Beklagten auf der Grundlage des strafgerichtlich abgeurteilten Verhaltens aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Die Berufung wurde zurückgewiesen.

Auch die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision vor dem BVerwG hatte keinen Erfolg.

Das BVerwG führte aus, die nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderliche Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setze voraus, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Frage des revisiblen Rechts bezeichnet und aufzeigt, dass diese Frage sowohl im konkreten Fall entscheidungserheblich als auch allgemein klärungsbedürftig sei (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 06.01.2012 - 2 B 113.11 - juris Rn. 6, vom 06.10.2016 - 2 B 80.15 - juris Rn. 6 und vom 10.01.2024 - 2 B 16.23 - juris Rn. 8).

Die Beschwerde formuliere keine von ihr als grundsätzlich klärungsbedürftig angesehenen Rechtsfragen und erhebe im Wesentlichen einzelfallbezogene Einwendungen gegen die Erwägungen des Berufungsgerichts.

Soweit die Beschwerde bei rechtsschutzfreundlicher Auslegung die Frage enthalte,

ob eine unangemessen lange Dauer des Disziplinarverfahrens einen bemessungsrelevanten Umstand darstellt, der das Disziplinargericht berechtigt, von der gebotenen Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis abzusehen, wenn diese darauf zurückzuführen ist, dass die Disziplinarklageschrift aufgrund formeller Fehler erneut eingereicht werden muss,

zeige sie neuen Klärungsbedarf nicht auf.

Es sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsrechts geklärt, dass die unangemessen lange Dauer des Disziplinarverfahrens nur berücksichtigungsfähig sei, wenn der Betroffene im Beamtenverhältnis verbleiben kann. In diesem Fall köenn das disziplinarrechtliche Sanktionsbedürfnis gemindert sein, weil die mit dem Disziplinarverfahren verbundenen beruflichen und wirtschaftlichen Nachteile positiv auf den Beamten eingewirkt haben. Unter dieser Voraussetzung könne eine unangemessen lange Verfahrensdauer bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme aus Gründen der Verhältnismäßigkeit mildernd berücksichtigt werden. Lasse das Dienstvergehen einen weiteren Verbleib im Beamtenverhältnis dagegen nicht zu, vermag eine überlange Verfahrensdauer an diesem Befund nichts zu ändern. Das von den Beamten durch sein Dienstvergehen zerstörte Vertrauen könne nicht durch Zeitablauf und damit auch nicht durch eine verzögerte disziplinarrechtliche Sanktionierung wiederhergestellt werden (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 28.02.2013 - 2 C 3.12 - BVerwGE 146, 98 Rn. 44 ff. und vom 17.11.2017 - 2 C 25.17 - BVerwGE 160, 370 Rn. 92 f.; Beschlüsse vom 12.06.2018 - 2 B 1.18 - Buchholz 235.1 § 38 BDG Nr. 1 Rn. 10, vom 16.08.2021 - 2 B 21.21 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 53 Rn. 21 und vom 23.06.2022 - 2 B 38.21 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 56 Rn. 7 ff.). 

Der Aspekt der erneuten Einreichung einer Disziplinarklageschrift aufgrund formeller Mängel, die im vorliegenden Fall nur zu einer Verzögerung von ca. einem Monat geführt hat, ist von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Unbeachtlichkeit einer überlangen Verfahrensdauer bei der disziplinaren Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erfasst. 

Sei die disziplinare Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis geboten, komme es auf die konkreten Umstände – hier: erneute Einreichung einer Disziplinarklageschrift aufgrund formeller Mängel -, die für die (unangemessen) lange Dauer des Disziplinarverfahrens ursächlich waren, nicht an.

Soweit die Beschwerde das Vorliegen durchgreifender Milderungsgründe geltend mache, wende sie sich in der Art eines zugelassenen oder zulassungsfreien Rechtsmittels gegen die rechtliche Würdigung durch das Berufungsgericht und setze dieser ihre eigene Auffassung entgegen, ohne hiermit eine grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfrage aufzuwerfen.

Ungeachtet dessen sei die Bemessung der Disziplinarmaßnahme stets eine Frage der Würdigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls, die sich einer Beantwortung in verallgemeinerungsfähiger Form entziehe.

Eine Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO in dem Sinne, dass zwischen den Gerichten ein grundsätzlicher Meinungsunterschied hinsichtlich der die Rechtsanwendung im Einzelfall bestimmenden Maßstäbe besteht, lege die Beschwerde nicht dar. Das angefochtene Urteil weiche nicht rechtssatzmäßig von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab. Soweit die Beschwerde eine Abweichung zu den von ihr in Bezug genommenen Entscheidungen des Senats (BVerwG, Urteil vom 28.02.2013 - 2 C 3.12 - BVerwGE 146, 98 Rn. 53) annehme, weil das Berufungsgericht bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme von ihr im Einzelnen benannte Umstände - anders als der Senat – "nicht hinreichend berücksichtigt" habe, mache sie der Sache nach nicht geltend, das Berufungsgericht habe einen von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt. Vielmehr beschränke sie sich auf die Rüge bloßer Subsumtionsfehler, mit denen sich der Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO gerade nicht begründen lasse (vgl. BVerwG, Beschluss vom 02.09.2019 - 3 B 28.18 - juris Rn. 7).

Die lange Dauer eines Disziplinarverfahrens sei nicht stets mildernd zu berücksichtigen. Nur in Fällen, in denen die Höchstmaßnahme ausscheide und deshalb eine pflichtenmahnende Disziplinarmaßnahme geboten sei, könne die unangemessen lange Verfahrensdauer bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme aus Gründen der Verhältnismäßigkeit mildernd berücksichtigt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 04.10.1977 - 2 BvR 80/77 - BVerfGE 46, 17 <28 f.>; Kammerbeschluss vom 09.08.2006 - 2 BvR 1003/05 - DVBl 2006, 1372 <1373>; BVerwG, Urteile vom 22.02.2005 - 1 D 30.03 - juris Rn. 80, vom 29.03.2012 - 2 A 11.10 - UA Rn. 84 f. und vom 28.02.2013 - 2 C 3.12 - BVerwGE 146, 98 Rn. 53 f.; Beschlüsse vom 13.10.2005 - 2 B 19.05 - Buchholz 235.1 § 15 BDG Nr. 2 Rn. 8 und vom 17. April 2020 - 2 B 3.20 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 73 Rn. 19).

Ein Verfahrensmangel liege ebenfalls nicht vor. Soweit man bei rechtsschutzfreundlicher Auslegung in dem Einwand der Beschwerde, eine vom Berufungsgericht verwendete Zitatstelle "stimme ... nicht", die Rüge einer unzureichenden richterlichen Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) erkenne, werde hiermit ein Verfahrensmangel nicht dargetan. Denn in der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung des Senats (Urteil vom 20.04.2023 - 2 A 18.21 - juris) sei - entgegen der Darstellung der Beschwerde - von einer Bagatellgrenze die Rede und der entstandene Schaden werde konkret beziffert.

Link zur Entscheidung: BVerwG, Urt. v. 07.08.2024 – 2 B 10.24 – 

 

 

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OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 06.08.2024 - 10 S 35.23

Herleitung der Gleichgewichtung der Einzelmerkmale für die Gesamtnote einer dienstlichen Beurteilung

Leitsätze

1. Die Gleichgewichtung der Einzelmerkmale für die Gesamtnote einer dienstlichen Beurteilung muss sich aus der Beurteilungspraxis der betroffenen Behörde(n) bzw. einer ausdrücklichen Vorgabe der Beurteilungsrichtlinie ergeben. 

2. Allein die Offenheit der Regelungen der Beurteilungsrichtlinie für eine dahingehende Auslegung genügt insoweit nicht. 

 

In diesem Verfahren beantragte die Beklagte die Berufungszulassung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin, welches der Klage einer Bürosachbearbeiterin beim Bundesamt stattgab und die Beklagte unter Aufhebung der dienstlichen Beurteilung und des Widerspruchsbescheids verpflichtete, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut dienstlich zu beurteilen. Die Klägerin hatte 2019 eine Regelbeurteilung für den Zeitraum 2014 bis 2015, welche auf der Grundlage der Richtlinie für die Beurteilung von Beamtinnen und Beamten im Geschäftsbereich des BMI vom 07.04.2017 erstellt worden war. 

Die Klägerin wurde von beiden Beurteilenden bei den Leistungsmerkmalen zehnmal mit der Note 7, zweimal der Note 8 und zweimal der Note 6 bewertet. Die Notenskala für die Leistungsbewertung und das Gesamturteil reichte von 1 (entspricht in keiner Weise den Anforderungen) bis 9 (übertrifft die Anforderungen durch stets besonders herausragende Leistungen). Bei den Eignungs- und Befähigungsmerkmalen wurde die Klägerin ebenfalls übereinstimmend siebenmal mit der Einstufung B, dreimal mit der Einstufung C und einmal mit der Einstufung A bewertet. Die Skala bei den Eignungs- und Befähigungsmerkmalen reichte von A (besonders stark ausgeprägt) bis D (schwächer ausgeprägt). Anschließend an die Eignungs- und Befähigungsmerkmale gab es im Beurteilungsformular ein Ankreuzfeld „Die Eignungs- und Befähigungsbeurteilung gibt Anlass, für die Bildung der Gesamtnote über die Leistungsbewertung hinauszugehen oder hinter ihr zurück zu bleiben (vgl. Ziffer 4.5 BuRiLi), weil Eignung und Befähigung der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters von den Anforderungen des Amtes deutlich abweichen“, welches bei der Klägerin mit „nein“ markiert war.

In der zusammenfassenden Begründung der Erstbeurteilung wurde zur Gesamtnote wie folgt ausgeführt:

„Bei angemessener Berücksichtigung der zwei einzubeziehenden Beurteilungsbeiträge für ihre Tätigkeit im Referat konnte die Gesamtnote ‚7 Punkte‘ vergeben werden. Die Einstufung bei den Leistungsmerkmalen ‚Dienstleistungsorientierung‘ und ‚Zuverlässigkeit‘ sticht dabei besonders positiv hervor. Hier hat die Beamtin die an sie gestellten Anforderungen überwiegend übertroffen; sie war immer bestrebt, die ihr zugeteilten Aufgaben verlässlich und umsichtig zu bearbeiten und die Sachbearbeiter/innen sowie die Referatsleitung dadurch zu entlasten.“

Der Zulassungsantrag war erfolglos. Die Beklagte konnte keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils darlegen. Das Verwaltungsgericht, nahm an, die dienstliche Beurteilung sei rechtswidrig, weil es ihr an einer hinreichend plausiblen Begründung der Gesamtnote im Sinne einer Herleitung aus den Einzelmerkmalen fehle, in der Gesamteinschätzung komme die unterschiedliche Bedeutung der einzelnen Leistungsmerkmale nicht hinreichend zum Ausdruck.

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) urteilte, das Verwaltungsgericht sei von einem zutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen: In ständiger Rechtsprechung verlange das Bundesverwaltungsgericht (zuletzt etwa Urteil vom 12.10.2023 - 2 A 7.22 -, juris Rn. 32 m.w.N.; Urteil vom 09.05.2019 - 2 C 1.18 -, juris Rn. 65; grundlegend Urteil vom 17.09.2015 - 2 C 27.14 -, juris Rn. 30 ff.) – und ihm folgend auch der Senat (vgl. etwa Beschluss vom 18.08.2020 - OVG 10 N 43.17 -, juris Rn. 13 m.w.N.; Beschluss vom 24.09.2018 - OVG 10 S 47.18 -, juris Rn. 11; Beschluss vom 29.05.2018 - OVG 10 S 66.16 -, juris Rn. 13) – eine Begründung des Gesamturteils einer Regelbeurteilung. Diese Pflicht folge aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG), dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) sowie der Funktion der dienstlichen Beurteilung, als tragfähige Grundlage für eine an den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG orientierte Auswahlentscheidung zu dienen. Wie die einzelnen Auswahlkriterien zu gewichten seien, geben weder Art. 33 Abs. 2 GG noch § 9 Satz 1 BBG unmittelbar vor. Im Rahmen des ihm zustehenden Spielraums sei es daher Sache des Dienstherrn festzulegen, welches Gewicht er den einzelnen Merkmalen beimessen wolle. Das abschließende Gesamturteil sei durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen auf die Auswahl nach Art. 33 Abs. 2 GG bezogenen Gesichtspunkte zu bilden. Diese Gewichtung bedürfe schon deshalb einer Begründung, weil nur so die Einhaltung gleicher Maßstäbe gewährleistet und das Gesamturteil nachvollzogen und einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden könne. Gesamturteil und Einzelbewertungen einer dienstlichen Beurteilung müssten in dem Sinne miteinander übereinstimmen, dass sich das Gesamturteil nachvollziehbar und plausibel aus den Einzelbewertungen herleiten lasse. Die Begründung des Gesamturteils habe schon in der dienstlichen Beurteilung selbst zu erfolgen. Sie sei materieller Bestandteil der dienstlichen Beurteilung selbst und könne nicht erst im gerichtlichen Verfahren nachgeholt werden.

Die Anforderungen an die Begründung für das Gesamturteil seien jedoch umso geringer, je einheitlicher das Leistungsbild bei den Einzelbewertungen sei. Gänzlich entbehrlich sei eine Begründung für das Gesamturteil dann, wenn im konkreten Fall eine andere Note nicht in Betracht komme, weil sich die vergebene Note – vergleichbar einer Ermessensreduzierung auf null – geradezu aufdränge (BVerwG, Urteil vom 01.03.2018 - BVerwG 2 A 10.17 -, juris Rn. 43; Urteil vom 17.09.2015 - BVerwG 2 C 27.14 -, juris Rn. 37; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18.08.2020 - OVG 10 N 43.17 -, juris Rn. 13 m.w.N.).

Die Auffassung des Zulassungsvorbringens, wonach sich die Gesamtnote 7 im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung aufdränge, gehe von der Annahme aus, der Dienstherr habe die Gleichgewichtung der Einzelmerkmale im Rahmen der Leistungsbeurteilung in der Beurteilungsrichtlinie vom 07.04.2017 vorgegeben. Zunächst sei rechtlich in erster Linie die Gewichtung in der Beurteilungspraxis der betreffenden Behörde maßgeblich (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.09.2020 - BVerwG 2 C 2.20 -, juris Rn. 19), nicht der Inhalt einer Verwaltungsvorschrift (Beurteilungsrichtlinie), deren Beachtung in der Praxis zwar naheliegt, aber nicht zwangsläufig vorausgesetzt werden könne (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.09.2020 - BVerwG 2 C 2.20 -, juris Rn. 18, 31 f. m.w.N.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 05.09.2019 - 6 B 852/19 -, juris Rn. 101). Angaben zur Praxis der Gewichtung im Geschäftsbereich des BMI enthalte das Zulassungsvorbringen nicht, sondern begründe die angenommene Gleichgewichtung allein mit einem Vergleich der Beurteilungsrichtlinie vom 07.04.2017 mit der Vorgängerregelung vom 13.09.2011, welche noch eine besondere Gewichtung von bis zu zwei Leistungsmerkmalen vorgesehen habe. Dass in Ziff. 4.1 der Beurteilungsrichtlinie vom 07.04.2017 eine derartige Gewichtung nicht mehr enthalten sei, bedeute, dass die einzelnen Leistungsmerkmale gleich zu gewichten seien. Dies sei ohne weitere Mühe oder Auslegungstechniken erkennbar. 

Dem vermochte der Senat nicht zu folgen. Die Regelung in Ziff. 4.5 Absatz 1 Satz 1 der Beurteilungsrichtlinie zur Bildung der Gesamtnote („Aus den einzelnen Leistungsmerkmalen sei unter Würdigung des Gesamtbilds der Leistung eine Gesamtnote zu vergeben.“) sei vielmehr offen für verschiedene Auslegungsergebnisse. Mit dem Begriff der „Würdigung“ werde vorgegeben, dass eine solche Würdigung zu erfolgen habe; es werde aber gerade nicht festgelegt, wie und mit welchem Ergebnis dies geschehen solle. Eine Gleichgewichtung der Einzelmerkmale sei damit nicht ausgeschlossen, aber auch nicht ausdrücklich normiert (vgl. für eine ähnliche Regelung OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 05.09.2019 - 6 B 852/19 -, juris Rn. 80). Die zitierte Regelung sei ebenso offen für die Auslegung des Verwaltungsgerichts, dass sie keine Vorgaben für die Gewichtung der Einzelmerkmale enthalte und somit defizitär sei. Die Offenheit des Wortlauts für eine Gleichgewichtung biete ohne das Hinzutreten weiterer Umstände keine hinreichende Grundlage für die Annahme einer Regel des Inhalts, dass die Einzelmerkmale gleich zu gewichten seien, solange nichts anders bestimmt sei, oder dafür, dass eine gleichwertige Behandlung dann „stillschweigend vorgegeben“ würde. Dieses Verständnis überdehne den Wortlaut. Der Umstand, dass ein einheitlicher Beurteilungsmaßstab bestimmt sein müsste (vgl. BVerwG, Urteil vom 01.03.2012 – BVerwG 2 A 10.17 – juris Rn. 45), aber nicht bestimmt sei, reiche für die Annahme einer stillschweigenden Vorgabe nicht aus, sondern führe – wie vom Verwaltungsgericht festgestellt – auf diejenige eines Rechtsfehlers (vgl. für eine ähnliche Regelung OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 05.09.2019 - 6 B 852/19 -, juris Rn. 100).



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OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 05.08.2024 - 10 S 8.24 

Wirksamkeit von Einstellungshöchstaltersgrenzen im Polizeidienst / Bewerbungsablehnung wegen Tätowierung in Form eines Pentagramms 

Leitsatz 
1. Die Regelung von Einstellungshöchstaltersgrenzen in § 5 Abs 3 BPolLV (juris: BGSLV 2011) ist unwirksam. (Rn.7) 
2. Zur Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art 2 Abs 1 GG) durch das Ablehnen einer Bewerbung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst wegen der sichtbaren Tätowierung eines fünfzackigen Sterns (Pentagramms) in der Größe, Position und Funktion eines Eheringes (hier: aufgrund der besonderen Umstände des konkreten Einzelfalls bejaht). (Rn.18) 
 
Der Antragsteller begehrte die Zulassung zum Auswahlverfahren für den Vorbereitungsdienst des gehobenen Polizeivollzugsdienstes der Bundespolizei zum Einstellungstermin 01.09.2024. 
Er ist verheirate. In seiner Bewerbung vom 23.05.2023 hatte er u.a. auf einem Formular der Bundespolizeiakademie eine Erklärung vom 26.03.2023 zu Tätowierungen, sonstigem Körperschmuck und sog. Tunneln mit 10 Fotos eingereicht. Auf diesen Fotos ist neben Tätowierungen an Armen, Beinen und Oberkörper auch eine etwa fingernagelgroße Tätowierung der einfarbigen Linie eines sonst farblosen fünfzackigen Sterns auf dem ersten Glied des Ringfingers der rechten Hand zu sehen. Dazu erklärte der Antragsteller, hierbei handele es sich um seinen Ehering. Durch die Tätowierung sei er hygienischer, vor Diebstahl und Verlust sicher, und es bestehe kein Verletzungsrisiko. Das Pentagramm stehe für Schutz. Eine Entfernung der Tätowierung lehnte er ab. 
Die Teilnahme des Antragstellers am Testverfahren der Bundespolizei wurde abgelehnt, weil sich seine Tätowierung im beim Tragen der Uniform sichtbaren Bereich befinde und es bei Tätowierungen an Händen, Kopf oder Halsbereich grundsätzlich an der als Einstellungsvoraussetzung für den Polizeivollzugsdienst geforderten Eigenschaft zum Abdecken fehle. 
Den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht Berlin nach Anhörung der Beteiligten zu der in § 5 Abs. 3 Satz 2 Bundespolizei-Laufbahnverordnung (BPolLV) vorgesehenen Einstellungshöchstaltersgrenze abgelehnt, weil er im maßgeblichen Zeitpunkt des Einstellungstermins am 01.09.2024 die Zulassungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 BPolLV nicht erfülle, da er das 34. Lebensjahr bereits mit Ablauf des 09.06.2024 vollendet habe. Hiergegen richtet sich die Beschwerde. 
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg entschied, dass die Beschwerde begründet ist. 
Das Beschwerdevorbringen, dass die Regelung des § 5 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 BPolLV nicht wirksam sei, mache der Antragssteller zurecht geltend. 
Diese Regelung sei unwirksam, weil zum Zeitpunkt des Erlasses der Bundespolizei-Laufbahnverordnung vom 02.12.2011, die bereits diese bis heute unveränderte Regelung enthalte, die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage in § 3 Abs. 2 des Bundespolizeibeamtengesetzes alter Fassung (BPolBG a.F.) galt. Sie werde in der Präambel der Verordnung ausdrücklich genannt (BGBl. I S. 2408: „Auf Grund des § 3 Absatz 2 des Bundespolizeibeamtengesetzes, der durch Artikel 3 Nummer 2 des Gesetzes vom 29.06.1998 (BGBl. I S. 1666) neu gefasst worden ist, verordnet die Bundesregierung …“). Jene Verordnungsermächtigung sei insoweit nicht hinreichend bestimmt gewesen. Denn sie enthalte keine Ermächtigung zur Regelung von Einstellungsaltersgrenzen, die indessen nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes und der dazu entwickelten Wesentlichkeitstheorie verfassungsrechtlich geboten ist (BVerfG, Beschluss vom 21.04.2015 – 2 BvR 1322/12 – juris Rn. 70 ff.). Erst später sei eine ausdrückliche Ermächtigung zur Regelung von „Altersgrenzen für die Einstellung in den Vorbereitungsdienst“ (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BPolBG in der am 28.10.2016 in Kraft getretenen Fassung, Art. 4 des Gesetzes vom 19.10.2016, BGBl. I S. 2362) bzw. nunmehr nur noch pauschal zur „Festlegung von Altersgrenzen“ (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 BPolBG in der seit dem 07.07.2021 geltenden Fassung, Art. 4 Nr. 1 Buchstabe b des Gesetzes vom 28.06.2021, BGBl. I S. 2250) in das Gesetz eingefügt worden, die das Verwaltungsgericht für hinreichend bestimmt gehalten habe (VG Berlin, Beschluss vom 06.02.2024 – VG 5 L 728/23 – juris Rn. 22 – 26). Dem OVG zufolge können aber spätere Änderungen der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage einer bereits vorher auf unzureichender gesetzlicher Grundlage erlassenen und deshalb unwirksamen Verordnungsregelung nicht nachträglich zur Wirksamkeit verhelfen (BVerwG, Urteil vom 20.04.2023 – BVerwG 2 C 18.21 – juris Rn. 16 m.w.N.). 
Unabhängig davon könne § 5 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 BPolLV seit dem 18.08.2017 auch deshalb keine Wirksamkeit mehr zukommen, weil an diesem Tag die spätere und höherrangige gesetzliche Regelung der Einstellungshöchstaltersgrenzen in § 48 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 BHO 2017 in Kraft getreten sei (Art. 11 Nr. 4, Art. 25 Abs. 1 des Gesetzes vom 14.08.2017, BGBl. I S. 3122; zur Begründung vgl. BT-Drs. 18/11135, S. 67 und 95 – 98, zu § 48 Abs. 2 BHO insbesondere S. 97; vgl. gerichtlichen Hinweis vom 27.05.2024, S. 1 f). Nach dieser Vorschrift dürfe die Berufung oder Versetzung in den Polizeivollzugsdienst des Bundes nur erfolgen, wenn die Bewerberin oder der Bewerber das 40. Lebensjahr – bei einer Verwendung im Bundesministerium des Innern, im Bundeskriminalamt oder im Polizeivollzugsdienst beim Deutschen Bundestag das 45. Lebensjahr – noch nicht vollendet habe. Diese Voraussetzung erfülle der Antragsteller, weil er mit Ablauf des 09.06.2024 erst das 34. Lebensjahr vollendet habe. 
Als späterer und höherrangiger Regelung komme § 48 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 BHO 2017 Vorrang vor der im angefochtenen Beschluss zugrunde gelegten Regelung in § 5 Abs. 3 Satz 2 BPolLV zu, deren Inkrafttreten am 07.12.2011 vorgesehen war (vgl. Art. 1, Art. 3 Abs. 1 der Verordnung vom 02.12.2011, BGBl. I S. 2408). Daher stehe der Wirksamkeit jener Verordnungsregelung – ungeachtet ihrer Unwirksamkeit mangels hinreichender gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage – außerdem das Inkrafttreten von § 48 BHO 2017 entgegen, auch wenn sie nicht förmlich aufgehoben worden sei. 
 Der angefochtene Beschluss erweise sich auch nicht als im Ergebnis richtig. Trotz ihrer Sichtbarkeit begründe die Tätowierung des Antragstellers am Ringfinger der rechten Hand jedenfalls unter den außergewöhnlichen Umständen des vorliegenden Einzelfalles wegen ihrer eher geringen Größe, ihrer unauffälligen Gestaltung als einfarbige dunkle Linie, ihrer Position und der Funktion als tätowierter Ehering kein Einstellungshindernis. Die Anwendung der Verwaltungsvorschrift (VV) in Ziffer 2.3 Satz 4 Halbsatz 2 RL gPVD - § 7 BPolLV verletze den Antragsteller jedenfalls in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG, weil sie sich als im vorliegenden Einzelfall unverhältnismäßig erweise. Obgleich die Tätowierung des Antragsstellers dem Wortlaut nach der benannten VV nach als Grundlage für eine Ablehnung in Betracht kommen könne: 
„Tätowierungen können im Einzelfall als Einstellungshindernis gewertet werden. Sie müssen in jedem Fall geeignet abzudecken sein (z.B. Stulpe in Hautfarbe, Pflaster, spezielles Make-up); am Kopf, am Hals und den Händen dürfen keine Tätowierungen vorhanden sein.“ 
Nach dieser VV darf die Tätowierung an der Hand des Antragsstellers nicht vorhanden sein. 
Zur Verweisung auf § 61 Abs. 2 BBG als Einstellungsvoraussetzung in § 7 Abs. 1 Satz 2 heiße es, für Bewerberinnen und Bewerber seien die gleichen Maßstäbe anzulegen. Dazu führe die Begründung weiter aus: 
„Mit der Erfüllung der Pflichten nach § 61 Absatz 2 nicht vereinbar sind Merkmale des Erscheinungsbilds, die auf Grund ihrer ungewöhnlich expressiven Gestaltung in Form, Farbe oder Größe das Gesamterscheinungsbild der oder des Betroffenen maßgeblich prägen.“ 
 Bei der Anwendung von Ziffer 2.3 Satz 4 Halbsatz 2 RL gPVD - § 7 BPolLV auf den tätowierten Ehering des Antragstellers fehle es hier an einem diesen Verhältnismäßigkeitsmaßstäben der Gesetzesbegründung zu § 7 Abs. 1 Satz 2, § 61 Abs. 2 Satz 2 BBG gerecht werdenden Regelungsziel. 
Auf diesen hier allein in Rede stehenden tätowierten Ehering könne die genannte Verwaltungsvorschrift (Ziffer 2.3 Satz 4 Halbsatz 2 RL gPVD - § 7 BPolLV) aber nicht anwendbar sein, weil es ihr insoweit an einem diesen erfassenden Regelungszweck fehle. Dazu habe die Antragsgegnerin nichts weiter ausgeführt. Den Regelungszweck zu erraten sei nicht Aufgabe des erkennenden Senats. 
Der Senat müsse darüber hinaus davon ausgehen, dass die Antragsgegnerin auch sonst keine Vorschriften kenne, die den Beamtinnen und Beamten ihres Polizeivollzugsdienstes das Tragen eines Eheringes, z.B. in der Gestalt von „Schmuck“ im Sinne von § 61 Abs. 2 Satz 2 BBG, während der Dienstausübung untersage und sie verpflichte, ihn solange abzunehmen. 
Die Antragsgegnerin habe nicht näher begründet, warum die Tätowierung an dem Ringfinger nicht mit § 61 Abs. 2 BBG, Ziffer 2.3 der RL gPVD - § 7 BPolLV zu vereinbaren sei. 
Zudem habe sie nicht mal ansatzweise das, mit der Anwendung eines absoluten Einstellungshindernis für sichtbare Tätowierungen auf den tätowierten Ehering des Antragstellers, verfolgte Ziel dargelegt. Schließlich habe sie auch abschließend unmissverständlich klargestellt, dass für sie ein Verdecken der Tätowierung nicht als Lösung in Betracht komme, weil die Regelung der Verwaltungsvorschrift zu Tätowierungen am Kopf, am Hals und an den Händen „eindeutig“ sei und die Existenz der Tätowierung durch ein Verdecken mit einem (abnehmbaren) Ehering oder einer anderen Sache „unzweifelhaft nicht auf[ge]hoben“ werde. 
Es könne hier keine Rede davon sein, dass es sich bei dem tätowierten Ehering des Antragstellers, der nach seiner geringen Größe sowie nach seiner Position und Funktion einem entsprechenden Schmuckstück (Ehering) gleiche, im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 2 BBG um ein solches – einer Untersagung zugängliches – Merkmal des Erscheinungsbilds handeln würde, das auf Grund seiner ungewöhnlich expressiven Gestaltung in Form, Farbe oder Größe das Gesamterscheinungsbild des Antragstellers maßgeblich prägen würde und deshalb mit der Erfüllung der Pflichten nach § 61 Absatz 2 BBG nicht vereinbar wäre. 
Danach fehle es schon an einem legitimen Ziel, das den Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Antragstellers aus Art. 2 Abs. 1 GG durch die auf die Tätowierung gestützte Ablehnung der Bewerbung damit als verhältnismäßig rechtfertigen könnte, dass er seinen tätowierten Ehering – anders als einen Ehering in Gestalt eines Schmuckstücks – nicht während der Dienstausübung abnehmen könne. Könne demzufolge das Tragen eines Eheringes etwa die möglicherweise auch hier bezweckte Neutralitätsfunktion der Uniform (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.05.2020 – 2 C 13.19 – juris Rn. 26 – 29) nicht in Frage stellen, was selbst die Antragsgegnerin zu keiner Zeit geltend gemacht habe, so könne es nicht darauf ankommen, ob der Ehering die Gestalt eines abnehmbaren Schmuckstücks oder – wie hier – die Gestalt einer dauerhaft tätowierten einfarbigen Linie eines sonst farblosen fünfzackigen Sterns habe. Weder habe die Antragsgegnerin einen Regelungszweck für das Einstellungshindernis des tätowierten Eheringes dargelegt noch sei angesichts des Fehlens eines Verbots, Eheringe in gleicher Größe, Position und Funktion in Gestalt eines Schmuckstücks zu tragen, ein Regelungsziel erkennbar, dessen Legitimität der erkennende Senat beurteilen könne. 


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OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 29.07.2024 - 10 S 19/24 - 

Strukturierte Auswahlgespräche als Grundlage für einen Leistungsvergleich i.S.d. Art. 33 Abs. 2 GG für Quereistieg in den gehobenen Auswärtigen Dienst 

Die hiesige Antragstellerin und Beschwerdeführerin wendete sich gegen die Ablehnung ihrer Bewerbung für eine Qualifizierungsmaßnahme für den gehobenen Auswärtigen Dienst (Quereinstieg), für welche die Antragsgegnerin 14 Stellen für Beamtinnen und Beamte auf Lebenszeit des gehobenen nichttechnischen Dienstes ausgeschrieben hatte. 

Der Auswahlausschuss ließ einschließlich der Antragstellerin 48 Bewerberinnen und Bewerber zu dem zweistufigen, schriftlichen und mündlichen Auswahlverfahren zu. Die Antragstellerin nahm neben 22 weiteren Bewerberinnen und Bewerbern im Januar 2024 am mündlichen Teil des Auswahlverfahrens teil. Dieser bestand aus einer Einzelvorstellung, einem Kurzvortrag und einem Rollenspiel. Dabei wurden die sechs Kompetenzbereiche strategische und Gestaltungskompetenz, Kommunikationskompetenz, Kooperation und Führungskompetenz, Gleichstellung- und Diversitätskompetenz, Selbstentwicklungskompetenz und Resilienz sowie Motivation anhand einer Skala von 1 (den Anforderungen nicht entsprechend) bis 7 (weit über den Anforderungen) von den einzelnen stimmberechtigten Mitgliedern des Auswahlausschusses bewertet. Für jedes Kompetenzfeld wurde aus den Einzelbewertungen der Gesamtwert als Mittelwert errechnet und danach aus den Durchschnittswerten der sechs gleichgewichteten Kompetenzen der Gesamtdurchschnittswert, der auch die Position in der Rangfolge bestimmte. Zusätzlich wurden die Bewerberinnen und Bewerber während des mündlichen Auswahlverfahrens von Psychologinnen und Psychologen beobachtet, welche außerdem mit jeder Bewerberin und jedem Bewerber ein Einzelgespräch führten. Am Ende des Prüfungstages trug die Psychologin oder der Psychologin dem Auswahlausschuss eine Bewertung der Eignung der Bewerberinnen und Bewerber vor, nahm an der abschließenden Beratung des Ausschusses jedoch nicht teil. 

Der Auswahlausschuss hatte vorab festgelegt, dass nur diejenigen Bewerberinnen und Bewerber Einstellungszusagen erhalten könnten, deren Gesamtdurchschnittswerte im mündlichen Teil des Auswahlverfahrens mindestens 4,25 betrage und deren Leistungen in den Kompetenzbereichen „Kooperation und Führungskompetenz“ und „Motivation“ mit mindestens 4,0 bewertet worden seien. Insgesamt 11 Bewerberinnen und Bewerber erfüllten diese Voraussetzungen und wurden vom Auswahlausschuss zur Einstellung in die Qualifizierungsmaßnahme empfohlen. 

Das OVG räumte am Anfang seiner Entscheidung ein, der Antragstellerin fehle zumindest nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, weil der Einstellungsanspruch mit dem Verstreichen des Einstellungszeitpunktes und der Besetzung der Stellen durch andere Bewerber erloschen wäre. Das Bundesverwaltungsgericht hatte dies in dem von der Antragsgegnerin angeführten Urteil vom 25. Februar 2010 (BVerwG 2 C 22.09, juris Rn. 19) für zu regelmäßig wiederkehrenden Zeitpunkten ausgeschriebene und besetzte Beamtenstellen damit begründet, dass der primäre Rechtsschutz zu spät komme, wenn der Bewerber zum Einstellungszeitpunkt verfahrensfehlerhaft nicht eingestellt worden sei, weil auch der im gerichtlichen Verfahren obsiegende Bewerber nicht rückwirkend zum Beamten ernannt werden könne. So verhalte es sich im Fall der Antragstellerin jedoch nicht: Zu Beginn der Qualifizierungsmaßnahme erfolge keine Ernennung, sondern die ausgewählten Bewerber werden – in der Regel drei oder sechs Monate – von ihrer bisherigen Behörde abgeordnet mit dem Ziel der Versetzung. 

Dennoch hatte die Beschwerde, die auf den Antrag zur vorläufigen Zulassung der Antragstellerin zu der Qualifizierungsmaßnahme beschränkt war keinen Erfolg. 

Das OVG entschied soweit die Antragstellerin anführe, die Auswahlentscheidung verletze sie in ihrem Bewerbungsverfahrensanspruch, weil ihre überdurchschnittliche dienstliche Beurteilung und ihre in Vortätigkeiten für die Antragsgegnerin bewiesene persönliche und fachliche Eignung und erworbene Erfahrung nicht hinreichend berücksichtigt worden seien, setze sie sich nicht den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO entsprechend mit der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin auseinander, sondern trage lediglich eine eigene, im Ergebnis vom Verwaltungsgericht abweichende Würdigung der Sach- und Rechtslage vor. 

Die Annahme, dass die heranzuziehenden dienstlichen Beurteilungen ihre Funktion als Maßstab des Eignungs- und Leistungsvergleichs im Auswahlverfahren erfüllen könne, treffe für die vorliegend ausgeschriebenen Stellen der Qualifizierungsmaßnahme für den gehobenen Auswärtigen Dienst jedoch – anders als für die Fälle der Konkurrenz um die Beförderung auf ein höherwertiges Amt der gleichen Laufbahngruppe – nicht zu: Die Eignung von dienstlichen Beurteilungen als Vergleichsgrundlage setze insbesondere voraus, dass sie inhaltlich aussagekräftig seien und eine tragfähige, dem Gebot der Bestenauslese entsprechende Grundlage für die Auswahlentscheidung darstellen (BVerfG, Beschluss vom 16.12.2015 - 2 BvR 1958/13 -, juris Rn. 58; Beschluss vom 07.03.2013 - 2 BvR 2582/12 -, juris Rn. 21; BVerwG, Urteil vom 01.03.2018 - BVerwG 2 A 10.17 -, juris Rn. 30; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18.01.2019 - OVG 10 S 45.17 -, juris Rn. 11). Art. 33 Abs. 2 GG lege jedenfalls nicht im Einzelnen fest, anhand welcher Mittel die Eignung, Befähigung und Leistung von Bewerbern um ein Beförderungsamt festzustellen seien (BVerfG, Beschluss vom 11.05.2011 - 2 BvR 764/11 -, juris Rn. 12). Diese Offenheit beruhe auf der Einsicht, dass dienstliche Beurteilungen eine Aussage im Wesentlichen ohnehin nur darüber treffen, ob und in welchem Maße ein Beamter den Anforderungen gewachsen sei, die mit den Aufgaben seines Amts und dessen Laufbahn verbunden seien (vgl. BVerwG; Beschluss vom 11.01.2018 - OVG 4 S 40.17 -, juris Rn. 8). Dabei können sich sogar die Statusämter innerhalb einer Laufbahn, obwohl sie aufeinander aufbauen und durchlaufen werden müssen (Laufbahnprinzip), in den Anforderungen so sehr voneinander unterscheiden, dass eine günstig beurteilte Eignung regelmäßig nur noch für das nächsthöhere Statusamt angenommen werden könne (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.12.2014 - BVerwG 2 VR 1.14 -, juris Rn. 25). Gehe es um den Aufstieg in eine höhere Laufbahngruppe, lasse die Aussagekraft dienstlicher Beurteilungen sogar noch mehr nach. Denn der Verordnungsgeber verbinde mit der Gliederung in den mittleren, den gehobenen und den höheren Dienst Erwartungen an den Ertrag der jeweils vorausgesetzten Schulbildung und Ausbildung für das Niveau der Dienstverrichtung, zu denen sich die dienstlichen Beurteilungen nicht verhalten (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.04.2022 - OVG 10 S 38.21 -, juris Rn. 17). 

Ebenso könne vorliegend einer dienstlichen Beurteilung für ein Amt des gehobenen nichttechnischen Dienstes nur ein verminderter Aussagewert für die Eignung und Befähigung für ein statusgleiches Amt der Sonderlaufbahn des gehobenen Auswärtigen Dienstes zukommen. Dass an die Befähigung der Beamten des Auswärtigen Dienstes andere Anforderungen als an die Beamten des nichttechnischen Verwaltungsdienstes gestellt werden, folge bereits daraus, dass es sich um unterschiedliche Fachlaufbahnen handele und der horizontale Laufbahnwechsel im gehobenen Dienst nur nach einer mindestens 18-monatigen Qualifizierungsphase (§ 42 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BLV) zulässig sei. Das Verwaltungsgericht habe insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass diese erhebliche Mindestzeit der Qualifizierung zeige, dass wechselnden Beamten zuverlässig die gleiche umfassende Kompetenz für die neue Laufbahn vermittelt werden soll, wie sie unmittelbar in die Laufbahn gelangte Beamte in der Regel im Vorbereitungsdienst erwerben. 

Lasse sich anhand der verfügbaren dienstlichen Beurteilungen keine verlässliche Grundlage für einen Leistungsvergleich bilden, so kommen auch andere geeignete Erkenntnismittel wie insbesondere strukturierte Auswahlgespräche in Betracht, auf die der Dienstherr seine Auswahlentscheidung maßgeblich stützen dürfe, wenn sie gleichmäßig und nach einheitlichen Maßstäben auf alle Bewerber (unter Umständen nach einer anhand des Anforderungsprofils durchgeführten Vorauswahl) angewendet worden seien (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.04.2010 - BVerwG 1 WB 39.09 -, juris Rn. 39; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18.01.2019 - OVG 10 S 45.17 -, juris Rn. 13 m.w.N.). Die Auswahl unter den anerkannten weiteren Auswahlinstrumenten, deren nähere Ausgestaltung und Gewichtung unterliegt einem Beurteilungsspielraum des Dienstherrn (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.04.2022 - OVG 10 S 38.21 -, juris Rn. 17). Konkrete Bedenken dagegen, die im mündlichen Teil des Auswahlverfahrens abgefragten Eigenschaften und Fähigkeiten der sechs Einzelkriterien als im Sinne der Merkmale des Art. 33 Abs. 2 GG entscheidende Kompetenzen für die zu erstellende Eignungsprognose anzusehen, trage die Antragstellerin nicht vor und seien auch sonst nicht ersichtlich. Die Kompetenzfelder dürften den Aufgaben und Einsatzgebieten der Beamten des gehobenen Auswärtigen Dienstes gerecht werden, weil sie sich regelmäßig schnell in neue Aufgabengebiete, ein anderes Arbeitsumfeld und ein verändertes soziales und kulturelles Umfeld einfinden müssen (vgl. für das ähnlich konzipierte Auswahlverfahren für den Vorbereitungsdienst des mittleren Auswärtigen Dienstes bereits OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.11.2021 - OVG 10 S 26.21 -, S. 5 f. EA m.w.N.). 

Es sei demnach rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin maßgeblich nicht auf die dienstlichen Beurteilungen der Bewerber für den Quereinstieg, sondern die Ergebnisse eines strukturierten Auswahlverfahrens abstelle. 

Die Auswahl aufgrund besonderer beruflicher Vorerfahrungen, obwohl die Antragstellerin die für alle Bewerber vorab festgelegten Mindestbewertungen im mündlichen Auswahlverfahren (4,25 insgesamt und mindestens 4,0 in den Kompetenzbereichen „Kooperations- und Führungskompetenz“ sowie „Motivation“) nicht erreicht habe, würde zu einer Anwendung uneinheitlicher Maßstäbe bzw. einer unzulässigen nachträglichen Maßstabsveränderung führen. 

Der Einwand der Beschwerdeführerin, die Bewertungen einzelner Ausschussmitglieder im mündlichen Auswahlverfahren seien widersprüchlich bzw. stünden im Widerspruch zu der Würdigung ihrer Persönlichkeit in den von ihr vorgelegten Zeugnissen der Deutschen Botschaft bzw. des Auswärtigen Amtes für ihre dortige Tätigkeit führte ebenfalls nicht zum Erfolg ihrer Beschwerde. 

Das OVG führte hierzu aus, es liege in der Natur der Sache, dass die zur Bewertung der Leistungen berufenen Ausschussmitglieder bei einem Kurzvortrag sowohl positive als auch negative Einzelbeobachtungen notieren, die sie anschließend in einem Akt wertender Erkenntnis zu einer Gesamtbewertung der Einzelleistung – hier des Kurzvortrags – zusammenführen. Dass sowohl negative als auch positive Einzelbeobachtungen einer zu bewertenden Einzelleistung durch ein und dasselbe Ausschussmitglied als auch verschiedene Ausschussmitglieder notiert werden, dürfte der Regel- und nicht der Ausnahmefall sein. Der Hinweis der Antragstellerin auf eine positive Einzelbeobachtung eines Ausschussmitglieds sei daher nicht geeignet, einen Verstoß gegen allgemeingültige Wertmaßstäbe oder das Anstellen sachwidriger Erwägungen darzulegen. 

Dass die Antragsgegnerin nicht gehalten war, insoweit die von der Antragstellerin vorgelegten Zeugnisse in ihre Auswahlentscheidung einzubeziehen, sei bereits dargelegt worden.
 

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OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 29.07.2024 - 4 N 64/23 -  

Besoldung von Beamten verschiedener Laufbahnzweige bei gleicher Funktion 

Leitsätze 

1. Das auf die Ausbildung abstellende Laufbahnrecht mag rechtspolitisch kritisiert werden, wahrt jedoch den verfassungsrechtlichen Rahmen. (Rn.5) 

2. Das Argument, wonach im Verlauf eines Berufslebens die Ausbildung (das Studium) immer weniger prägend für die aktuell ausgeübte Tätigkeit ist, verfängt nicht. (Rn.7) 

3. Ein Verbot unterschiedlicher Besoldung bei gleicher Tätigkeit und unterschiedlicher Vorbildung gibt es nicht. (Rn.10) 

 

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) lehnte den Antrag auf Zulassung der Berufung Klägerin, einer Sekundarschulrektorin der Besoldungsgruppe A 13 mit Amtszulage, ab. Das Verwaltungsgericht habe die Klage mit dem Ziel, den Beklagten zu verpflichten, die Klägerin mit Wirkung vom 01.03.2019, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 14 einzuweisen, zu Recht abgewiesen. 

Die Klägerin rügte eine Ungleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG. Die Klägerin meint, es sei verfassungsrechtlich zweifelhaft, wenn unterschiedlich besoldete Beamte in verschiedenen Statusämtern, die lediglich durch die Vorbildung getrennt seien, faktisch die gleiche Tätigkeit ausübten. 

Dem OVG zufolge stehe jedoch aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts fest, dass gegen die vom Verwaltungsgericht zutreffend festgestellte einfachrechtliche Rechtslage, aus der sich die Besoldung der Klägerin ergibt, verfassungsrechtlich nichts zu erinnern sei. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts binde gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG die übrigen Gerichte. 

Für die Höhe der Besoldung sei das in Art. 33 Abs. 5 GG verankerte Alimentationsprinzip entscheidend. Nach diesem Prinzip richte sich die Besoldung maßgeblich nach dem jeweiligen Statusamt (BVerfG, Beschluss vom 16.12.2015 – 2 BvR 1958/13 – juris Rn. 49). Das Statusamt werde durch die Amtsbezeichnung, das vom Besoldungsgesetzgeber zugewiesene Endgrundgehalt und die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Laufbahn oder Laufbahngruppe bestimmt (BVerwG, Urteil vom 15.12.2021 – 2 A 1.21 – juris Rn. 26). Der Grundsatz der funktionsgerechten Besoldung, wie er in § 18, ferner in § 25 BBesG BE zum Ausdruck komme, habe zur Folge, dass Beamte eines Dienstherrn mit gleichen oder vergleichbaren Dienstposten derselben Laufbahn in der Regel gleich zu besolden seien (BVerfG, Beschluss vom 17.01.2012 – 2 BvL 4/09 – juris Rn. 59). Die Klägerin rüge allerdings die Ungleichbehandlung im Vergleich mit Lehrkräften, die sich in einem höheren Statusamt befinden und einem anderen Laufbahnzweig angehören. Das Bundesverfassungsgericht habe insoweit geklärt, dass gemäß Art. 33 Abs. 5 GG mit einem höheren Statusamt nicht stets auch eine höhere Funktion verbunden sein muss (BVerfG, Beschluss vom 16.10.2015 – 2 BvR 1958/13 – juris Rn. 40). Aus der von der Klägerin behaupteten Gleichartigkeit der wahrgenommenen Funktionen bei unterschiedlichen Statusämtern folge mithin noch kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz. Dieser ergebe sich auch nicht aus den Unterschieden im Statusamt. Denn es sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts möglich, den Grad der Vorbildung als Anknüpfungspunkt für den Laufbahn(zweig) festzulegen. Das Laufbahnprinzip, wonach für die Einstellung und das berufliche Fortkommen des Beamten Laufbahnen mit jeweils typisierten Mindestanforderungen bestehe, gehöre zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG (BVerfG, Beschlüsse vom 16.12.2015 – 2 BvR 1958/13 – juris Rn. 36 und vom 12.02.2003 – 2 BvR 709/99 – juris Rn. 51). Zulässige Mindestanforderungen können die Art der Berufsausbildung sein (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.12.2015 – 2 BvR 1958/13 – juris Rn. 17). Das auf die Ausbildung abstellende Laufbahnrecht möge rechtspolitisch kritisiert werden (vgl. Voßkuhle/Kaiser, in: Voßkuhle/Eifert/Möllers, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 3. Aufl. 2022, § 41 Rn. 37 und 119), wahre jedoch den verfassungsrechtlichen Rahmen. 

Die Klägerin war weiter der Ansicht, das Verwaltungsgericht habe die Grundsätze der Urteile des Europäischen Gerichtshofes vom 3. Oktober 2006 – C-17/05 – und vom 11. Mai 1999 – C-309/97 – außer Acht gelassen. Danach dürfe die Einstufung der Wertigkeit eine Arbeitsleistung nicht auf die individuelle Leistung oder das persönliche Alter oder Dienstalter abstellen. Unterschiede in der Vor- und Ausbildung dürften berücksichtigt werden, aber nur, wenn die zu einer höheren Einstufung führende Ausbildung sich von der anderen Ausbildung dadurch unterscheide, dass erstere zu anderen Aufgaben berechtige und diese den höher eingestuften Beschäftigten auch zugewiesen würden. 

Dem entgegen entschied das OVG, die Einwände der Klägerin zeigen keinen Rechtsfehler des Urteils auf. Das jüngere Urteil des Europäischen Gerichtshofs betreffe nicht die Qualität der Berufsausbildung als Einstellungsvoraussetzung. Das ältere Urteil beantwortete in einem Fall, in dem einerseits Ärzte, andererseits Psychologen in einer österreichischen Gebietskrankenkasse anscheinend gleiche Tätigkeiten auszuüben hatten, die Vorlagefrage damit, dass eine gleiche Arbeit im Sinne des (damaligen) Artikels 119 EWGVtr oder der Richtlinie EWGRL 117/75 nicht vorliege, wenn eine gleiche Tätigkeit über einen erheblichen Zeitraum von Arbeitnehmern mit unterschiedlicher Berufsberechtigung ausgeübt werde (EuGH, Urteil vom 11.05.1999 – C-309/97 – juris Rn. 23). Der Europäische Gerichtshof hatte in der Begründung dieser Antwort darauf abgestellt, dass die als Psychotherapeuten beschäftigten Psychologen und Ärzte zwar eine anscheinend identische Tätigkeit ausübten, sich jedoch bei der Behandlung ihrer Patienten auf in sehr verschiedenen Fachrichtungen erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten stützten, die bei den einen auf einem Psychologiestudium und bei den anderen auf einem Medizinstudium beruhten. Weiter führte der Europäische Gerichtshof das Argument des vorlegenden Gerichts an, dass zwar Ärzte wie Psychologen konkret eine psychotherapeutische Arbeit ausübten, die Ärzte jedoch berechtigt seien, auch andere Tätigkeiten in einem anderen Bereich auszuüben, der den Psychologen, die nur eine Tätigkeit als Psychotherapeut ausüben könnten, nicht offenstehe (EuGH, Urteil vom 11.05.1999 – C-309/97 – juris Rn. 20). Angesichts dieser europarechtlichen Vorgaben verfange nicht das Argument der Klägerin, wonach im Verlauf eines Berufslebens die Ausbildung (das Studium) immer weniger prägend für die aktuell ausgeübte Tätigkeit sei. Die Klägerin gehe in ihrer Zulassungsbegründung außerdem mit keinem Wort auf die anderen Bereiche ein, die im Laufbahnzweig der Studienrätin und des Studienrats im Wege der Beförderung erreicht werden könnten (§ 11 BLVO) und einer Beamtin im Laufbahnzweig der Lehrerin – mit fachwissenschaftlicher Ausbildung in zwei Fächern – (§ 9 BLVO) nicht offenstehe. 

Die Klägerin war der Auffassung, es sei nicht einfach zu entscheiden, ob die unterschiedliche besoldungsrechtliche Behandlung von Lehrern mit unterschiedlicher Vorbildung, aber gleicher Tätigkeit gegen höherrangiges Recht verstoße oder mit Europarecht unvereinbar sei. 

Das OVG entschied, damit werde von der Klägerin nach keiner Auffassung besondere Schwierigkeiten der Rechtssache aufgezeigt. Soweit die Klägerin auf deutsches Verfassungsrecht ziele, sei die Frage, wie dargestellt, vom Bundesverfassungsgericht längst entschieden. Soweit die Klägerin das Recht der Europäischen Union in den Blick nehme, führe sie über ihre knappen Ausführungen zu zwei Urteilen des Europäischen Gerichtshofes hinausgehend keine besonderen Schwierigkeiten vor Augen. Aus den beiden Urteilen ergebe sich, wie dargelegt, nicht das Verbot unterschiedlicher Besoldung bei gleicher Tätigkeit und unterschiedlicher Vorbildung. Die Klägerin erläutere in ihrer Zulassungsbegründung nicht, welchen fallbezogenen Aspekten der Senat vor dem Hintergrund der zitierten Urteile des Europäischen Gerichtshofs in einer Berufungsverhandlung nachgehen müsse. 


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BVerwG, Beschl. vom 24.07.2024 - 2 A 1.24 -  

Allgemeines Beamtenrecht: Gerichtszuständigkeit 

Leitsatz 

Eine Zuständigkeit "verschiedener Gerichte" i. S. d. § 53 Abs. 1 Nr. 3 VwGO besteht nicht, wenn das Prozessrecht eine widerspruchsfreie Zuweisung der örtlichen Zuständigkeit beinhaltet. 

 

Der in Forst, Brandenburg, wohnhafte Kläger stand bis zu seiner von ihm beantragten Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf im Dienst des Landes Brandenburg. Er durchlief eine Ausbildung für die Laufbahn des gehobenen Vollzugs- und Verwaltungsdienstes bei Justizvollzugsanstalten. Die theoretische Laufbahnausbildung fand an der Fachhochschule für Rechtspflege Nordrhein-Westfalen statt. Mit Bescheid vom 27.10.2022 teilte das Landesjustizprüfungsamt Nordrhein-Westfalen (LJPA NW) dem Kläger das Nichtbestehen seiner Laufbahnprüfung mit. Zur weiteren Ausbildung werde er für weitere neun Monate in den Vorbereitungsdienst zurückverwiesen. Der Widerspruch hiergegen blieb erfolglos. Die Klage ist beim Verwaltungsgericht Düsseldorf anhängig. Nach Anhörung der Beteiligten zu einer beabsichtigten Verweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht Cottbus hat der Beklagte beim Bundesverwaltungsgericht einen Antrag auf Bestimmung des zuständigen Verwaltungsgerichts gestellt. 

Das Bundesverwaltungsgericht lehnte den Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts ab. Zwar sei das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) für den Antrag zuständig, weil die vom Beklagten als möglicherweise zuständig betrachteten Verwaltungsgerichte Cottbus und Düsseldorf in verschiedenen Bundesländern ansässig seien und das Bundesverwaltungsgericht damit das gemeinsame nächsthöhere Gericht sei (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 02.07.2019 - 1 AV 2.19 - juris Rn. 2 und vom 28.11.2022 - 10 AV 2.22 - juris Rn. 2). Die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 Satz 1 VwGO seien jedoch nicht erfüllt. 

Nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 VwGO werde, sofern sich der Gerichtsstand nach § 52 VwGO richte, das zuständige Gericht innerhalb der Verwaltungsgerichtsbarkeit allerdings nur dann durch das nächsthöhere Gericht bestimmt, wenn verschiedene Gerichte in Betracht kommen. Dies sei nicht der Fall, wenn lediglich rechtliche Zweifel über die Zuständigkeit bestehen, die durch Auslegung der Zuständigkeitsregelungen beseitigt werden können (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 12.10.2010 - 2 AV 1.10 - juris Rn. 4, vom 01.06.2011 - 2 AV 1.11 - juris Rn. 4 und vom 18.04.2019 - 2 AV 1.19 - Buchholz 310 § 52 VwGO Nr. 42 Rn. 6).Das Prozessrecht beinhalte eine widerspruchsfreie Zuweisung der örtlichen Zuständigkeit. Örtlich zuständiges Gericht sei nach § 52 Nr. 4 Satz 2 VwGO das Verwaltungsgericht Düsseldorf, in dessen Bezirk das LJPA NW seinen Sitz habe. 

Für die Klage aus einem früheren Beamtenverhältnis richte sich der Gerichtsstand nach § 52 Nr. 4 VwGO. Nach dessen Satz 1 sei für alle Klagen aus einem gegenwärtigen oder früheren Beamtenverhältnis das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Kläger oder Beklagte seinen dienstlichen Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Wohnsitz habe. Satz 2 enthalte hiervon eine Ausnahme insofern, als der Sitz der Behörde innerhalb des Gerichtsbezirks maßgebend sein soll, wenn der Kläger keinen dienstlichen oder bürgerlichen Wohnsitz innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Behörde habe, die den ursprünglichen Verwaltungsakt erlassen habe. Die Regel (§ 52 Nr. 4 Satz 1 VwGO) gelte dann, wenn nicht die Ausnahme (§ 52 Nr. 4 Satz 2 VwGO) zutreffe. Die grundsätzliche Anknüpfung des Gerichtsstands an den Wohnsitz des Klägers entfalle demnach, wenn der Kläger keinen dienstlichen Wohnsitz und keinen Wohnsitz im Zuständigkeitsbereich der Behörde habe (vgl. u.a. BVerwG, Urteil vom 11. Juni 1981 - 2 ER 401.81 - Buchholz 310 § 52 VwGO Nr. 22 S. 4). 

Maßgeblicher Bezugspunkt sei nach § 83 Satz 1 VwGO i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG der Zeitpunkt der Klageerhebung (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10.01.2023 - 2 A 4.22 - juris Rn. 15 und vom 05.02.2024 - 1 AV 1.23 - juris Rn. 7). Ob anderes gelten müsse, wenn gerade diejenige Maßnahme im Streit stehe, die den dienstlichen Wohnsitz betreffe (vgl. hierzu etwa VG Frankfurt [Oder], Beschluss vom 23.02.2022 - 2 L 418/21 - juris Rn. 4 einerseits sowie VG Karlsruhe, Beschluss vom 10.10.2022 - 6 K 3097/22 - juris Rn. 4 ff. anderseits), bedürfe vorliegend keiner Entscheidung. Anders als im Fall der Feststellung eines endgültigen Nichtbestehens der Laufbahnprüfung, das zu einer Entlassung aus dem Beamtenverhältnis kraft Gesetzes (vgl. § 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LBG BB) und in der Folge zu einem Wegfall des dienstlichen Wohnsitzes führe, lasse die streitgegenständliche Verfügung das Beamtenverhältnis und den dienstlichen Wohnsitz des Klägers unberührt. 

Zum Zeitpunkt der Klageerhebung im November 2023 habe der Kläger gleichwohl nicht mehr über einen dienstlichen Wohnsitz verfügt, weil er - auf eigenen Antrag - aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf entlassen worden sei (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.10.2001 - 2 C 37.00 - juris Rn. 12). Der Kläger habe auch keinen bürgerlichen Wohnsitz innerhalb des Zuständigkeitsbereichs des LJPA NW gehabt. 

Zudem nehme das LJPA NW keine Zuständigkeiten über die Grenzen des Landes Nordrhein-Westfalen hinaus wahr und es stehe ihm nicht das Recht zum Erlass eines Verwaltungsakts für den Bezirk eines anderen Bundeslandes zu (vgl. § 52 Nr. 3 VwGO; s. auch Redeker/von Oertzen, VwGO, 17. Aufl. 2022, § 52 Rn. 15; Schenk, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand März 2023, § 52 Rn. 33). 

Dies stimme mit Sinn und Zweck des § 52 Nr. 4 VwGO überein. Denn mit Blick auf den föderativen Staatsaufbau der Bundesrepublik Deutschland sei die Verwaltungsgerichtsbarkeit grundsätzlich als Landesgerichtsbarkeit ausgestaltet. Dies schließe es im Grundsatz aus, dass über die Verwaltungstätigkeit eines Landes im Zusammenhang mit Dienstverhältnissen i. S. d. § 52 Nr. 4 Satz 1 VwGO Gerichte eines anderen Landes befinden (vgl. u.a. BVerwG, Beschluss vom 05.02.2024 - 1 AV 1.23 - NVwZ 2024, 844 = juris jeweils Rn. 12). Vor diesem Hintergrund trete die zugunsten des Beamten bestehende (weitere) gesetzgeberische Zielvorstellung, dass dieser die "Klage bei einem Gericht anbringen kann, das für ihn leicht erreichbar ist" (vgl. BT-Drs. 3/1094 S. 6 zu § 53 VwGO), zurück. 

Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Düsseldorf ergebe sich auch nicht aus dem gegenüber § 52 Nr. 4 VwGO subsidiären § 52 Nr. 3 VwGO. Denn § 52 Nr. 4 VwGO sei weit zu verstehen und umfasse auch die auf die Entstehung oder den Fortbestand des Beamtenverhältnisses bezogenen Prüfungen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.01.2023 - 2 A 4.22 - NVwZ 2023, 511 = juris jeweils Rn. 15). 


Link zur Entscheidung: BVerwG, Beschl. vom 24.07.2024 - 2 A 1.24 - 

 

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BVerwG, Beschl. vom 24.07.2024 - 2 VR 5.23 - 

Vorverwendung mit Führungsfunktion 

Leitsatz 

Stellt der Dienstherr Anforderungen auf, die zwingend für die weitere Berücksichtigung im Auswahlverfahren sind, müssen diese Vorgaben den Maßstäben aus Art. 33 Abs. 2 GG entsprechen. Bei der "förderlichen" Vergabe eines Dienstpostens mit Führungsaufgaben für mehrere Sachgebiete (hier: Referatsleiter beim Bundesnachrichtendienst) kann die Forderung nach einer ausreichenden Verwendungsbreite gerechtfertigt sein (hier: mindestens zwei Sachgebietsleiter-Dienstposten mit einer Gesamtzeit von vier Jahren). 

 

Der Antragsteller, ein Regierungsdirektor (Besoldungsgruppe A 15 BBesO), beansprucht vorläufigen Rechtsschutz gegen die "förderliche" Vergabe eines höherwertigen, der Besoldungsgruppe A 16 BBesO zugeordneten, Dienstpostens im Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes (BND). 

Der BND schrieb am Dienstort Berlin den mit der Besoldungsgruppe A 16 BBesO bewerteten Dienstposten des Leiters des Referats ... ausschließlich für Beamte in einem Statusamt der Besoldungsgruppe A 15 BBesO "förderlich" aus (...). Die Ausschreibung nennt als konstitutive Anforderungen u. a. die "Bewährung in mindestens zwei unterschiedlichen, jeweils regelbeurteilten A 15-Führungsverwendungen, mindestens als Sachgebietsleiter mit einer Gesamtdauer von mindestens vier Jahren oder in mindestens einer regelbeurteilten A 15-Führungsverwendung mindestens als Sachgebietsleiter mit einer Mindestdauer von zwei Jahren und einer weiteren (regel)beurteilten A 15-Verwendung von mindestens zwei Jahren in einer obersten Bundesbehörde oder einer A 15-Verwendung als Residenturleiter". 

Die Bewerbung des Antragstellers wurde im Auswahlverfahren nicht weiter berücksichtigt, weil er nicht die konstitutiven Anforderungen im Hinblick auf die Verwendungsbreite erfüllte. 

Er hatte die Leitung des Sachgebiets bei ... lediglich für den Zeitraum vom 15. November 2020 bis zum 14. April 2021 wahrgenommen. Es handelte sich damit nicht um eine regelbeurteilte A 15-Führungsverwendung über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten. Ferner habe er zwar vom 15. April 2021 bis zum 31. Mai 2022 eine A 15-Referententätigkeit im ... wahrgenommen. Die Aufnahme der Tätigkeit als Sachgebietsleiter seit 1. Juni 2022 war aber erst nach dem letzten Regelbeurteilungsstichtag am 1. Juni 2021 erfolgt, daher konnte der Antragsteller noch keine regelbeurteilte A 15-Führungsverwendung vorweisen. 

Gegen die Auswahlentscheidung für den Beigeladenen hat der Antragsteller Widerspruch erhoben und einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) gestellt. 

Das BVerwG hält einen Anordnungsgrund des Antragstellers i. S. v. § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO für den begehrten Erlass einer einstweiligen Anordnung für gegeben. Denn die von der Antragsgegnerin getroffene Auswahlentscheidung für die Dienstpostenvergabe könne die Rechtsstellung des Antragstellers aus Art. 33 Abs. 2 GG beeinträchtigen, weil sie Vorwirkungen auf die nachfolgende Vergabe von Statusämtern entfalten könne (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013 - 2 VR 1.13 - BVerwGE 147, 20 Rn. 14 ff. m. w. N.). Der von der Antragsgegnerin zur Nachbesetzung vorgesehene und mit der Besoldungsgruppe A 16 BBesO bewertete Dienstposten stelle für den Antragsteller, der ein Amt der Besoldungsgruppe A 15 BBesO innehabe, einen höherwertigen Dienstposten dar. Die Übertragung schaffe daher die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für eine spätere Beförderung (§ 22 Abs. 2 BBG; vgl. zur ämtergleichen Umsetzung dagegen BVerwG, Urteil vom 19.11.2015 - 2 A 6.13 - BVerwGE 153, 246 Rn. 18). Diese Vorwirkung sei mit der bewusst "förderlichen" Besetzung des Dienstpostens durch Beamte mit einem Statusamt der niedrigeren Besoldungsgruppe A 15 BBesO von der Antragsgegnerin auch beabsichtigt. 

Das BVerwG entschied ferner dem Antragsteller stehe aber der Anordnungsanspruch für die beantragte einstweilige Anordnung nicht zu. Er habe nicht glaubhaft gemacht, dass durch die Besetzung des ausgeschriebenen Dienstpostens mit dem Beigeladenen die Verwirklichung eigener Rechte vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO). 

Unter anderem überschreite die vom BND für die "förderliche" Vergabe eines Dienstpostens der Besoldungsgruppe A 16 BBesO grundsätzlich geforderte Gesamtzeit von vier Jahren zum Nachweis einer ausreichenden Vorverwendungsbreite nicht die Grenzen des dem Dienstherrn auch insoweit zustehenden Gestaltungsspielraums. Nach der Rechtsprechung des Senats dürften derartige Warte- oder Stehzeiten grundsätzlich nicht länger bemessen sein, als es typischerweise erforderlich sei, um für die anzustellende Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Bewährung des Bewerbers in dem höheren Statusamt die erforderliche Grundlage zu schaffen. Dabei werde der für eine Regelbeurteilung vorgesehene Zeitraum regelmäßig als Obergrenze angesehen (für die Laufbahn des mittleren Dienstes, BVerwG, Urteil vom 28.10.2004 - 2 C 23.03 - BVerwGE 122, 147 <151 f.> und Beschluss vom 25.10.2011 - 2 VR 4.11 - juris Rn. 35). 

Im Gegensatz zu früheren Beurteilungsbestimmungen sehe die derzeit geltende Beurteilungsrichtlinie des BND vom 18. Dezember 2019 für eine Regelbeurteilung nicht mehr den Zeitraum von drei, sondern lediglich den Zeitraum von zwei Jahren vor. Der für die Vorverwendungsbreite grundsätzlich geforderte Gesamtzeitraum von vier Jahren entspreche daher dem Zeitraum von zwei Regelbeurteilungen. Diese Vorgabe sei angesichts der beim BND wahrzunehmenden Aufgaben noch gerechtfertigt. Beim BND existiere eine Vielzahl von Dienstposten mit sehr unterschiedlichen Anforderungen. In der hier relevanten Laufbahngruppe des höheren Dienstes seien die Dienstposten in den nachrichtendienstlichen Kernbereichen Auswertung und Beschaffung sowie in Stabsfunktionen regelmäßig mit mehreren Laufbahnen unterlegt. Die Dienstposten können dementsprechend mit Angehörigen der Laufbahn des nichttechnischen Verwaltungsdienstes, der Laufbahn des technischen Verwaltungsdienstes, der Laufbahn des sprach- und kulturwissenschaftlichen Dienstes, der Laufbahn des naturwissenschaftlichen Dienstes sowie der Laufbahn des ärztlichen und des gesundheitswissenschaftlichen Dienstes besetzt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2021 - 2 A 1.21 - Buchholz 232.1 § 50 BLV Nr. 8 Rn. 27 ff.). Dementsprechend vielfältig sei die akademische Ausbildung der Bewerber (etwa Mediziner, Elektroingenieur, Soziologe, Volkswirt, Physiker oder Jurist). Allein die Qualifikation der Laufbahnbefähigung gewährleiste deshalb keine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung. 

Das Erfordernis einer breiten Vorverwendung ergebe sich dabei insbesondere für die Aufgabe des Referatsleiters, die beim BND den Statusämtern der Besoldungsgruppe A 16 BBesO zugeordnet sei. Denn der Referatsleiter trage die Verantwortung für mehrere Sachgebiete und müsse daher in der Lage sein, diese zu führen. Demgegenüber sei die Tätigkeit auf einem Dienstposten als Sachgebietsleiter (in der Laufbahngruppe des höheren Dienstes beim BND den Statusämtern der Besoldungsgruppe A 15 BBesO zugeordnet) davon geprägt, dass der jeweilige Inhaber des Dienstpostens neben der Führungsfunktion auch Fachaufgaben zu erledigen habe. Für die Tätigkeit als Sachgebietsleiter setze der BND deshalb als vorherige Verwendung eine zweijährige Tätigkeit im nachrichtendienstlichen Kernbereich voraus, die die bereits bei Dienstantritt als Sachgebietsleiter vorausgesetzte vertiefte Fachkompetenz belegen soll. Sei die Tätigkeit auf dem Dienstposten eines Referatsleiters dagegen auf die ausschließliche Wahrnehmung von Führungsaufgaben des Referats ausgerichtet, sei die Einschätzung des BND, die Bewertung der Eignung eines Bewerbers für die Wahrnehmung von Führungsaufgaben eines Referatsleiters beruhe erst dann auf einer ausreichenden tatsächlichen Grundlage, wenn der Betreffende auf zwei Sachgebietsleiter-Dienstposten verschiedener Referate für eine ausreichend lange Zeit tätig gewesen sei und sich bewährt habe, nicht zu beanstanden. Denn die Wahrnehmung von Führungsfunktionen, auf die es für die Referatsleitung entscheidend ankomme, mache nur einen Teil der Tätigkeit eines Sachgebietsleiters aus. Die Forderung, dass die Vorverwendung "regelbeurteilt" ist, stelle sicher, dass diese Tätigkeit von ausreichender Dauer war, sodass sie bei der dienstlichen Beurteilung zu berücksichtigen sei (mindestens sechs Monate). Das weitere Merkmal der "Bewährung" mache deutlich, dass es nicht lediglich auf die bloße Tätigkeit auf dem Dienstposten ankomme (bloße Stehzeit), sondern eine bestimmte Note (mindestens Normalleistung) vorausgesetzt sei. 

Es könne den Vorgaben des BND hinsichtlich der Verwendungsbreite von Bewerbern auch nicht entgegengehalten werden, diese seien in sich widersprüchlich, weil für die der Referatsleitung übergeordnete Ebene (Direktor beim Bundesnachrichtendienst, Besoldungsgruppe B3 BBesO) als Vorverwendung lediglich die Bewährung in einer regelbeurteilten "A 16-Führungsverwendung" mindestens auf der Funktionsebene der Referatsleitung mit einer Mindestdauer von zwei Jahren vorausgesetzt werde. Denn die Reduzierung der Anforderungen gegenüber der Ebene der Besetzung des Dienstpostens der Referatsleitung sei dadurch gerechtfertigt, dass bereits die Tätigkeit auf diesem Dienstposten durch die ausschließliche Wahrnehmung von Führungsaufgaben geprägt sei und deshalb die Verwendung für die Dauer von zwei Jahren eine ausreichende Grundlage für die Prognose hinsichtlich der Eignung für das nächsthöhere Statusamt ausreiche. 

Der Antragsteller erfülle die zulässigen Anforderungen an die Vorverwendung jedoch nicht. 

Nach Aktenlage sei der Antragsteller lediglich vom 14.11.2020 bis zum 28.02.2021, vom 01.06.2022 bis zum 31.10.2022 sowie vom 01.11.2022 bis Anfang Juni 2023 (Auswahlentscheidung) als Sachgebietsleiter eingesetzt gewesen. Dies erfülle die Voraussetzungen einer mindestens vierjährigen Vorverwendung als Sachgebietsleiter nicht. Die davon abweichende Darstellung des Antragstellers, er sei vom 01.04.2019 bis zum 28.02.2021 als "Sachgebietsleitung T..." tätig gewesen, beruhe auf einem entsprechenden Eintrag in der Regelbeurteilung zum Stichtag 01.06.2021. Dies betreffe allerdings die Bewertung der Tätigkeit als Leiter der in der damaligen Unterabteilung eingerichteten Projektgruppe ... Die Leitung dieser "Projektgruppe" sei im Hinblick auf die Anforderungen allerdings nicht zu berücksichtigen. Die Projektgruppe sei vom Leiter der früheren Unterabteilung des BND lediglich kraft seines Direktionsrechts eingerichtet worden; dieser habe den Antragsteller mit der Leitung dieser Gruppe beauftragt. Unerheblich sei, dass die dienstliche Tätigkeit des Antragstellers in dieser "Projektgruppe" in dienstlichen Beurteilungen von den Beurteilern stellenweise der Leitung eines Sachgebiets ("quasi Sachgebietsleiter") gleichgestellt worden sei. Denn die genannte Förderrichtlinie des BND könne ihre Funktion nur erfüllen, wenn sie im Geschäftsbereich des BND einheitlich angewendet werde und die dortigen Kategorien für die dienstliche Verwendung der Bediensteten beachtet werden (Leitung eines Sachgebiets als kleinste Organisationseinheit des Dienstes, Referatsleitung, Dienst in einer obersten Bundesbehörde oder Dienst als Leiter einer Residentur). 

 

 Link zur Entscheidung: BVerwG, Beschl. vom 24.07.2024 - 2 VR 5.23 - 


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OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.07.2024 - 4 L 9/24 - 

Streitwert in einer beamtenrechtlichen Konkurrentenklage 

Leitsatz 

Der Streitwert einer beamtenrechtlichen Konkurrentenklage bemisst sich nach § 52 Abs 6 S. 1 Nr. 1 und S. 4 GKG (juris: GKG 2004). Die Beschränkung auf ein Neubescheidungsbegehren bewirkt keine weitere Reduktion. 

 

Das BVerwG wies die Streitwertbeschwerde des Beklagten als unbegründet zurück. Das Verwaltungsgericht habe den Streitwert zu Recht auf bis zu 65.000 Euro festgesetzt. 

Es entspreche der Rechtsprechung des Senats, in Hauptsachen, in denen das Klagebegehren – wie hier der Sache nach – auf die Neubescheidung eines Beförderungsbegehrens bzw. einer Bewerbung um einen höherwertigen Dienstposten gerichtet sei, den Streitwert nach § 52 Abs. 6 GKG mit der Hälfte der in dem angestrebten Amt für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge zu bemessen. Maßgeblich seien § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 und Satz 4 GKG. Eine weitere Verringerung entsprechend der Empfehlung des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31. Mai/1. Juni 2012 und 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen (abgedruckt bei Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl. 2023, Anh § 164 Rn. 14) nehme der Senat nicht vor (Beschluss vom 10. Januar 2018 – OVG 4 L 32.17 – juris mit ausführlicher Begründung). Der auf der Grundlage der von dem Beklagten mitgeteilten Jahresbeträge danach berechnete Streitwert bewege sich in der Tabelle nach Anlage 2 zu § 34 Abs. 1 Satz 3 GKG im Spannwert von über 50.000 bis 65.000 Euro. 

Ziel der Klage sei hier entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht die Untersagung der Ernennung von konkurrierenden Personen bis zur endgültigen Entscheidung über die eigene Bewerbung gewesen. Dieses Ziel sei von der Klägerin in einem gesonderten vorläufigen Rechtsschutzverfahren zu verfolgen. In diesen auf einen vorläufigen Stopp des Stellenbesetzungsverfahrens gerichteten Konkurrenteneilverfahren nach § 123 VwGO bemesse der Senat den Streitwert – unabhängig von der Streitwertfestsetzung im Hauptsacheverfahren (vgl. Beschluss vom 12. September 2013 – OVG 4 L 23.13 – juris Rn. 4) – mit 5.000 Euro. 


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OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.07.2024 - 10 N 93/21 - 

Auslandseinsatz als Voraussetzung für die Feststellung der Bewährung in der Probezeit für den gehobenen auswärtigen Dienst / Voraussetzungen für besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) 

Bei diesem Verfahren handelte es sich um einen Antrag auf die Zulassung der Berufung. Die Klägerin erstrebte die Feststellung, dass das Ausbleiben ihrer Lebenszeiternennung im gehobenen Auswärtigen Dienst der Beklagten rechtswidrig gewesen sei. Die Klägerin hatte im Widerrufsbeamtenverhältnisses im Zeitraum Februar bis Oktober 2015 ein Auslandspraktikum bei einer Botschaft absolviert, danach wurde Sie im Probebeamtenverhältnis wegen des laufenden Studiums ihres Ehemannes allein im Inland eingesetzt. Nach einem Hinweis, Ihre Bewährung könne nur festgestellt werden, wenn auch eine Tätigkeit an einer Auslandsvertretung erfolgt sei, verlängerte der Dienstherr ihre Probezeit mit zwei Bescheiden jeweils um ein Jahr. Die Klage blieb erfolglos. 

Auch der Antrag auf Zulassung der Berufung hatte keinen Erfolg. Dem OVG zufolge legte der Zulassungsantrag keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts dar. 

Nach § 28 Abs. 5 BLV a. F könne die Probezeit verlängert werden, wenn die Bewährung wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls nicht bis zum Ablauf der regelmäßigen Probezeit abschließend festgestellt werden könne. Das VG habe ausgeführt, zur Eignung eines Beamten im Auswärtigen Dienst zähle zulässigerweise auch die Bereitschaft, sich für längere Zeit an eine Auslandsvertretung der Beklagten versetzen zu lassen. Diese habe bei der Klägerin bis zum Ablauf der regulären Probezeit noch nicht festgestellt werden können, da eine hinreichende Tatsachengrundlage für eine Bewährungsbeurteilung mangels eines Auslandseinsatzes in der Probezeit gefehlt habe. 

Gerade weil eine Einsatzbereitschaft im Ausland von den Lebenszeitbeamtinnen und -beamten des gehobenen Auswärtigen Dienstes zu verlangen sei, dürfe diese bereits in der Probezeit verlangt werden. Zum einen könne die für eine vollumfängliche Bewährung erforderliche Feststellung, wechselnde Anforderungen „der Laufbahn“ erfüllen zu können, nur dann getroffen werden, wenn diesen Anforderungen bereits in der Probezeit genügt worden sei.Zum anderen würde die vereinfachte Entlassungsmöglichkeit gem. § 34 Abs. 1 Nr. 2 BBG im Fall fehlender Bewährung eines Probebeamten ausgehöhlt, dürfte die mangels Auslandseinsatzbereitschaft fehlende Eignung für den gehobenen Auswärtigen Dienstes erst im Nachgang einer Lebenszeiternennung festgestellt werden. 

Zudem sei auch eine entsprechende Berücksichtigung ihres besonderen Falls erfolgt, indem die Beklagte sie nicht, wie im Regelfall, während der gesamten dreijährigen Probezeit auf einem Auslandsdienstposten eingesetzt, sondern ihr während des Studiums ihres Ehemannes einen Dienst im Inland ermöglicht habe und sich zudem nach dessen Abschluss mit einem kurzzeitigen Auslandseinsatz für die hier allein maßgebliche Bewährungsfeststellung begnügt hätte. 

Die Beklagte habe der Klägerin vor einer Verlängerung auch nicht zunächst einen konkreten Auslandsdienstposten zuweisen müssen. Zum einen habe die Klägerin keine Gewähr für eine Erfüllung der auf einem solchen Dienstposten wahrzunehmenden Aufgaben geboten. Zum anderen habe bereits die Verlängerung der Probezeit verdeutlicht, dass der Dienstherr eine Auslandsverwendung für unabdingbar hielt und dass die Klägerin dementsprechend eine Entscheidung treffen musste, ob sie dieser Anforderung künftig genügen oder – wie hier nachfolgend geschehen – in eine Inlandslaufbahn wechseln wolle. Damit erweise sich die Probezeitverlängerung nicht nur als das gegenüber einer Entlassung mildere Mittel, sondern auch als geeignet, um eine solche Entscheidung der Klägerin entweder für eine Auslandsverwendung zwecks Bewährungsfeststellung oder für eine Beendigung des Probebeamtenverhältnisses herbeizuführen. 

Die Berufung sei auch nicht, wegen der geltend gemachten besonderen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen. 

Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten seien gegeben, wenn die Rechtssache überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursache und sich diese auf Fragen beziehen, die für den konkreten Fall entscheidungserheblich seien. Dabei sei es zur Darlegung des Zulassungsgrundes erforderlich, dass die Fragen, in Bezug auf die sich solche Schwierigkeiten stellen, konkret bezeichnet werden. Ferner sei regelmäßig zu erläutern, worin die besondere Schwierigkeit bestehe. Ergebe sich die Schwierigkeit schon aus dem Begründungsaufwand des erstinstanzlichen Urteils, so genüge der Antragsteller seiner Darlegungslast indes mit erläuternden Hinweisen auf die einschlägigen Passagen des Urteils. Erblicke der Antragsteller die Schwierigkeiten des Falles hingegen darin, dass das Gericht auf bestimmte tatsächliche Aspekte nicht eingegangen sei oder notwendige Rechtsfragen nicht oder unzutreffend beantwortet habe, so habe er diese Gesichtspunkte in nachvollziehbarer Weise darzustellen und ihren Schwierigkeitsgrad plausibel zu machen (vgl. Beschlüsse des Senats vom 18.05.2022 – OVG 10 N 4/21 – juris Rn. 42 und vom 28.07.2023 – OVG 10 N 67.19 – juris Rn. 39, jeweils m.w.N.). 

Das sei hier nicht geschehen. Die Klägerin beschränke sich auf die Behauptung, besondere rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten ergäben sich hier aus der Frage, ob der Auslandsaufenthalt zwingende Voraussetzung für die Lebenszeiternennung eines Probebeamten im Auswärtigen Dienst sein dürfe. Zu deren Darlegung beschränke sie sich indes auf die Behauptung, dass die Frage nicht einfach zu beantworten und sei und sich nicht aus der bloßen Gesetzeslektüre ergebe und verweist im Übrigen lediglich auf ihre Ausführungen zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Eine solche Bezugnahme auf Ausführungen, die ihrerseits nicht hinreichend substantiiert seien, genüge auch in Ansehung einer aus der Strukturgleichheit der Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ggf. folgenden Reduzierung der Darlegungsanforderungen (dazu Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, Rn. 114 f. m.w.N.) nicht. 

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VG Berlin, Beschl. v. 09.07.2024 – 5 L 769/23 – 

Keine fiktive Nachschreibung der Beurteilung von an einem Auswahlverfahren beteiligten, vom Dienst freigestellten Brandschutzbeauftragten 

Leitsatz 
Ein Beamter ist auch dann regulär (und ich nicht im Wege der fiktiven Fortschreibung) dienstlich zu beurteilen, wenn er als Brandschutzbeauftragter vollständig vom Dienst freigestellt ist und im Rahmen seiner Aufgabe jedenfalls teilweise weisungsfrei handelt. 
 
Der Antragsteller, ein Polizeihauptmeister (Besoldungsgruppe A9mZ) im mittleren Dienst der Antragsgegnerin, wandte sich gegen seine Nichtberücksichtigung bei einer Beförderungsrunde der Bundespolizei. 2014 wurde er zum Brandschutzbeauftragten bestellt. Seit dem Juni 2018 ist der Antragsteller zur Durchführung seiner Tätigkeit als Brandschutzbeauftragter zu 100 Prozent von seinem Dienst freigestellt. Zum Stichtag 01.10.2019 beurteilte die Bundespolizeidirektion Berlin den Antragsteller im Wege einer fiktiven Fortschreibung der Beurteilung für den Zeitraum vom 01.10.2016 bis zum 30.09.2019 mit der Gesamtnote „B1“. Ende Januar 2022 wechselte der Antragsteller in die nächst höhere Laufbahn in das Amt eines Polizeikommissars im gehobenen Dienst (Besoldungsgruppe A9g). Der Antragsteller war weiterhin als Brandschutzbeauftragter vollständig vom Dienst freigestellt. Zum 01.10.2022 beurteilte die Bundespolizeidirektion Berlin den Antragsteller wiederum im Wege einer fiktiven Fortschreibung der Beurteilung für den Zeitraum vom 01.10.2019 bis zum 30.09.2022 mit der Gesamtnote „B2“. Hiergegen legte der Antragteller zunächst Widerspruch und dann Klage ein, über die noch nicht entschieden wurde. 
November 2023 teilte die Bundespolizeidirektion Berlin mit, es sei beabsichtigt, im Dezember 2023 85 Polizeivollzugsbeamte zum/zur Polizeioberkommissar/-in (Besoldungsgruppe A 10) zu befördern. Voraussetzung sei eine Beurteilung zum 01.10.2022 im Statusamt A9g mit der Gesamtnote „B1“ oder besser und vier mit der Note „B1“ oder besser bewertete, gewichtete Leistungsmerkmale. Im Gegensatz zu 82 anderen Polizeivollzugsbeamten war der Antragsteller war nicht zur Beförderung vorgesehen. 
Mit dem Beschluss des VG Berlin wurde dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig untersagt, eine Beförderungsplanstelle Polizeioberkommissar (Besoldungsgruppe A 10) aus der Beförderungsrunde zum Stichtag 01.10.2023 mit einer anderen Mitbewerberin oder einem anderen Mitbewerber zu besetzen, bevor über die Bewerbung des Antragstellers erneut entschieden wurde und zwei Wochen seit der Mitteilung dieser Entscheidung vergangen sind. 
Das VG führte aus, die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin verletze den Antragsteller in seinem Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes. Nach Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes habe jeder Deutsche nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Danach seien öffentliche Ämter nach Maßgabe des Leistungsgrundsatzes zu besetzen. Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes diene zum einen dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung des öffentlichen Dienstes. Zum anderen soll dem berechtigten Interesse des Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen Rechnung getragen werden. In dieser Hinsicht vermittele Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes ein grundrechtsgleiches Recht auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl nach Maßgabe von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Ein Bewerber um ein öffentliches Amt könne verlangen, dass seine Bewerbung nur aus Gründen zurückgewiesen wird, die durch den Leistungsgrundsatz gedeckt seien (sog. Bewerbungsverfahrensanspruch; vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.06.2013 - 2 VR 1/13 -, juris Rn. 20). Auskunft über die Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber um ein Beförderungsamt geben regelmäßig die dienstlichen Beurteilungen der Beamten. 
Das Auswahlverfahren erweise sich nach diesen Maßstäben im Hinblick auf den Antragsteller als rechtwidrig. Die Antragsgegnerin habe ihrer Auswahlentscheidung die fiktive Nachzeichnung der Regelbeurteilung des Antragstellers zum Stichtag 01.10.2022 zu Grunde gelegt. Diese sei jedoch rechtwidrig, weil für den Antragsteller anstelle einer fiktiven Nachzeichnung eine dienstliche Regelbeurteilung hätte erstellt werden müssen. 
Die an dem Grundsatz der Bestenauslese zu orientierende Auswahlentscheidung sei grundsätzlich anhand aktueller dienstlicher Beurteilungen zu treffen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.06.2013, a.a.O., Rn. 18, 21). 
Die fiktive Nachzeichnung der Beurteilung nach § 33 Abs. 1 BLV komme nicht in Betracht, da der Antragsteller keine dienstliche Tätigkeit wahrnehme, die funktionsbedingt weisungsfrei und deshalb einer Bewertung durch die Dienststelle nicht zugänglich sei (vgl. zu freigestellten Mitgliedern in Interessenvertretungen Lorse, Die dienstliche Beurteilung, 7. Auflage 2020, Rn. 90). 
Er sei in eine Hierarchie eingebunden und seine Tätigkeit könne bewertet werden. Zudem würden weder seine rechtliche Stellung noch sein Aufgabenkreis eine fiktive Nachzeichnung gebieten. Die Weisungsgebundenheit führe wiederum dazu, dass der Dienststellenleiter die Ausführung der Weisungen durch den Antragsteller beurteilen und bewerten könne. 
Entscheidend sei, dass die Aufgabenerfüllung des Antragstellers einer dienstlichen Beurteilung zugänglich sei. Dies gelte beispielsweise sowohl für die Frage, ob und ggf. in welchem Zeitraum der Antragsteller eine Brandschutzordnung erarbeitet habe, als auch hinsichtlich der Organisation und Überwachung etwaiger Brandschutzmaßnahmen bzw. der Anweisung und Überwachung der Beseitigung von brandschutztechnischen Mängeln. Auch Inhalt, Art und Weise der Beratung der Dienststelle in Fragen des Brandschutzes könne bewertet werden. Gleiches gelte für Unterweisungen der Beschäftigten, der Ausbildung von Brandschutzhelfern/innen und des Kontakthaltens zur zuständigen Feuerwehr. Bei der Erfüllung seiner Aufgaben dürften auch soziale und kommunikative Fähigkeiten des Antragstellers offenbar werden, die sich gegebenenfalls ebenfalls beurteilen ließen. 
Dieser Verstoß könne sich auf die Erfolgsaussichten der Bewerbung des Antragstellers auswirken. Ausreichend für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach einem festgestellten Fehler im Auswahlverfahren sei, dass ein Erfolg des Antragstellers bei einem rechtsfehlerfreien Verlauf des Auswahlverfahrens zumindest ernsthaft möglich erscheine (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 02.10.2007 - 2 BvR 2457/04 -, juris Rn. 11 m.w.N.). Diese Voraussetzung sei vorliegend erfüllt. Die Auswahl des Antragstellers im Rahmen einer neuen Auswahlentscheidung erscheine ernsthaft möglich, da offen sei, mit welchem Gesamturteil er im Rahmen einer dienstlichen Regelbeurteilung beurteilt werde. 
Der Antragsteller habe auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Er sei auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes angewiesen, um einen endgültigen Rechtsverlust zu verhindern (vgl. BVerwG, Urteile vom 04.11.2010 - 2 C 16/09 -, juris Rn. 31 ff. und vom 13.12.2018 - 2 A 5/18 -, juris Rn. 24). Der Anordnungsgrund entfalle vorliegend auch nicht deshalb, weil die Antragsgegnerin mitgeteilt habe, von den 85 Beförderungsstellen seien mit der Beförderungsrunde nur 82 Stellen besetzt worden. Eine Beförderungsstelle werde für den Antragsteller freigehalten. Denn die Antragsgegnerin habe das Freihalten der Stelle nur bis zum Abschluss des Eilverfahrens und nicht etwa bis zu einem rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zugesichert (vgl. zu den Voraussetzungen, unter denen ein Anordnungsgrund aufgrund einer „freigehaltenen“ Planstelle entfallen kann, VG Berlin, Beschluss vom 21.06.2024 - 5 L 782/23 -, Entscheidungsabdruck Seite 3 f.). 
Der Antragsteller könne jedoch nicht beanspruchen, dass der Antragsgegnerin die Besetzung der Stelle mit einem Mitbewerber oder einer Mitbewerberin bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren untersagt werde. Insoweit bestehe kein Anordnungsgrund. Sollte die zu treffende neue Entscheidung über seine Bewerbung erneut zu seinen Ungunsten ausgehen, sei es ihm möglich und zumutbar, innerhalb einer Frist von zwei Wochen erneut um gerichtlichen Eilrechtsschutz nachzusuchen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.06.2012 - 6 S 49/11 -, juris Rn. 45). Daher sei sein Antrag insoweit abzulehnen gewesen. 
 

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OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 28.06.2024 - 10 S 10/24 

Gebot der Herabsetzung der Einzelmerkmalsbewertung bei Herabsetzung des Gesamturteils durch Zweitbeurteiler, ansonsten unzulässiger Austausch der Grundlagen der Gesamtbewertung durch nachträgliche Herabstufung 

Leitsätze 

1. Setzt der Zweitbeurteiler das von dem Erstbeurteiler vergebene Gesamturteil einer dienstlichen Beurteilung herab, weil er die Einzelmerkmale teilweise schlechter bewertet als der Erstbeurteiler, muss er auch die Bewertung der jeweiligen Einzelmerkmale in der Beurteilung herabsetzen. 

2. Eine nachträgliche Herabstufung der Bewertung von Einzelmerkmalen ist keine Intensivierung der schon in der dienstlichen Beurteilung enthaltenen Begründung, sondern ein unzulässiger Austausch der Grundlagen der Gesamtbewertung. 

 

In diesem Verfahren hatte die Antragsgegnerin Beschwerde eingelegt gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin, in welcher der Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung untersagt wurde, den in ihrer Hausmitteilung vom 20.03.2023 ausgeschriebenen Dienstposten einer Referatsleitung Referat L22 „Öffentlichkeitsarbeit/Bürgerdialog“ mit der Beigeladenen zu besetzen, bevor über die Bewerbung des Antragstellers erneut entschieden wurde und zwei Wochen seit der Mitteilung dieser Entscheidung vergangen sind. 

Die Antragsgegnerin wendet sich gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Zweitbeurteilung des Antragstellers nicht hinreichend begründet sei. Sie meint, die Argumentation des Verwaltungsgerichts sei nicht schlüssig. 

Das OVG führte zunächst aus, dass VG habe das Urteil des BVerwGs vom 01.03.2018 Rn. 48 korrekt als Rechtsprechungsnachweis angegeben für die allgemeine Feststellung, dass dienstliche Beurteilungen zu begründen seien und die – richtige – Begründung des Gesamturteils schon in der dienstlichen Beurteilung selbst zu erfolgen habe. Zu Recht sei es ferner davon ausgegangen, das Begründungserfordernis gelte auch für den Zweitbeurteiler, wenn er von der Bewertung des Erstbeurteilers abweichen möchte. Erst- und Zweitbeurteilung würden durch ein abschließendes, allein in der Verantwortung des Zweitbeurteilers stehendes Gesamturteil miteinander untrennbar „verklammert“. Das ergebe sich aus Ziffer 5.1.8 der Dienstvereinbarung über die Beurteilung der Beamtinnen/Beamten und Tarifbeschäftigten des Bundesministeriums k... (DV Beurteilung 2010 in der bis zum 31. Dezember 2022 geltenden Fassung). Danach fertigen die Zweitbeurteiler eigenverantwortlich (entsprechend der Diskussion in der Beurteilungskonferenz) die schriftlichen Beurteilungen aus und legen verbindlich die jeweilige Gesamtbewertung fest. Hierbei handele es sich um ein eigenständiges, ganzheitliches Werturteil in Abwägung bzw. Gewichtung der Bewertungen der Erstbeurteilung (vgl. auch BVerwG, Beschl. vom 29.08.2023 – 1 WB 60.22 – juris Rn. 28). Die erforderliche Begründung des Gesamturteils müsse die von dem Zweitbeurteiler abschließend erteilte Gesamtnote tragen. Der Zweitbeurteiler müess sicherstellen, dass seine Beurteilung und die Reste der Erstbeurteilung zusammenpassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.12.2008 – 2 A 7.07 – juris Rn. 23 und Beschl. vom 29.08. 2023 – 1 WB 60.22 – juris Rn. 61, 63 f.). 

Ferner habe das VG entgegen der Darstellung der Antragsgegnerin nicht die Ansicht vertreten, dass die Anforderungen an die Abweichungsbegründung in einer dienstlichen Beurteilung bei substanziierten Einwänden gegen die Beurteilung steigen. Das werde an seiner nachfolgenden Formulierung deutlich, der Dienstherr müsse auf substanziierte Einwände des Beamten hin allgemeine Feststellungen erläutern, konkretisieren und dadurch plausibel machen, „was auch im gerichtlichen Verfahren geschehen“ könne. Der letzte Halbsatz zeige, dass sich diese Ausführungen nicht auf die Begründung in der dienstlichen Beurteilung beziehen, sondern auf nachträgliche Plausibilisierungen, also auf Erläuterungen des Dienstherrn als Reaktion auf das Vorbringen des betroffenen Beamten gegen den Inhalt einer bereits erstellten (abgefassten) dienstlichen Beurteilung. 

Die Antragsgegnerin versäume es, sich mit der maßgeblichen Argumentation des Verwaltungsgerichts auseinanderzusetzen, mangels einer Vorgabe für die Gewichtung der Einzelkriterien sei eine Begründung der Gewichtung notwendig; eine nachträgliche Korrektur der Einzelkriterien erläutere aber nicht in ausreichendem Maß die Verschlechterung der Gesamtbewertung, wenn die Zweitbeurteilerin sich zuvor der Bewertung des Erstbeurteilers „im Wesentlichen“ angeschlossen habe. Durch die nunmehr vorgetragene Abänderung der Bewertung der Einzelkriterien durch die Zweitbeurteilerin werde die vorhandene Begründung nicht intensiviert, vielmehr argumentiere die Zweitbeurteilerin gegensätzlich zu ihrer zunächst abgegebenen Begründung und stelle diese nunmehr „auf andere Füße“. 

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei das abschließende Gesamturteil einer dienstlichen Beurteilung durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen bestenauswahlbezogenen Gesichtspunkte zu bilden. Diese Gewichtung bedürfe schon deshalb einer Begründung, weil nur so die Einhaltung gleicher Maßstäbe gewährleistet und das Gesamturteil nachvollzogen sowie einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden könne. Gesamturteil und Einzelbewertungen einer dienstlichen Beurteilung müssten in dem Sinne miteinander übereinstimmen, dass sich das Gesamturteil nachvollziehbar und plausibel aus den Einzelbewertungen herleiten lasse (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 12.10.2023 – 2 A 7.22 – juris Rn. 32, m.w.N.). Die Begründung des Gesamturteils habe schon in der dienstlichen Beurteilung selbst zu erfolgen. Sie sei materieller Bestandteil der dienstlichen Beurteilung selbst. Anders als etwa bei nachträglich erhobenen Einwänden gegen Einzelbewertungen in der dienstlichen Beurteilung genüge es nicht, das Gesamturteil nachträglich zu plausibilisieren (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.10.2023 – 2 A 7.22 – juris Rn. 32, m.w.N.). Zulässig sei allenfalls eine Intensivierung (im Sinne einer ergänzenden Anreicherung) einer schon in der dienstlichen Beurteilung enthaltenen Begründung. Die Begründung auszutauschen oder ihr einen weiteren, eigenständigen Argumentationsstrang hinzuzufügen, sei demnach ausgeschlossen (vgl. BVerwG, Urteil vom 01.03.2018 – 2 A 10.17 – juris Rn. 48). 

Nach diesen Maßstäben sei die Begründung der Zweitbeurteilerin für die Absenkung des Gesamturteils unzureichend. Sie habe sich darauf beschränkt, die von dem Erstbeurteiler vergebene Gesamtnote unter Hinweis auf einen „Vergleich zur Bewertungsgruppe“ um eine Note zu verschlechtern. Seine Bewertung der 14 Einzelmerkmale habe sie hingegen nicht geändert. Bei dieser Verfahrensweise sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Bewertung der Einzelmerkmale durch den Erstbeurteiler und dessen verbale Begründung hierzu ohne Weiteres auch der um eine Note verschlechterten Zweitbeurteilung entsprechen soll. Gesamturteil und Einzelbewertungen der dienstlichen Beurteilung passten nicht mehr zusammen. Letztlich habe die Stellungnahme der Zweitbeurteilerin im gerichtlichen Verfahren diese Einschätzung bestätigt. Denn dort trage sie (erstmals) als Begründung für die Herabstufung der Gesamtnote vor, sie bewerte den Antragsteller in vier Einzelkriterien (1.A.a Fachkenntnisse; 1.B.c Analytisches/vernetztes Denken; 1.C.a Kommunikationsfähigkeit; 1.C.c Konflikt- und Kritikfähigkeit) nicht wie der Erstbeurteiler mit der höchsten Bewertung, sondern mit der zweithöchsten. Danach bewerte sie die 14 Einzelkriterien nur noch fünfmal mit der Höchstnote und neunmal mit der zweithöchsten. Dies sei jedoch nicht die dienstliche Beurteilung, die der Antragsteller erhalten habe. 

Die nachträgliche Herabstufung von Einzelbewertungen sei keine Intensivierung der in der dienstlichen Beurteilung enthaltenen Begründung, sondern ein unzulässiger Austausch der Bewertung von Einzelmerkmalen und damit der Grundlagen der Gesamtbewertung. Zu keinem anderen Ergebnis führe die Bemerkung der Antragsgegnerin, nach den Beurteilungsvorschriften sei der Zweitbeurteiler nicht zur Anpassung der Einzelkriterien verpflichtet. Diese Verpflichtung ergebe sich aus der dargestellten höchstrichterlichen Rechtsprechung, nach der die Herleitung des Gesamturteils aus den Einzelbewertungen erkennbar sein müsse. Sei eine schlechtere Bewertung von Einzelmerkmalen Anlass für die Herabstufung des Gesamturteils, müsse dies in der dienstlichen Beurteilung ihren Niederschlag finden. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem von der Antragsgegnerin herangezogenen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.09.2020 – 2 C 2.20 – (juris Rn. 40), nach dem ein Verweis auf den „Quervergleich“ als Abweichungsbegründung ausreichen könne. Jener Entscheidung habe ein anderer Sachverhalt zugrunde gelegen. Dort habe die Endbeurteilerin nicht nur das Gesamturteil der dienstlichen Beurteilung herabgestuft, sondern auch vier von insgesamt sieben Einzelmerkmalen.


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BVerwG, Urt. v. 27.06.2024 – 2 C 5.23 –

Nebentätigkeit: Begriff der "wissenschaftlichen Forschung" in § 7 Bundesnebentätigkeitsverordnung

Leitsätze:

1. Der Begriff der "wissenschaftlichen Forschung" i. S. d. § 7 Nr. 3 Bundesnebentätigkeitsverordnung (BNV) ist so zu verstehen wie der Begriff der "Forschung" – als Unterfall der Wissenschaft – in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG.

2. Die Tätigkeit in einem Wissenschaftlichen Gremium der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) kann wissenschaftliche Forschung i. S. d. § 7 Nr. 3 BNV sein.

 

Die Klägerin, damals Oberrätin (Besoldungsgruppe A 14 BBesO) beim beklagten Bundesinstitut für Risikobewertung, ging zwischen 2009 und 2012 einer genehmigten Nebentätigkeit mit einem Umfang von 20 Tagen pro Jahr im sogenannten Biohazard Panel der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) nach. 2013 forderte der Beklagte die Klägerin per Bescheid auf, ihre Einkünfte aus der Mitarbeit in dem Panel abzuliefern, soweit sie kalenderjährlich 4900 € überstiegen und setzte einen Ablieferungsbetrag von mehr als 8.000 € fest. Widerspruch und Klage hiergegen bleiben erfolglos. Mit ihrer Berufung war die Klägerin allerdings erfolgreich. In dem Revisionsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht begehrt nun der Beklagte die Aufhebung des Urteils des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (OVG) und die Zurückweisung der Berufung der Klägerin. Das BVerwG bestätigt jedoch das Urteil des Berufungsgerichts. Das OVG habe zu Recht angenommen, dass bei der klägerischen Nebentätigkeit von "wissenschaftlicher Forschung" i.S.d. § 7 Nr. 3 BNV auszugehen sei, und dementsprechend eine Verpflichtung der Klägerin zur teilweisen Ablieferung der Nebentätigkeitsvergütung verneint. 

Der Begriff der "wissenschaftlichen Forschung" i. S. d. § 7 Nr. 3 BNV sei so zu verstehen wie der Begriff der "Forschung" – als Unterfall der Wissenschaft - in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG.

Würden ausnahmsweise für eine Nebentätigkeit im Bundesdienst Vergütungen gewährt, so dürften sie nach § 6 Abs. 2 BNV für Beamte in der Besoldungsgruppe A 14 BBesO im Kalenderjahr insgesamt 4.900 € (Bruttobetrag) nicht übersteigen. Diesen Betrag übersteigende Vergütungen seien gemäß § 6 Abs. 4 BNV abzuliefern. Nach § 7 BNV bestehe keine Ablieferungspflicht bei Vergütungen unter anderem für Tätigkeiten auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Forschung.

Der Begriff der "wissenschaftlichen Forschung" i. S. d. § 7 Nr. 3 BNV sei deckungsgleich mit dem Forschungsbegriff in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG und damit als "geistige Tätigkeit mit dem Ziel, in methodischer, systematischer und nachprüfbarer Weise neue Erkenntnisse zu gewinnen" (BVerfG, Urteil vom 29.05.1973 - 1 BvR 424/71 u. a. - BVerfGE 35, 79 <113>), zu verstehen.

Der Wortlaut der Norm gebe keine Hinweise eine engere Auslegung des Begriffs der "wissenschaftlichen Forschung". Art. 5 Satz 3 Satz 1 GG reihe nur - scheinbar gleichberechtigt - Wissenschaft, Forschung und Lehre aneinander. "Wissenschaft" sei der gemeinsame Oberbegriff für Forschung und Lehre als den beiden Ausprägungen der grundrechtlich gewährleisteten Wissenschaftsfreiheit (vgl. BVerfG, Urteil vom 29.05.1973 - 1 BvR 424/71 u. a. - BVerfGE 35, 79 <113>). Deshalb sei Forschung in diesem Sinne stets wissenschaftliche Forschung. Die Nebentätigkeitsregelungen nehmen auch ersichtlich Bezug auf den aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG folgenden Grundrechtsschutz. So seien wissenschaftliche Tätigkeiten gemäß § 100 Abs. 1 Nr. 2 BBG nicht genehmigungspflichtig und gemäß § 100 Abs. 2 BBG nur anzeigepflichtig, wenn für sie ein Entgelt oder ein geldwerter Vorteil geleistet werde.

Die systematische Auslegung lege ebenfalls kein anderes Verständnis nahe. § 7 BNV enthalte Ausnahmen von der nach § 6 BNV grundsätzlich angeordneten - und verfassungsrechtlich unbedenklichen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 16.01.2007 - 2 BvR 1188/05 - BVerfGK 10, 186 = juris Rn. 20 ff.) – Ablieferungspflicht bei bestimmte Grenzen übersteigenden Vergütungen für Nebentätigkeiten im öffentlichen Dienst. Die in § 7 BNV geregelten Ausnahmetatbestände stehen nicht in einem Rangverhältnis von Spezial- und Auffangtatbestand zueinander, sondern selbstständig nebeneinander.

Die Bundesnebentätigkeitsverordnung enthalte auch anders als das Gesetz über die Errichtung eines Bundesinstitutes für Risikobewertung (BfR-Gesetz - BfRG) keine Differenzierung zwischen wissenschaftlicher Forschung und anderen wissenschaftlichen Tätigkeiten, die auf einen engeren Forschungsbegriff als den des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG hinweisen würde.

Für die Zugrundelegung des Forschungsbegriffs in § 7 Nr. 3 BNV lasse sich anführen, dass auch § 100 Abs. 1 Nr. 2 BBG den Begriff der "wissenschaftlichen Tätigkeiten" – zur Gewährleistung des Grundrechtsschutzes aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG - deckungsgleich mit dem Begriffsverständnis in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verwende (vgl. Geis, in: GKÖD, BBG, Stand Mai 2024, § 100 Rn. 24 ff.; Plog/Wiedow, BBG, Stand Mai 2024, § 100 Rn. 9).

Auch aus der Auslegung nach Sinn und Zweck der Privilegierung der "wissenschaftlichen Forschung" in § 7 Nr. 3 BNV ergebe sich nichts Anderes.

Zwar umfasse die verfassungsrechtlich verbürgte Freiheit wissenschaftlicher Betätigung umfasst nicht den Schutz eines Gewinn- und Erwerbsstrebens (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 16.01.2007 - 2 BvR 1188/05 - BVerfGK 10, 186 = juris Rn. 26).

Aber der Verordnungsgeber trage mit der Pflicht zur von Ablieferung auch nicht etwa verfassungsrechtlichen Notwendigkeiten Rechnung, sondern privilegiere lediglich Tätigkeiten, die er als besonders nützlich und förderungswürdig ansehe.

Wissenschaft sei alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter Versuch zur Ermittlung von Wahrheit anzusehen sei. Die Freiheit der Forschung umfasse insbesondere die Fragestellung und die Grundsätze der Methodik sowie die Bewertung des Forschungsergebnisses und seine Verbreitung. Das in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG enthaltene Freiheitsrecht stehe jedem zu, der wissenschaftlich tätig sei oder tätig werden wolle (BVerfG, Urteil vom 29.05.1973 - 1 BvR 424/71 u. a. - BVerfGE 35, 79 <112 f.>; Beschluss vom 11.01.1994 - 1 BvR 434/87 - BVerfGE 90, 1 <12>).

Leitbild freier Forschung sei zwar die universitäre Forschung, erfasst sei aber auch die außeruniversitäre Forschung. Personell geschützt sei jeder, der wissenschaftlich tätig sei oder werden wolle. Anforderungen an die formale Qualifikation stelle das Grundrecht nicht. Auch Angehörige des öffentlichen Dienstes, die in Nebentätigkeit wissenschaftlich arbeiten, seien grundrechtsberechtigt (Krüper, in: Dreier, GG, 4. Aufl. 2023, Art. 5 III <Wissenschaft> Rn. 63).

Vom Forschungsbegriff erfasst sei nicht nur die Grundlagenforschung, sondern auch die anwendungsbezogene Forschung (BVerfG, Beschluss vom 20.10.1982 - 1 BvR 1467/80 - BVerfGE 61, 210 <246, 251 f.>; BAG, Beschluss vom 21.06.1989 - 7 ABR 58/87 - BAGE 62, 156 = juris Rn. 38). Selbst Zweck- und Auftragsforschung könne Wissenschaft sein, solange dem Beauftragten genügend Unabhängigkeit und Selbstständigkeit verbleibe. Dementsprechend könne auch Ressortforschung als anwendungsbezogene Forschung innerhalb staatlicher Einrichtungen, um die Entscheidungsfindung in Regierung, Gesetzgebung und Verwaltung zu unterstützen, dann von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützt sein, wenn und soweit sie nicht "administrativ überdeterminiert" sei, d.h. soweit eine unabhängige Forschung möglich sei (vgl. Krüper, in: Dreier, GG, 4. Aufl. 2023, Art. 5 III <Wissenschaft> Rn. 63; ähnlich Gärditz, LMuR 2023, 291, 292).

Allerdings gebe es keine eindeutige und allgemein anerkannte Definition des Begriffs Forschung. Es bedürfe deshalb jeweils im Einzelfall wertender Betrachtung, ob mit der Tätigkeit ihrem Gepräge nach Forschung betrieben werde (BVerfG, Beschluss vom 20.10.1982 - 1 BvR 1467/80 - BVerfGE 61, 210 <246>).

Dementsprechend sei abzugrenzen die anwendungsbezogene Forschung, mit der eigenständige wissenschaftliche Erkenntnisziele verbunden seien, von dem "wissenschaftlichen Handwerk", das zur Lösung praktischer Fragestellungen zwar wissenschaftliche Methoden nutze, sich aber in der bloßen Anwendung bereits bekannter wissenschaftlicher Erkenntnisse erschöpfe (vgl. BAG, Beschluss vom 21.06.1989 - 7 ABR 58/87 - BAGE 62, 156 = juris Rn. 38).

Eine Ablieferungspflicht der Klägerin nach § 6 Abs. 4 i. V. m. Abs. 3 und Abs. 2 BNV bestehe auf der Grundlage der bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht, weil hiernach die klägerische Nebentätigkeit in dem Wissenschaftlichen Gremium der EFSA für biologische Gefahren als "wissenschaftliche Forschung" i. S. d. § 7 Nr. 3 BNV anzusehen sei.

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit sei eine Institution der Politikberatung auf wissenschaftlicher Grundlage und unterstütze auf diese Weise die Rechtssetzung der europäischen Organe. Ihre Wissenschaftlichen Gremien seien in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich verantwortlich für die Erstellung der wissenschaftlichen Gutachten der Behörde und könnten bei Bedarf öffentliche Anhörungen veranstalten; sie setzen sich aus unabhängigen Wissenschaftlern zusammen, die wissenschaftlich und unabhängig arbeiten, insbesondere Gutachten erstellen und auch Studien beauftragen (vgl. Art. 22, 23, 24, 28 - 32 Verordnung <EG> Nr. 178/2002).

Aus dieser Aufgabenstellung ergebe sich nicht zwingend, dass es sich um wissenschaftliche Forschung und nicht lediglich um "wissenschaftliches Handwerk" handele.

Allerdings sei nach den konkreten bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts die Tätigkeit der Klägerin in dem Wissenschaftlichen Gremium der EFSA für biologische Gefahren ihrem Gepräge nach "wissenschaftliche Forschung" i. S. d. § 7 Nr. 3 BNV. Die im Berufungsurteil festgestellten statistischen Analysen, epidemiologischen Studien, Metaanalysen, Entwicklung von Risikomodellen, Berechnung neuer Daten, Verknüpfung vorhandener Daten und Entwicklung neuer Methoden sowie die Neuentwicklung von Risikomodellen seien als wissenschaftliche Forschung i. S. d. § 7 Nr. 3 BNV und nicht lediglich als "wissenschaftliches Handwerk" zu qualifizieren. Das gelte unabhängig davon, ob man die Formulierung in § 7 Nr. 3 BNV "auf dem Gebiet" (der wissenschaftlichen Forschung) als eine Erweiterung des Forschungsbegriffs sehe oder nicht; jedenfalls handele es sich - entgegen der Annahme der Revision - nicht um eine Verengung des Forschungsbegriffs.

Link zur Entscheidung:  BVerwG, Urt. v. 27.06.2024 – 2 C 5.23 – 



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BVerwG, Urt. v. 27.06.2024 – 2 C 17.23 – 

Zulässiger Rückschluss auf Dienstunfähigkeit bei Verweigerung der Begutachtung und Wegfall der Suchpflicht 

Leitsatz 

Kann aufgrund der Weigerung eines Beamten, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen, auf dessen Dienstunfähigkeit geschlossen werden, ist in Ermangelung medizinischer Feststellungen von einem nicht vorhandenen Restleistungsvermögen und damit von einer generellen Dienstunfähigkeit auszugehen, die die Pflicht des Dienstherrn zur Suche nach einer anderweitigen Verwendbarkeit des Beamten entfallen lässt. 

 

Die Klägerin, eine Lehrerin, wendet sich gegen ihre vorzeitige Versetzung in den Ruhestand. 

Es war mehrfach zu dienstlichen Konflikten mit Schülern, Eltern, Kollegen und der Schulleitung gekommen. Das beklagte Land verbot der Klägerin im November 2015 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung bis auf Weiteres die Fortführung der Dienstgeschäfte wegen pädagogisch unangemessenen Verhaltens und der Missachtung dienstlicher Weisungen. Gerichtlicher Rechtsschutz hiergegen blieb ohne Erfolg. Aus Anlass der dienstlichen Konflikte leitete das beklagte Land in der Folgezeit nicht nur ein Disziplinarverfahren ein, sondern forderte die Klägerin zudem wiederholt - zuletzt mit Schreiben vom 27.03.2017 - sowie unter Inanspruchnahme einer fachmedizinischen Beratung auf, sich zur Feststellung der Dienstfähigkeit einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Die zu diesem Zweck benannten Untersuchungstermine nahm die Klägerin nicht wahr. 

Mit Bescheid vom 19.04.2017 wurde die Klägerin mit Ablauf des Monats April wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Widerspruch, Klage und Berufung hiergegen bleiben erfolglos. 

Das BVerwG entschied die Revision der Klägerin sei unbegründet. 

Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin sei dienstunfähig i. S. d. § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG, verletze revisibles Recht nicht. 

Der Beklagte habe aus der Weigerung der Klägerin, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen, auf ihre Dienstunfähigkeit schließen dürfen. 

Bei der Dienstunfähigkeit handele es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der uneingeschränkten Nachprüfung der Verwaltungsgerichte unterliege. Um die Dienst(un)fähigkeit beurteilen zu können, müssten die gesundheitlichen Leistungseinschränkungen festgestellt und deren prognostische Entwicklung bewertet werden. Dies setze in der Regel medizinische Sachkunde voraus, über die nur ein Arzt verfüge. Der § 41 Abs. 1 Satz 1 des Beamtengesetzes für das Land Brandenburg (LBG BB) sehe vor, dass der Dienstherr seine Einschätzung auf der Grundlage eines ärztlichen Gutachtens zu treffen habe (vgl. u.a. BVerwG, Urteil vom 07.07.2022 - 2 A 4.21 - BVerwGE 176, 77 Rn. 47). Eine Untersuchung habe vorliegend nicht stattgefunden, weil die Klägerin ihre Mitwirkung verweigert habe. Die Folgen der Verweigerung einer angeordneten ärztlichen Untersuchung seien im Landesbeamtengesetz Brandenburg nicht ausdrücklich geregelt. 

Auch ohne gesetzliche Anordnung sei der Dienstherr berechtigt, aus der unberechtigten Weigerung des Beamten zur Mitwirkung an einer ärztlichen Untersuchung auf seine Dienstunfähigkeit zu schließen. Denn aus §§ 427, 444 und 446 ZPO folge der allgemeine, auch im Verwaltungsverfahren geltende Rechtsgrundsatz, dass das einen Beweis vereitelnde Verhalten eines Beteiligten im Rahmen freier Beweiswürdigung zu dessen Nachteil gewertet werden dürfe. Es köenn auf die Dienstunfähigkeit eines Beamten geschlossen werden, wenn dieser durch sein Verhalten die Feststellung seines Gesundheitszustands bewusst verhindere. Die Verpflichtung, bei der Nachprüfung der Dienstfähigkeit mitzuwirken, würde ins Leere gehen, wenn aus einer unberechtigten Weigerung keine Rückschlüsse gezogen werden könnten. Andernfalls hätte es der Beamte in der Hand, die für die Vorbereitung der Feststellung seiner Dienstfähigkeit erforderlichen Untersuchungen erheblich zu erschweren oder zu vereiteln (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.05.2013 - 2 C 68.11 - BVerwGE 146, 347 Rn. 14; Beschluss vom 12.12.2023 - 2 B 10.23 - juris Rn. 9). 

Die Untersuchungsanordnung vom 27.03.2017 sei rechtmäßig und die Weigerung der Klägerin daher unberechtigt gewesen. Voraussetzung für die Annahme einer Dienstunfähigkeit nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung sei, dass die Untersuchungsanordnung rechtmäßig und der Beamte damit zur Mitwirkung verpflichtet war. 

Mit dem Eintritt in das Beamtenverhältnis übernehme der Beamte im Rahmen seines Dienst- und Treueverhältnisses die vom BVerfG bestätigte Mitwirkungsverpflichtung, sich bei bestehenden Zweifeln an seiner Dienstfähigkeit ärztlich untersuchen zu lassen. Mit einer entsprechenden Weisung komme der Dienstherr auch seiner Fürsorgepflicht nach. 

Der Beamte müsse der Weisung seines Dienstherrn, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, aber nur dann Folge leisten, wenn hinreichender Anlass für die Untersuchungsanordnung bestehe und wenn diese in ihrem Umfang nicht über das Maß hinausgehe, welches für die Feststellung der Dienstfähigkeit des Beamten erforderlich sei (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. vom 14.01.2022 - 2 BvR 1528/21 - juris Rn. 25). Nur die Verweigerung einer rechtmäßigen Anordnung des Dienstherrn könne zulasten des betroffenen Beamten gewürdigt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.12.2023 - 2 B 10.23 - juris Rn. 10). Die Untersuchungsanordnung vom 27.03.2017 genüge den Anforderungen an eine rechtmäßige Untersuchungsanordnung. 

Der Untersuchungsanordnung würden tatsächliche Feststellungen zugrunde liegen, die Zweifel an der Dienstfähigkeit der Klägerin begründen. Aufgrund der Beschreibung war für die Klägerin erkennbar, auf welche Ereignisse der Beklagte seine Zweifel gestützt hat. Der Beklagte habe gewürdigt, dass keine auffälligen Zeiten von krankheitsbedingter Abwesenheit vom Dienst zu verzeichnen waren. In der Untersuchungsanordnung sei aber auf eine Vielzahl von Konflikten mit allen am Schulalltag involvierten Personengruppen verwiesen, die angesichts der beschriebenen Art und Häufigkeit die Annahme nahelegten, dass es der Klägerin an der für die Dienstausübung erforderlichen Einsichts- und Konfliktfähigkeit mangele. Erläutert werde auch, dass die Verhaltensweisen − ausweislich einer eingeholten Stellungnahme des Gesundheitsamtes − auf eine wahnhafte Störung zurückzuführen sein könnten. In der Untersuchungsanordnung seien auch konkrete Begebenheiten beschrieben, die die Annahme der Behörde tragen würden. Daher sei die Klägerin in hinreichender Weise in die Lage versetzt worden, die Stichhaltigkeit der Anlasstatsachen einer Prüfung und Einschätzung zu unterziehen. 

Die Festlegung von Art und Umfang der ärztlichen Untersuchung sei zutreffend erfolgt. Dem geringen Erkenntnisstand zum Krankheitsbild der Klägerin, hinsichtlich dessen der Beklagte zwecks Eingrenzung eine fachmedizinische Beratung in Anspruch genommen habe, habe er durch eine Beschränkung auf eine orientierende psychische Untersuchung Rechnung getragen. 

Das Berufungsgericht habe zudem im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass dem Beklagten keine Suchpflicht nach einer anderweitigen Verwendbarkeit der Klägerin oblag. 

Angesichts des Fehlens ärztlicher Feststellungen zu Art und Umfang der gesundheitlichen Leistungseinschränkungen der Klägerin habe dem Beklagten keine Suchpflicht nach einer anderweitigen Verwendbarkeit oblegen. 

Die Verpflichtung zur Suche nach einer anderweitigen Verwendung des dienstunfähigen Beamten entfalle dann, wenn ihr Zweck im konkreten Einzelfall von vornherein nicht erreicht werden könne. 

Das könne dann der Fall sein, wenn der Beamte auf absehbare Zeit oder auf Dauer keinerlei Dienst leisten könne. Sei der Beamte generell dienstunfähig, sei eine Suche nach in Betracht kommenden anderweitigen Dienstposten oder Tätigkeitsfeldern nicht erforderlich (vgl. BVerwG, Urteil vom 05.06.2014 - 2 C 22.13 - BVerwGE 150, 1 Rn. 34 m. w. N.). Eine solche generelle Dienstunfähigkeit sei anzunehmen, wenn die Erkrankung des Beamten von solcher Art oder Schwere sei, dass er für sämtliche Dienstposten der betreffenden oder einer anderen Laufbahn, in die er wechseln könnte, ersichtlich gesundheitlich ungeeignet sei oder wenn bei dem Beamten keinerlei Restleistungsvermögen mehr festzustellen sei (vgl. u.a. BVerwG, Urteil vom 16.11.2017 - 2 A 5.16 - Buchholz 232.0 § 44 BBG 2009 Nr. 12 Rn. 34). 

Sinn und Zweck der Suche nach einer anderweitigen Verwendbarkeit würden die Suchpflicht auch dann entfallen lassen, wenn aufgrund der Weigerung eines Beamten, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen, auf dessen Dienstunfähigkeit geschlossen werde. Denn in Ermangelung medizinischer Feststellungen zum Leistungsbild sei in dieser Situation von einem nicht vorhandenen Restleistungsvermögen und damit von einer generellen Dienstunfähigkeit auszugehen, die weitere Ermittlungen von Amts wegen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 VwVfG BB i. V. m. § 24 Abs. 1 Satz 1 VwVfG, § 86 Abs. 1 VwGO) obsolet werden und die Pflicht des Dienstherrn zur Suche nach einer anderweitigen Verwendbarkeit des Beamten entfallen lasse. Ohne medizinisch fundierte Angaben zum positiven wie negativen Leistungsbild lasse sich nicht feststellen, in welchem Umfang der Beamte leidensgerecht anderweitig verwendbar sei. 

Link zur Entscheidung: BVerwG, Urt. v. 27.06.2024 – 2 C 17.23 –
 

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Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 13.06.2024 - OVG 80 D 4/22 - 

Frist und Ort für die Einreichung der Begründung einer Berufung im beamtenrechtlichen Disziplinarverfahren 

Leitsätze 

1. Die Berufung im beamtenrechtlichen Disziplinarverfahren im Land Berlin ist beim Verwaltungsgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich einzulegen und zu begründen. Die Berufungsbegründung muss, auch wenn sie mit einem gesonderten Schriftsatz innerhalb der Frist nachgereicht wird, grundsätzlich beim Verwaltungsgericht eingereicht werden. 

2. Lediglich in der Fallkonstellation, in der die Frist zur Begründung der Berufung auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag vom Vorsitzenden des Disziplinarsenats verlängert wird, kann die Begründung fristwahrend auch beim Oberverwaltungsgericht vorgelegt werden. 

3. In der Rechtsmittelbelehrung des Urteils des Verwaltungsgerichts über eine Disziplinarklage im Land Berlin ist nur über die Monatsfrist für die Einlegung der Berufung nach § 64 Abs. 1 Satz 2 BDG zu belehren, nicht aber über die Verpflichtung zur Begründung der Berufung innerhalb dieser Frist. 

Der Beklagte, ein Kriminaloberkommissar, hatte Berufung im beamtenrechtlichen Disziplinarverfahren eingelegt. Gegen den Beklagten wurde am 28.09.2018 wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs eines Jugendlichen und des Besitzes von kinder- und jugendpornographischen Schriften ein behördliches Disziplinarverfahren eingeleitet. 

Im Hinblick darauf, dass es bezüglich der Vorwürfe noch nicht abgeschlossene strafrechtliche Ermittlungen gegen den Beklagten gab, setzte der Kläger das Disziplinarverfahren zunächst aus. 

Das Verwaltungsgericht Berlin hat den Beklagten mit Urteil vom 27.10.2022 aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Disziplinarklage sei begründet. Mit den im Urteil des Amtsgerichts Tiergarten festgestellten Straftaten habe der Beklagte zugleich ein außerdienstliches Dienstvergehen begangen, indem er gegen seine Dienstpflicht zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten nach § 34 Satz 3 BeamtStG verstoßen habe. Der Beklagte sei aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Er habe seine Vertrauensstellung, die er als Polizeibeamter auch gegenüber Kindern und Jugendlichen innehabe, in erheblicher Weise missbraucht. Der sexuelle Missbrauch des Jugendlichen sei die schwerste Verfehlung. In der Zusammenschau mit dem strafbaren Besitz erheblicher Mengen kinderpornographischer sowie einiger jugendpornographischer Bilder, was für sich genommen ebenfalls ein gravierendes Dienstvergehen darstelle, komme keine unter einer Entfernung liegende Disziplinarmaßnahme in Betracht. Die Verhängung der Höchstmaßnahme verstoße nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Beklagte habe ein besonders schweres Fehlverhalten gezeigt und damit die Vertrauensgrundlage für die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses endgültig zerstört. 

In der dem Urteil beigefügten Rechtsmittelbelehrung wird darauf hingewiesen, dass den Beteiligten gegen das Urteil die Berufung zusteht und diese bei dem Verwaltungsgericht Berlin innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen ist. 

Der Beklagte hat gegen das ihm am 22.11.2022 zugestellte Urteil am 19.12.2022 beim Verwaltungsgericht Berufung eingelegt. Der Vorsitzende Richter der Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichtes hat telefonisch den Beklagten vorsorglich darauf hingewiesen, dass die Berufung innerhalb der Monatsfrist für die Einlegung zu begründen sei (§ 41 DiszG i.V.m. 64 Abs. 1 Satz 2 BDG). Der Beklagte hat keinen Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist gestellt. Am 21.12.2022 ging die Berufungsbegründung beim Oberverwaltungsgericht ein. Der Berichterstatter des OVG machte darauf aufmerksam, dass die an das Oberverwaltungsgericht adressierte Berufungsbegründung des Beklagten vom 21.12.2022 am gleichen Tag beim Oberverwaltungsgericht eingereicht worden sei, obwohl § 41 DiszG i.V.m. § 64 Abs. 1 BDG fordere, dass die Berufung bei dem Verwaltungsgericht zu begründen sei. 

Daraufhin hat der Beklagte am 09.01.2023 beim Oberverwaltungsgericht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Die Berufungsbegründung sei vom Bevollmächtigten des Beklagten aus prozessökonomischen Erwägungen zum Oberverwaltungsgericht „geschickt“ worden, da die - möglicherweise unbegründete - Vermutung bestanden habe, dass die Verfahrensakte aufgrund der räumlichen Nähe der beiden Gerichte in Berlin vom Verwaltungsgericht schon an das Oberverwaltungsgericht „geschickt“ worden sein könnte. Die Rechtsmittelbelehrung verweise darauf, dass die Berufung innerhalb eines Monats beim Verwaltungsgericht einzulegen ist. Zur Berufungsbegründung werde keine Aussage getroffen, so dass aus der Sicht des Beklagten die Begründung damit auch fristwahrend beim Oberverwaltungsgericht eingereicht werden konnte. Aufgrund der Regelungen von § 41 DiszG i.V.m. 64 Abs. 1 BDG habe der Bevollmächtigte des Beklagten die Auffassung vertreten, dass eine Einreichung der Begründung unter Einhaltung der Begründungsfrist ohne Verlängerungsantrag alternativ bei dem Oberverwaltungsgericht möglich sei. 

Zudem hat der Beklagte den Berufungsbegründungsschriftsatz am 10. Januar 2023 an das Verwaltungsgericht übermittelt. 

Das OVG entschied, die Berufung des Beklagten sei unzulässig und daher zu verwerfen. Die Berufungsbegründung des Beklagten sei nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist des § 41 DiszG i.V.m. § 64 Abs. 1 Satz 2 BDG beim Verwaltungsgericht eingereicht worden und die vom Beklagten beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 3 DiszG i.V.m. § 60 Abs. 1 VwGO) sei ausgeschlossen. 

Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts über eine Disziplinarklage stehe den Beteiligten nach § 64 Abs. 1 Satz 1 BDG die Berufung an das Oberverwaltungsgericht zu. Gemäß § 64 Abs. 1 Satz 2 BDG sei die Berufung bei dem Verwaltungsgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich einzulegen und zu begründen. Mangele es an einem dieser Erfordernisse, sei die Berufung unzulässig (§ 64 Abs. 1 Satz 5 BDG). Der Wortlaut des Gesetzes ("einzulegen und zu begründen") sei insoweit eindeutig, als er sowohl die Einlegung als auch die Begründung der Berufung einer Disziplinarklage hinsichtlich Frist und Ort denselben Anforderungen unterwerfe, nämlich der Einreichung beim Verwaltungsgericht (BVerwG, Beschluss vom 23.05.2017 – 2 B 51.16 – juris Rn. 12; Köhler/Braunack, BDG, 7. Aufl. 2020, § 54 Rn. 3). Die Berufungsbegründung müsse, wenn sie mit gesondertem Schriftsatz innerhalb der Frist nachgereicht werde, beim Verwaltungsgericht eingereicht werden (Schütz/Schmiemann/Werres, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, 4. Aufl. [Stand Januar 2024], § 64 Rn. 10). Lediglich für die Fallkonstellation eines rechtzeitig gestellten Fristverlängerungsantrags gemäß § 41 DiszG i.V.m. § 64 Abs. 1 Satz 3 BDG habe die Rechtsprechung eine Ausnahme von dem Erfordernis des § 64 Abs. 1 Satz 2 BDG entwickelt (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 23.05.2017 – 2 B 51.16 – juris - Rn. 12; Beschluss vom 22.07.2019 – 2 B 25.19 – juris Rn. 8). Wird die Frist zur Begründung der Berufung auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag vom Vorsitzenden des Disziplinarsenats verlängert, kann die Begründung fristwahrend auch beim Berufungsgericht vorgelegt werden (BVerwG, Urteil vom 13.07.2023 – 2 C 1.23 – juris. Rn. 8, 22; Urteil vom 13.07.2023 – 2 C 3/23 – juris Rn. 7, 21; Urteil vom 13.07.2023 – 2 C 13.22 – juris Rn. 9, 23; Urteil vom 13.07.2023 – 2 C 7.22 juris – Rn. 10; vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.08.2023 – OVG 80 D 3/22 – juris Rn. 19). 

Diesen Anforderungen sei die Berufung des Beklagten nicht gerecht geworden. Das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.10.2022 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin sei dem Beklagten am 22.11.2022 zugestellt worden. Der Beklagte hätte demnach gemäß § 41 DiszG i.V.m. § 64 Abs. 1 Satz 2 BDG die Berufung bis zum Ablauf des 22.12.2022 bei dem Verwaltungsgericht einlegen und begründen müssen. Hieran fehle es. 

Die Rechtsmittelbelehrung im Urteil des Verwaltungsgerichts vom 27.10 2022 sei auch nicht unrichtig erteilt worden, sodass für die Begründung der Berufung nicht die Jahresfrist nach § 3 DiszG i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO gelte. Soweit der Beklagte vorbringe, die Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils verweise nur darauf, dass die Berufung innerhalb eines Monats beim Verwaltungsgericht einzulegen sei, und es werde keine Aussage getroffen, wo die Berufungsbegründung einzureichen sei, könne dieses Vorbringen nicht begründen, dass die Rechtsmittelbelehrung im Urteil des Verwaltungsgerichts unrichtig erteilt sei im Sinne von § 3 DiszG i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO. Nach § 3 DiszG i.V.m. § 58 Abs.1 VwGO seien die Beteiligten nur über den Rechtsbehelf, das Gericht, bei dem der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch zu belehren. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes sei in der Rechtsmittelbelehrung des Urteils eines Verwaltungsgerichts über eine Disziplinarklage nur über die Monatsfrist für die Einlegung der Berufung nach § 64 Abs. 1 Satz 2 BDG zu belehren, nicht aber über die Verpflichtung zur Begründung der Berufung innerhalb dieser Frist (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.11.2023 – 2 C 4.23 – juris Ls. u. Rn. 7; von der Weiden, jurisPR-BVerwG 12/2024 Anm. 3 B. und D. auch zur Rechtslagen nach § 64 BDG n.F.). Es sei auch nicht darüber zu belehren, wo die Berufungsbegründung einzureichen ist. Nach der bereits oben erwähnten Regelung des § 3 DiszG i.V.m. § 64 Abs. 1 Satz 2 BDG sei die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts über eine Disziplinarklage bei dem Verwaltungsgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich einzulegen und zu begründen. Gemäß § 58 Abs. 1 VwGO, der nach § 3 DiszG entsprechend anzuwenden sei, müsse in der Rechtsmittelbelehrung des erstinstanzlichen Urteils über eine Disziplinarklage jedoch nur über die für die Einlegung der Berufung geltende Monatsfrist belehrt werden. Eine Pflicht zur Belehrung über die innerhalb einer bestimmten Frist vorzulegende Begründung des Rechtsmittels bestehe nur bei zweistufig aufgebauten Rechtsmitteln, bei denen im Anschluss an die erste Stufe der fristgebundenen Einlegung die zweite Stufe der Vorlage der Begründung innerhalb einer gesonderten Frist nachfolge (BVerwG, Urteil vom 09.11.2023 – 2 C 4.23 – juris Rn. 8). Zwar schreibe das Gesetz in § 41 DiszG i.V.m. § 64 Abs. 1 Satz 2 BDG die Einreichung einer Begründung der Berufung vor, sehe dafür aber keine gesonderte Frist vor, über die nach Maßgabe des § 58 Abs. 1 VwGO zu belehren wäre. § 3 DiszG i.V.m. § 64 Abs. 1 Satz 2 BDG sei vielmehr mit einer Vorschrift wie § 132 Abs. 3 Satz 3 VwGO in der bis zum Ablauf des 31.12.1990 geltenden Fassung zu vergleichen. Danach habe in der innerhalb eines Monats beim Ausgangsgericht einzulegenden Beschwerdeschrift der Grund für die Zulassung der Revision in der Beschwerdeschrift dargelegt und bezeichnet werden müssen. Diese Vorschrift sei stets dahingehend ausgelegt worden, dass in der Rechtsmittelbelehrung über die Nichtzulassungsbeschwerde nicht auf die Pflicht zur Begründung und die Begründungsfrist hingewiesen werden müsse (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.11.2023 – 2 C 4.23 – juris Rn. 11 m.w.N.) Auch das Schutzbedürfnis des Verfahrensbeteiligten, der Berufung gegen das Urteil einzulegen beabsichtigt, rechtfertige keine erweiternde Auslegung des § 3 DiszG i.V.m. § 58 Abs. 1 VwGO in dem Sinne, dass auf sämtliche Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Rechtsmittels hinzuweisen sei. Denn der Gesetzgeber habe im Interesse der Rechtssicherheit in § 58 Abs. 1 VwGO diejenigen Aspekte abschließend benannt, über die der Beteiligte zur Wahrung seiner Interessen im Verfahren zu belehren sei. Aus Wortlaut und Systematik des § 58 Abs. 1 VwGO folge, dass die Belehrung nicht sämtlichen tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten Rechnung trage und dem Beteiligten jede eigene Überlegung ersparen müsse (BVerwG, Urteil vom 09.11.2023 – 2 C 4.23 –juris Rn. 13 m.w.N.). 

Die vom Beklagten beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 3 DiszG i.V.m. § 60 Abs. 1 VwGO sei hier ausgeschlossen, weil der Beklagte nicht ohne Verschulden verhindert war, die Frist für die Einreichung der Berufungsbegründung beim Verwaltungsgericht einzuhalten, und ihm das Verschulden seines Bevollmächtigten zuzurechnen sei. Es gehöre zu den Sorgfaltspflichten eines Rechtsanwalts in Fristensachen, den Betrieb seiner Anwaltskanzlei so zu organisieren, dass fristwahrende Schriftsätze vor Fristablauf beim zuständigen Gericht, bei dem sie einzureichen sind, eingehen. Im Disziplinarklageverfahren ist die Besonderheit zu beachten, dass die Fristen zur Einlegung und Begründung der Berufung auf denselben Tag fallen. Diese besondere Regelung über die Rechtsmittelfristen begründe im Disziplinarklageverfahren eine gesteigerte Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.04.2019 – 2 B 1.19 – juris Rn. 11 f.). Dies gelte auch hinsichtlich des Ortes der Einreichung, hier der Einreichung der Berufungsbegründung beim Verwaltungsgericht. 


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OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 04.06.2024 - 4 S 14/24 - 

Verwehrung der Aufnahme eines Rechtsextremisten in den juristischen Vorbereitungsdienst 

Leitsatz 
Das Land Brandenburg darf einem Kandidaten die Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst verwehren, wenn er die Verfassungsordnung aktiv bekämpft, ohne sich dabei strafbar zu machen. 
 
Die Beschwerde des Antragsgegners richtet sich gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Cottbus, der einem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes stattgab, wobei der Antragsteller sich gegen die Verwehrung der Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst wendete. Der Antragsteller ist in führender Funktion bei der Partei „Die Heimat“ (ehemals NPD) tätig. 
Dem Oberverwaltungsgericht (OVG) zufolge ist die Beschwerde des Antragsgegners begründet. Zunächst erörterte das OVG, der Antragsteller sei nicht bereits mit dem Schreiben vom 20.03.2024 in den Vorbereitungsdienst eingestellt worden. In diesem Schreiben erklärte der Präsident des Oberlandesgerichts, er beabsichtige die Zulassung des Antragsstellers zum juristischen Vorbereitungsdienst, vorbehaltlich der Haushaltslage, der Zustimmung des Personalrates und der gesundheitlichen Eignung des Antragstellers. Mit der Verweigerung der Zustimmung durch den Personalrat am 13.05.2024 stehe fest, dass der Antragsteller aus dem unter Zustimmungsvorbehalt gestellten Schreiben vom 20.03.2024 kein Recht herleiten könne, bereits eingestellt oder noch einzustellen zu sein. Der Antragsgegner habe sich sich im Nachgang zu seiner Beschwerdebegründung noch fristwahrend auf diese Zustimmungsverweigerung berufen. Dem Antragsteller fehle nunmehr für seinen Hauptantrag das Rechtsschutzbedürfnis. Der Antragsteller habe – erstinstanzlich erfolgreich – mit dem Hauptantrag die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den für sofort vollziehbar erklärten Bescheid des Antragsgegners vom 23.04.2024 begehrt. Das habe diejenige Verfügung in dem angegriffenen Bescheid betroffen, mit welcher der Antragsgegner die Rücknahme der „Einstellungszusage“ vom 20.03.2024 erklärte. Dieser Teil des Bescheids vom 23.04.2024 habe sich ebenso wie das Schreiben vom 20.03.2024, wenn es denn ursprünglich eine rechtserhebliche Erklärung enthalten haben sollte, erledigt (vgl. § 43 Abs. 2 letzter Fall VwVfG). 
Sodann prüfte das OVG den Hilfsantrag des Antragstellers, wonach diese seine Einstellung in den am 1. Mai 2024 beginnenden juristischen Vorbereitungsdienst des Landes Brandenburg im Wege einstweiliger Anordnung begehrt. Auch dieser Hilfsantrag habe mangels Anordnungsanspruch keinen Erfolg. 
Der Antragsgegner weise mit seiner Beschwerde zutreffend darauf hin, dass die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst nach § 10a Abs. 1 Nr. 1 BbgJAG in Verbindung mit § 10 Abs. 3 Satz 1 BbgJAG die Erfüllung von Vorschriften voraussetze, die für Beamte auf Widerruf gelten, soweit in diesem Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes nichts anderes bestimmt sei. Indem das Gesetz in § 10 Abs. 3 Satz 2 BbgJAG die Außerachtlassung von § 52 Abs. 2 bis 4 und § 62 LBG anordne, bekräftige es die Anwendbarkeit von § 52 Abs. 1 LBG. Danach haben Beamte sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen, müssen für deren Erhaltung eintreten (Verweis auf § 33 Abs. 1 BeamtStG) und sind auch verpflichtet, sich in diesem Sinne zur Verfassung des Landes Brandenburg zu bekennen und für diese einzutreten. Die nach § 10 Abs. 3 Satz 1 BbgJAG verlangte „entsprechende Anwendung“ der für Beamte geltenden Bestimmung auf einen Bewerber um Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst, der in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis erfolge, ergebe nach Ansicht des Senats ein – von der Kammer in der erstinstanzlichen Entscheidung vermisstes – Leitbild für angehende Juristinnen und Juristen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergebe sich ein solches Leitbild aus dem Grundgesetz selbst. Demzufolge hindere das Gesetz die Einstellungsbehörde nicht daran, von der Aufnahme derjenigen Bewerber abzusehen, die die freiheitliche demokratische Grundordnung bekämpfen (so das BVerfG, Beschluss vom 5. Oktober 1977 – 2 BvL 10/75 – juris Rn. 43). Der Senat sei gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG an die Entscheidung des BVerfGs vom 5. Oktober 1977 gebunden. 
Das Bundesverfassungsgericht ging in der Entscheidung vom 5. Oktober 1977 auf seinen früheren Beschluss vom 22. Mai 1975 ein (BVerfG, Beschluss vom 5.10.1977 – 2 BvL 10/75 – juris Rn. 39). In jenem Beschluss bestätigte das Bundesverfassungsgericht, dass Kandidaten nicht die Zulassung zum juristischen Referendariat in einem Beamtenverhältnis beanspruchen könnten, wenn Zweifel an ihrer Verfassungstreue bestünden, die Verfassungstreue also nicht gewährt erscheine, solchen Bewerbern aber der Vorbereitungsdienst in einem anderen Rechtsverhältnis ermöglicht werden müsse (BVerfG, Beschluss vom 22.05.1975 – 2 BvL 13/73 – juris Rn. 114). Dem fügte die Entscheidung vom 5. Oktober 1977 die im Folgenden zitierten Feststellungen hinzu, dass auch eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst außerhalb des Beamtenverhältnisses, einschließlich einer vorübergehenden Beschäftigung im öffentlichen Dienst zum Zwecke der Berufsausbildung, nicht völlig unbeschränkt jedermann zugänglich sei. Ohne dass die Grenze in diesem Verfahren abschließend zu ziehen sei, verbiete es sich jedenfalls, Bewerber, die darauf ausgingen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen, in die praktische Ausbildung zu übernehmen. Die in diesen Konstitutionsprinzipien unserer Verfassung enthaltenen Wertentscheidungen schlössen es aus, dass der Staat seine Hand dazu leihe, diejenigen auszubilden, die auf die Zerstörung der Verfassungsordnung ausgingen. Dies erleide auch keine Einschränkung durch das Grundrecht des Art. 12 GG. Vielmehr sei dieses individuelle Grundrecht eingebettet in die geltende Verfassungsordnung; es werde seinerseits begrenzt durch die Konstitutionsprinzipien des Grundgesetzes (BVerfG, Beschluss vom 05.10.1977 – 2 BvL 10/75 – juris Rn. 39). 
Die verfassungsrechtlich gebotene Differenzierung zwischen den Fällen, in denen lediglich Zweifel an der Verfassungstreue bestehe (was einer Verbeamtung im Wege stünde, hingegen nicht einem anderweit absolvierten juristischen Vorbereitungsdienst), und denjenigen, in denen Bewerber tatsächlich auf die Beeinträchtigung oder Beseitigung der Verfassungsordnung zielen (was die Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst aufgrund zwingenden Verfassungsrechts verbietet), lasse sich durch eine in verfassungskonformer Auslegung nur „entsprechende Anwendung“ (§ 10 Abs. 3 Satz 1 BbgJAG) von § 52 Abs. 1 LBG erreichen (ähnlich VGH München, Beschluss vom 22.12.2022 – 3 B 21.2793 – juris Rn. 26). 
Das OVG stellte fest, dass der Antragsteller die Verfassungsordnung aktiv bekämpfe und auf deren Zerstörung ausgehe. Der Antragsteller sei in führender Funktion bei der Partei „Die Heimat“ (ehemals NPD) tätig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes missachtet die Partei „Die Heimat“ (ehemals NPD) unverändert die freiheitliche demokratische Grundordnung. Nach ihren Zielen und dem Verhalten ihrer Mitglieder und Anhänger ist die Partei auf die Beseitigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung ausgerichtet (BVerfG, Urteil vom 23.01.2024 – 2 BvB 1/19 – juris Rn. 319 ff.). Zudem habe der Antragsgegner zutreffend aufgezeigt, dass das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen die verfassungsfeindlichen Bestrebungen dieser Parteien nicht zuletzt ausdrücklich mit der Betätigung des Antragstellers begründet habe (Urteil vom 17.01.2017 – 2 BvB 1/13 – juris Rn. 684 f.; Urteil vom 23.01.2024 – 2 BvB 1/19 – juris Rn. 347, 367, 382, 390, 412, 447, 469). 

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BVerwG, Beschl. vom 13.05.2024 - 2 B 4. 24 -

Keine Erstattungspflicht bei eigeninitiativer Reha / Keine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör durch Berufungszulassung und - zurückweisung 

Leitsätze 
1. Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn begründet keine Erstattungspflicht für eine Rehabilitierungsmaßnahme, deren Eignung zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit nicht vorab festgestellt worden ist. 
2. Eine mit dem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht zu vereinbarende Überraschungsentscheidung liegt nicht schon deshalb vor, weil das Berufungsgericht die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zugelassen, sodann aber die Berufung zurückgewiesen hat. 
 
Dieser Rechtsstreit betraf die Kostenübernahme für eine ohne Anordnung des Dienstherrn durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme. Der Kläger, ein 2021 in den Ruhestand versetzter Polizeihauptmeister, begab sich im Sommer 2019 eigeninitiativ und ohne vorherige Anordnung des Dienstherrn - in eine stationäre Rehabilitationsbehandlung. Ab Herbst 2019 nahm er seinen Dienst im Rahmen einer Wiedereingliederung wieder auf. Die für die Rehabilitationsmaßnahme entstandenen Kosten erstattete die Beihilfestelle vollständig im Rahmen des dem Kläger zustehenden Bemessungssatzes, die private Krankenversicherung des Klägers jedoch nur in Höhe von 1.143,30 €. Den auf Erstattung des Differenzbetrags in Höhe von 1 612,31 € gerichteten Antrag des Klägers lehnte der Beklagte ab. 
Die erfolglose Berufung wurde damit begründet, dass für die begehrte Kostenerstattung keine Rechtsgrundlage ersichtlich sei, weder in den einschlägigen Verwaltungsvorschriften noch im einfachen Gesetzesrecht, auch aus Verfassungsrecht nicht. 
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision hatte ebenfalls keinen Erfolg. 
Die Beschwerde hat dem BVerwG zufolge, keine bedeutsame Rechtsfrage aufgeworfen. 
Die Frage, ob es gegen die hergebrachten Grundsätze verstoße, vom betroffenen Beamten alle Anstrengungen zur Erhaltung seiner Dienstfähigkeit zu fordern, ihm hierfür aber nicht die zur Durchführung der Maßnahme gebotene angemessene wirtschaftliche Absicherung zu gewähren, würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen, weil die in Rede stehende Rehabilitationsmaßnahme nicht vom Kläger "gefordert" worden sei. 
Der Kläger habe sie eigenständig und ohne vorherige Abstimmung mit dem Dienstherrn veranlasst. Damit habe für den Dienstherrn keine Möglichkeit bestanden, die Erfolgsaussicht der Maßnahme vorab zu prüfen, was gemäß Ziffer 4.3.1 der Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht (VV-BeamtR) vom 13.07.2009 (FMBl. 2009, 190) notwendige Voraussetzung für die Kostenübernahme sei. Auch die "Eignung" der Rehabilitationsmaßnahme, die in dem gesetzlich geregelten Fall der bereits wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzten Beamten nach § 29 Abs. 4 BeamtStG vorausgesetzt wird, sei nicht festgestellt gewesen. 
Zudem begründe die Frage, ob bei "Lücken" im Rahmen der Beihilfevorschriften des Dienstherrn für die Gesundheitsvorsorge ein unmittelbarer Anspruch des Beamten aus der Fürsorgepflicht folgt, die Beschwerde nicht. Es sei in der Rechtsprechung geklärt, dass die verfassungsrechtlich verankerte Fürsorgepflicht des Dienstherrn jedenfalls dann keine unmittelbaren Ansprüche von Beamten begründe, wenn der Regelungsbereich durch spezialgesetzliche Bestimmungen abschließend normiert sei. Im Hinblick auf die Krankheitsvorsorge des Beamten sei die Fürsorgepflicht grundsätzlich abschließend durch die Beihilferegelungen konkretisiert (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.12.2000 - 2 C 39.99 - BVerwGE 112, 308 <310>). Dies gelte auch in Anbetracht des Umstands, dass durch die Beihilfe nicht alle krankheitsbedingten Aufwendungen berücksichtigt werden, sondern - etwa durch Kostendämpfungspauschalen o. ä. – Lücken verbleiben. Verfassungsrechtliche Bedenken würden sich insoweit erst ergeben, wenn die Leistungen des Dienstherrn insgesamt den Beamten nicht mehr in die Lage versetzten, auch im Fall von Krankheit, Pflegebedürftigkeit und Ähnlichem einen amtsangemessenen Lebensstandard verwirklichen zu können (BVerfG, Kammerbeschluss vom 02.10.2007 - 2 BvR 1715/03 u. a. - NJW 2008, 137 Rn. 28). 
Außerdem seien die Kosten von der Beihilfe über den, dem Kläger zustehenden Erstattungssatz vollständig übernommen worden. Der Restbetrag resultiere allein daraus, dass die private Krankenversicherung die Kosten nicht vollständig erstattet habe. 
Die Beschwerde lege auch keinen Verfahrensmangel dar. Ein mit dem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht zu vereinbarendes Überraschungsurteil liege nicht vor. Der Schutz vor einer Überraschungsentscheidung verlange, dass das Gericht nicht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstelle, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauche (stRspr, vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss vom 30.09.2022 - 2 BvR 2222/21 - NJW 2022, 3413 Rn. 28; BVerwG, Beschluss vom 11.07. 2022 - 2 B 31.21 - juris Rn. 29). Es liege nicht schon deshalb eine Überraschungsentscheidung vor, weil das Berufungsgericht die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils zugelassen, sodann aber die Berufung zurückgewiesen habe. 
Eine inhaltliche Bindungswirkung des Zulassungsbeschlusses für das Berufungsverfahren bestehe nach geltendem Prozessrecht nicht. Der Zulassungsbeschluss sei vielmehr allein darauf gerichtet, die Sachprüfung in einem Berufungsverfahren überhaupt erst zu ermöglichen. Er nehme diese aber nicht vorweg. Ernstliche Zweifel seien dabei bereits dann anzunehmen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung der erstinstanzlichen Entscheidung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt worden sei (BVerfG, Kammerbeschluss vom 10.09.2009 - 1 BvR 814/09 - NJW 2009, 3642). Er enthalte aber keinerlei Vorgaben zur inhaltlichen Ausgestaltung der nachfolgenden Berufungsentscheidung. Das Berufungsgericht sei daher auch im Falle der Berufungszulassung wegen ernstlicher Richtigkeitszweifel nicht daran gehindert, nach Sachprüfung im Berufungsverfahren die Zweifel für ausgeräumt zu halten (BVerwG, Beschlüsse vom 28.01.2013 - 2 B 62.12 - juris Rn. 8 ff. und vom 01.03.2016 - 2 B 105.15 - Buchholz 310 § 124 VwGO Nr. 35 Rn. 5 f). Aus dem richterlichen Hinweis des Berufungsgerichts vom 09.02.2023 ergebe sich nichts anderes. Es sei dort ausdrücklich ausgeführt, dass im bayerischen Landesrecht eine Rechtsgrundlage für die begehrte Kostenerstattung nicht ersichtlich sei. Die in Aussicht gestellte Prüfung, ob die vom Kläger begehrte Kostenerstattung sich aus der Fürsorgepflicht ergebe und ggf. durch die Verwaltungsvorschriften wirksam beschränkt werden könne, enthalte nicht einmal die Äußerung einer vorläufigen Rechtsauffassung. Sie sei daher in keinem Fall geeignet, eine Prozesssituation hervorzurufen, bei der ein gewissenhafter Prozessbeteiligter nicht mehr mit der Verneinung möglicher Ansprüche zu rechnen brauchte. Im Übrigen sei durch das Berufungsgericht unter dem 04.07.2023 ein weiterer Hinweis erfolgt, in dem ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass den vorliegenden Unterlagen nicht entnommen werden könne, ob die vom Kläger durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme zur Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit geeignet gewesen sei, was möglicherweise eine Anspruchsvoraussetzung darstelle. Dass die tatsächliche und rechtliche Würdigung des Rechtsstreits damit offen war und sich erst nach Durchführung der mündlichen Verhandlung aufgrund der abschließenden Beratung ergeben würde, habe sich danach jedem Prozessbeteiligten aufdrängen müssen (vgl. hierzu auch BVerwG, Beschlüsse vom 04.06.2020 - 2 B 26.19 - Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 145 Rn. 35 und vom 07.04.2022 - 2 B 8.21 - juris Rn. 25). 

Link zu Entscheidung: BVerwG, Beschl. vom 13.05.2024 - 2 B 4. 24 -
 

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BVerwG, Beschl. v. 02.05.2024 – 2 B 24.23 – 

Disziplinarrecht: Kein Grundrechtsschutz im Hinblick auf dienstliche Tätigkeit 

Leitsatz 
Beamte können sich hinsichtlich ihrer dienstlichen Tätigkeit nicht auf die Grundrechte berufen. Sie dürfen ihre private Auffassung nicht als dienstliche Stellungnahme kennzeichnen. 

Diesem Beschwerdeverfahren lag eine Disziplinarklage der Bundesrepublik zugrunde. Der Beklagte war ein Diplom-Politologe, welcher im Dienst als Oberregierungsrat in einem Referat beim Bundesministerium des Innern und für Heimat verwendet wurde. 
Im Zeitraum März 2020 bis Anfang April 2020 wendete sich der Beklagte mehrfach mit einem Bericht zur Bewertung der Coronakrise an den Leiter und weitere Mitarbeiter des Referats sowie an den Abteilungsleiter. Der Referatsleiter ermahnte den Beklagten mehrfach, er dürfe nicht den Eindruck erwecken, er handle im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit im Referat, er habe etwaige Ausführungen als private Meinung zu kommunizieren. Ende April sendete der Beklagte eine Aufarbeitung seines Brichts an den Leiter des Ministerbüros mit Bitte um Vorlage beim Minister. Dies wurde angelehnt. Es bestand keine Bereitschaft, ein Papier anzunehmen, das vom früheren Referatsleiter nicht akzeptiert und referatsintern nicht abgestimmt worden sei. Zudem wurde der Beklagte angewiesen, den Dienstweg einzuhalten. Nachdem der Beklagte am 08.05.2020 zunächst einen überarbeiteten Auswertungsbericht als offizielle Version des Referats an den Abteilungsleiter schickte, versandte er Minuten später eine Analyse des Corona Krisenmanagements an den E-Mail-Verteiler mit Funktions- und persönlichen E-Mail-Adressen des Bundesministeriums. Der Analyse vorangestellt waren „Gravierende Fehlleistungen des Krisenmanagements“, „Defizite im Regelungsrahmen für Pandemien“ und „Die Coronakrise erweise sich als Fehlalarm“. Der Analyse lagen ein 83-seitiger Auswertungsbericht und ein Anlagenband bei. Anschließend versendete der Beklagte vorstehenden E-Mail zusätzlich an verschiedene E-Mail-Adressen nachgeordneter Bundes- und Landesbehörden unter Angabe seines Referats als Absender. In einer darauffolgenden Pressemitteilung wurde bekannt gegeben, ein Mitarbeiter habe unter Verwendung des BMI Briefkopfes und der dienstlichen Kommunikationskanäle seine Privatmeinung zum Corona-Krisenmanagement der Bundesregierung verbreitet. Die Ausarbeitung sei außerhalb seiner Zuständigkeit und ohne Auftrag und Autorisierung erfolgt. Am 11.05.2020 wurde dem Beklagten die Führung der Dienstgeschäfte untersagt und ein Hausverbot ausgesprochen, sodann folgte ein Disziplinarverfahren. 
Das Verwaltungsgericht sprach die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis aus. Das Oberverwaltungsgericht begründete die Zurückweisung der Berufung des Beklagten unter anderem damit, der Beklagte sei jedenfalls nicht berechtigt gewesen, seine Ausführungen entgegen den Weisungen seiner Vorgesetzten im Namen des Referats in zwei aufeinanderfolgenden E-Mails an weitere Stellen im Bundesministerium und in den Ländern zu versenden. Der Beklagte habe damit nicht nur gegen die ihm obliegende Folgepflicht, sondern auch gegen seine Pflicht zur Loyalität gegenüber der eigenen Behörde verstoßen. Kontroverse Einschätzungen dürften nicht im Namen der Dienststelle unter Umgehung des Dienstwegs an einen breiten Adressatenkreis innerhalb der Behörde selbst und darüber hinaus an andere Behörden übermittelt werden. Durch den Inhalt und die Wortwahl habe der Beklagte gegen seine Pflicht zur Loyalität sowie die Pflicht zur politischen Mäßigung und zu einem achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten verstoßen. 
Der Entscheidung des BVerwG zufolge ist die auf Verfahrensmängel gestützte Beschwerde unbegründet. Das BVerwG entschied unter anderem, die mit der Beschwerde geltend gemachte Verletzung von Art. 4 Abs. 1 GG sowie des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zeige keinen diesbezüglichen Verfahrensmangel auf. Auch in diesem Gewande rüge die Beschwerde in der Sache vielmehr nur die Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls durch das Berufungsgericht. 
Die Beschwerde lege damit auch keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dar. Es sei in der Rechtsprechung vielmehr geklärt, dass sich der Beamte bei seiner dienstlichen Tätigkeit nicht auf die Grundrechte berufen könne (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.10.1987 - 2 C 73.86 - NJW 1988, 1747 juris Rn. 12). Die mit der Ausübung von Hoheitsgewalt verbundene Rechtsmacht werde dem Beamten nicht zur Verwirklichung eigener Vorstellungen oder Grundrechte verliehen; er nehme die ihm übertragenen Aufgaben nicht als Privatperson, sondern als Amtsträger wahr. Der Beamte habe sein Amt daher treuhänderisch "zum Wohl der Allgemeinheit" zu führen, was als "Grundpflicht" des Beamten in § 60 Abs. 1 Satz 2 BBG ausdrücklich niedergelegt sei. Er unterliege dabei der Weisungsbefugnis seines Vorgesetzten, die ein unentbehrliches Glied in der demokratischen Legimitationskette bilde, um den Amtswalter über die parlamentarische Verantwortlichkeit der Regierung mit dem Volkssouverän zu verbinden (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.11.2014 - 2 C 24.13 - BVerwGE 150, 366 Rn. 31 m. w. N.). Als Ausfluss der Staatsgewalt legimitiere sich die Amtsführung aus dem Willen des Volkes, nicht aus den Grundrechten des als Amtswalter handelnden Beamten. 
Der Beamte könne eine Amtshandlung daher nicht unter Berufung auf seine abweichende Meinung, Weltanschauung oder Religion verweigern; ebenso wenig dürfe er sich bei seiner Amtsführung von entsprechenden privaten Vorstellungen leiten lassen. Er habe die dienstlichen Anordnungen seines Vorgesetzten zu befolgen und Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit im Wege der Remonstration geltend zu machen (vgl. BVerwG, Urteile vom 11.12.2014 - 2 C 51.13 - BVerwGE 151, 114 Rn. 26 und vom 20.09.2018 - 2 C 45.17 - BVerwGE 163, 129 Rn. 19; hierzu auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 19.10.2006 - 2 BvR 1925/06 - juris Rn. 16). 

Link zur Entscheidung: BVerwG, Beschl. v. 02.05.2024 – 2 B 24.23 – 


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BVerwG, Urt. v. 02.05.2024 – 2 C 13.23 – 

Versorgungsrechtliche Irrelevanz von nicht abgebauten Zeitguthaben auf Lebensarbeitszeitkonten

Leitsatz 
Für die Berechnung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit bei Teilzeitbeschäftigung ist die sich aus der Teilzeitquote im Teilzeitbewilligungsbescheid ergebende Dienstzeit maßgeblich; bei Versetzung in den Ruhestand nicht abgebaute Zeitguthaben auf Lebensarbeitszeitkonten sind grundsätzlich versorgungsrechtlich irrelevant. 
 
Der Kläger, ein Postoberamtsrat im Dienst der Deutschen Post AG, begehrte die versorgungsrechtliche Berücksichtigung von über die Teilzeitquote hinaus erbrachter Arbeitszeit, die er als Zeitguthaben auf einem Lebensarbeitszeitkonto angespart hat. Aufgrund der geplanten Inanspruchnahme eines Altersteilzeitmodells wurde dem Kläger ab Januar 2017 bis Dezember 2019 eine Teilzeitbeschäftigung mit einer Arbeitszeit von 50% der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit bewilligt. Im Umfang der Arbeitszeit, die der Kläger über die festgesetzte Teilzeitquote hinaus Dienst leistete, erfolgte eine Gutschrift auf einem Lebensarbeitszeitkonto mit dem Ziel, das Zeitguthaben in einer Freistellungsphase am Ende der Altersteilzeit abzubauen. Zum Eintritt in die Freistellungsphase kam es jedoch nicht, weil der Kläger ab Januar 2020 mit der Bewilligung eines "Engagierten Ruhestands" ein anderes Vorruhestandsmodell in Anspruch nahm. Im Versorgungsfestsetzungsbescheid vom 13.01.2020 berücksichtigte die Beklagte die von 2017 bis 2019 zurückgelegte Dienstzeit entsprechend der Teilzeitquote in den Teilzeitbewilligungsbescheiden nur hälftig. Der hiergegen erhobene Widerspruch sowie auch die Klage und die Berufung blieben erfolglos. 
Das BVerwG entschied, dass die Revision unbegründet ist. Das Berufungsgericht habe die vom Kläger im Zeitraum vom 01.01.2017 bis zum 31.08.2019 erbrachte Dienstzeit bei der Festsetzung der Versorgungsbezüge zu Recht nur im Umfang der in den Teilzeitbewilligungsbescheiden festgesetzten Teilzeitquoten berücksichtigt. 
Ausgangspunkt für die Festsetzung der Beamtenversorgung sei die durch Verwaltungsakte festgesetzte Teilzeitquote (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 BeamtVG). Die zusätzliche Arbeitsleistung diente lediglich dem Aufbau eines Zeitguthabens auf dem Lebensarbeitszeitkonto des Klägers, das zu einem späteren Zeitpunkt in eine Freistellung münden und mit dem die Erbringung der Arbeitsleistung in der Freistellungsphase fingiert werden sollte. Die zum Aufbau eines Zeitguthabens erbrachte Arbeitsleistung sei weder reguläre Dienstzeit noch Ersatz hierfür. Zeitguthaben auf Lebensarbeitszeitkonten seien deshalb für Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte gleichermaßen versorgungsrechtlich irrelevant. 
Die Teilzeitbewilligungsbescheide seien unverändert wirksame Grundlage für die Berechnung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit. 
Sie seien nicht durch die finanzielle Abgeltung des im Zeitpunkt des Ruhestandseintritts noch nicht abgebauten Zeitguthabens aufgehoben oder geändert worden. Nach § 43 Abs. 2 VwVfG bleibe ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt sei. Ein Anspruch auf nachträgliche Anerkennung der Ruhegehaltfähigkeit bestehe demnach nur, wenn zuvor der festgesetzte Umfang der Teilzeitbeschäftigung, mithin der Teilzeitbewilligungsbescheid aufgehoben worden sei. Die finanzielle Abgeltung des im Zeitpunkt des Ruhestandseintritts nicht abgebauten Zeitguthabens gemäß § 9 Abs. 2 Satz 4 Post-AZV lasse die Wirksamkeit der Teilzeitbewilligungsbescheide unberührt. Einer Aufhebung oder Änderung der bestehenden Teilzeitbewilligungsbescheide habe es zur Gewährung der finanziellen Abgeltung aufgrund des Vorhandenseins einer eigenständigen Rechtsgrundlage nicht bedurft. 
Die Teilzeitbewilligungsbescheide seien auch nicht durch die Bewilligung des "Engagierten Ruhestands" konkludent aufgehoben oder geändert worden. Dem Bewilligungsbescheid könne kein Aufhebungswille entnommen werden. Es fehlen Anhaltspunkte für eine konkludente Aufhebung. Auch der Kläger habe entsprechende Anträge nicht gestellt. § 9 Abs. 2 Satz 4 Post-AZV sehe im Fall der nachträglichen Unmöglichkeit einer Freistellung (nur) eine finanzielle Abgeltung des nicht abgegoltenen Zeitguthabens vor. Auch die Regelung in § 2a ATZV sehe ebenfalls keine Rückabwicklung in versorgungsrechtlicher Hinsicht vor. Die Bewilligung des "Engagierten Ruhestands" stehe daher nicht in einem objektiven Widerspruch zum Regelungsgehalt der Teilzeitbewilligungsbescheide. 
Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf die rückwirkende Aufhebung der bestandskräftigen Bescheide. Im Hinblick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit bestehe ausnahmsweise dann ein Anspruch auf Aufhebung eines bestandskräftigen Verwaltungsakts, wenn dessen Aufrechterhaltung schlechthin unerträglich ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 7. Oktober 2020 - 2 C 18.19 - BVerwGE 169, 318 Rn. 42). Eine Aufrechterhaltung der Teilzeitbewilligungsbescheide sei jedoch nicht schlechthin unerträglich. Der Umstand, dass nachträglich günstigere Möglichkeiten für den Eintritt in den Vorruhestand geschaffen wurden, reiche hierfür nicht aus (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. April 2015 - 2 B 69.14 - Buchholz 237.8 § 80f RhPLBG Nr. 1 Rn. 12). Der Kläger habe durch die Versetzung in den "Engagierten Ruhestand" zwar nachträglich eine versorgungsrechtliche Entwertung seines Zeitguthabens auf dem Lebensarbeitszeitkonto und damit der im Vorgriff auf die geplante Inanspruchnahme des Altersteilzeitmodells erbrachten Arbeitsleistung erfahren. Die Unmöglichkeit der Inanspruchnahme der Freistellungsphase im Rahmen der Altersteilzeit mit der Folge des Nichterwerbs weiterer ruhegehaltfähiger Dienstzeiten gehe jedoch auf seinen eigenen Antrag zurück. Der Kläger habe den Wechsel der unterschiedlichen Ruhestandsmodelle, die je unterschiedliche Vor- und Nachteile mit sich bringen, bewusst und in Kenntnis der damit verbundenen versorgungsrechtlichen Folgen gewählt und beschritten. Er habe folglich auch die nachteiligen Folgen des "Spurwechsels" zu tragen und könne nicht die jeweils für ihn günstigen Teilelemente isoliert im Sinne eines "Rosinenpickens" für sich in Anspruch nehmen. 
Aus Unionsrecht folge nichts anderes. Soweit eine Ungleichbehandlung von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten vorliege, sei ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des § 4 Nr. 1 des Anhangs zur RL 97/81/EG gegeben, wenn die unterschiedliche Behandlung nicht aus objektiven Gründen gerechtfertigt sei. Darunter seien Gründe zu verstehen, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Beschäftigungsumfangs zu tun haben und die auch nicht dazu führen, dass tragende Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ausgehöhlt werden. Ob ein derartiger Rechtfertigungsgrund vorliege, müssten die Gerichte der Mitgliedstaaten feststellen, weil sie für die Beurteilung des Sachverhalts und die Auslegung des innerstaatlichen Rechts allein zuständig seien (vgl. BVerwG, Urteile vom 20.10.2022 - 2 C 30.20 - Buchholz 240 § 47 BBesG Nr. 19 Rn. 18 m. w. N. und vom 09.11.2023 - 2 C 12.22 - juris Rn. 19). Unter Anwendung dieser Grundsätze sei bereits eine Ungleichbehandlung von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten zu verneinen. Eine Beschränkung in Bezug auf eine bestimmte Art der Beschäftigung (Voll- oder Teilzeit) sehe die Post-Arbeitszeitverordnung nicht vor. Auch bei vollzeitbeschäftigten Beamten löse die Unmöglichkeit der Inanspruchnahme einer Freistellung auf Basis des angesparten Zeitguthabens am Ende der Altersteilzeit oder bis zum Eintritt in den Ruhestand lediglich einen Anspruch auf finanzielle Abgeltung des Zeitguthabens aus (§ 9 Abs. 2 Satz 4 und 5 Post-AZV). 
Zusätzliche Arbeitsleistung, d.h. bei vollzeitbeschäftigten Beamten über die normativ geregelte Wochenarbeitszeit hinausgehende und bei teilzeitbeschäftigten Beamten über die sich aus der Teilzeitquote ergebende Wochenarbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit, sei - auch als Zeitguthaben auf einem Lebensarbeitszeitkonto - für die Versorgung sowohl der vollzeitbeschäftigten als auch der teilzeitbeschäftigten Beamten gleichermaßen irrelevant; in beiden Fällen spiele die zusätzliche Arbeit keine Rolle bei der für die Berechnung der Versorgungsbezüge maßgeblichen Dauer der Dienstzeit nach § 6 Abs. 1 Satz 1 und 3 BeamtVG (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.11.2023 - 2 C 12.22 - juris Rn. 21). 

Link zur Entscheidung: BVerwG, Urt. v. 02.05.2024 – 2 C 13.23 – 


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OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 19.04.2024 - OVG 4 S 7/24 - 

Unzulässige Antragserweiterung im Beschwerdeverfahren bei Begehren der Begründung des Beamtenverhältnisses "zum nächstmöglichen Termin" 

Leitsatz 
Im Beschwerdeverfahren ist eine Antragserweiterung grundsätzlich unzulässig. Hiervon ist für das Begehren eines die Begründung des Beamtenverhältnisses erstrebenden, nicht ausgewählten Bewerbers keine Ausnahme zu machen, wenn sich dessen Einstellung zu dem von ihm gewünschten Zeitpunkt durch Zeitablauf und Besetzung der freien Stellen mit anderen Bewerbern nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts erledigt, und er nunmehr im Beschwerdeverfahren die Begründung des Beamtenverhältnisses "zum nächstmöglichen Termin" erstrebt (entgegen OVG Koblenz vom 8. Dezember 2022 – 2 B 10974/22 – juris Rn. 7). 
 
Der Antragsteller hatte sich ursprünglich im Wege des einstweiligen Rechtschutzes gegen die Ablehnung des Antragsgegners, den Antragsteller in die Ausbildung für den mittleren Dienst der Berliner Schutzpolizei zum Einstellungstermin des 01.03.2024 aufzunehmen. Das Verwaltungsgericht Berlin befand, der Antragsgegner habe ermessens- und beurteilungsfehlerfrei die Einstellung des Antragstellers in den Vorbereitungsdienst für die Laufbahn des mittleren Polizeivollzugsdienstes wegen Zweifeln an der charakterlichen Eignung abgelehnt. Der Antragsteller habe sich bei einem Vorfall am 27.12.2022 innerhalb von kürzester Zeit in der von ihm als bedrohlich empfundenen Situation zu einem Einsatz von Reizgas im Innenbereich trotz Anwesenheit vieler unbeteiligter Personen entschlossen, so dass er deren Beeinträchtigung zumindest in Kauf nahm. Es sei nicht ersichtlich, dass er zunächst andere deeskalierende Mittel in Betracht gezogen habe. Ferner könnten auch solche Vorfälle herangezogen werden, die nicht zu einer Verurteilung geführt haben, sondern bei denen das Ermittlungsverfahren eingestellt worden sei. Der Antragsgegner sei nicht daran gehindert, den Vorfall für die zu treffende Prognoseentscheidung der charakterlichen Eignung zu verwerten. Aus verwaltungsrechtlicher Sicht genügten Zweifel hieran. 
Das OVG entschied, das Verwaltungsgericht habe das Begehren des Antragstellers, den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig – bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache – zu verpflichten, ihn in die Ausbildung für den mittleren Dienst der Berliner Schutzpolizei zum 01.03.2024 im Beamtenverhältnis auf Widerruf aufzunehmen, zu Recht abgelehnt. 
Das OVG zweifelte bereits daran, ob das Bestehen des Anordnungsanspruchs hinreichend dargelegt wurde. Denn die Beschwerde trage nicht vor, wie sich der am 27.12.2022 ereignete Vorfall aus Sicht des Antragstellers darstelle und welche Rückschlüsse für seine – aus seiner Sicht bestehende – charakterliche Eignung zu ziehen seien. Jedenfalls aber sei die Beschwerde unbegründet, da die Verwirklichung des Bewerbungsverfahrensanspruchs durch Zeitablauf und wegen der Besetzung aller Stellen ausgeschlossen sei. 
Darüber hinaus erweise sich die Beschwerde dem OVG zufolge als unzulässig, soweit der Antragsteller erstmals im Beschwerdeverfahren mit dem in der Beschwerdebegründung gestellten Hilfsantrag das Begehren verfolge, ihn „vorläufig zum nächstmöglichen Termin in die Ausbildung für den mittleren Dienst der Berliner Schutzpolizei aufzunehmen. Denn damit nehme der Antragsteller eine Antragserweiterung vor, die im Beschwerdeverfahren grundsätzlich nicht statthaft sei (st. Rspr., vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 28.12.2020 – OVG 4 S 37/20 – juris m. w. N.). Soweit sich der Antragsteller für die Zulässigkeit der Antragserweiterung auf den Beschluss des OVG Koblenz vom 08.12.2022 – 2 B 10974/22 – juris Rn. 7 (im Anschluss an OVG Magdeburg, Beschluss vom 08.08.2013 – 3 M 202/13 – juris Rn. 6) meine stützen zu können, sei dem nicht zu folgen. Es bestehe vorliegend keine Veranlassung, von der ständigen Rechtsprechung des Senats abzuweichen. Die Beschlüsse beider Oberverwaltungsgerichte begründen die Zulässigkeit der Antragsänderung im Beschwerdeverfahren letztlich damit, dass es sich lediglich um eine mit Blick auf den Zeitablauf gebotene, verfahrensrechtlich unschädliche Antragsanpassung handele. Dem stehe jedoch entgegen, dass ein Antragsteller die Aufnahme in das Beamtenverhältnis zum Zweck der Ausbildung in zulässiger Weise nicht pauschal „jetzt oder irgendwann“ begehren kann, sondern stets nur mit Bezug auf eine konkrete Stellenausschreibung. Denn der Bewerbungsverfahrensanspruch bestehe nicht losgelöst von einem Besetzungsverfahren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.11.2016 – 1 BvR 2317/15 – juris Rn. 10), sondern stets nur mit Bezug auf ein konkretes Auswahlverfahren (BVerwG, Beschlüsse vom 10.05.2016 – 2 VR 2.15 – juris Rn. 16 und vom 26.03.2024 – 2 VR 10.23 – juris Rn. 19, 21). Daher könne (letztlich vorsorglicher) einstweiliger Rechtsschutz mit Bezug auf ein zukünftiges Stellenbesetzungsverfahren, dessen Beginn sich überdies der Kenntnis des Senats entziehe, nicht in zulässiger Weise begehrt werden. Auch sei weder dargelegt noch ersichtlich, dass sich der Antragsteller insoweit auf einen Anordnungsgrund berufen könne. Für die Feststellung der geltend gemachten Rechtswidrigkeit der für den Antragsteller negativen Auswahlentscheidung verbleibe ihm die Fortsetzungsfeststellungsklage. 

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BVerwG, Urt. v. 11.04.2024 – 2 A 6.23 – 

Keine unionsrechtlichen Belehrungspflichten bezüglich des Verfalls von Mehrurlaub 

Leitsätze 

1. Das gemäß § 126 Abs. 3 BRRG, § 126 Abs. 2 Satz 1 BBG i. V. m. §§ 68 ff. VwGO in allen beamtenrechtlichen Streitverfahren vor der Klageerhebung durchzuführende Vorverfahren kann als Sachurteilsvoraussetzung noch während des Prozesses nachgeholt werden. 

2. Die Regelung über den Verfall des Urlaubs in § 7 Abs. 2 EUrlV ist von der Verordnungsermächtigung des § 89 Satz 2 BBG gedeckt. 

3. Der Verfall des Mehrurlaubs tritt nach § 7 Abs. 2 EUrlV unabhängig davon ein, ob der Kläger von seinem Dienstherrn über diesen Umstand belehrt worden ist. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zu den Belehrungspflichten des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer zum Verfall des Urlaubsanspruchs betrifft ausschließlich den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub, nicht hingegen einen darüber hinausgehenden Mehrurlaub. 

 

Der Kläger, ein Bundesbeamter beim BND, begehrte seinen Erholungsurlaub aus dem Jahr 2021 seinem aktuellen Urlaubskonto gutzuschreiben. In den Jahren 2021 und 2022 hatte der Kläger keinen Erholungsurlaub genommen. Der für den Aufstieg in den höheren nichttechnischen Verwaltungsdienst zugelassene Kläger schrieb ab Juli 2022 seine Masterarbeit. Mit E-Mail vom 22.11.2022 erteilte der BND den Hinweis: "Achtung: Die 20 Urlaubstage aus 2021 verfallen mit Ablauf des 31.12.2022 ersatzlos!" Mit E-Mail vom selben Tag fragte der Kläger nach, ob er die Urlaubstage jetzt noch nehmen und dafür die Abgabe seiner Masterarbeit nach hinten verschieben könne. Auf erneute Nachfrage am 16.01.2023 wurde dem Kläger mitgeteilt, sein Erholungsurlaubsanspruch aus 2021 sei mit Ablauf des 31.11.2022 endgültig verfallen. Der BND komme als Dienstherr seiner diesbezüglichen Aufklärungspflicht durch die Abwesenheitskarten nach, die seit dem Jahr 2019 zu Beginn jedes Kalenderjahres den Mitarbeitern zur Unterschrift vorgelegt würden. Auch sei der Kläger mit der E-Mail vom 22.11.2022 auf den drohenden Verfall seines Urlaubsanspruchs hingewiesen worden. 

Am 27.07.2023 wurde Klage erhoben. Mit Bescheid vom 28.09.2023 wurde die Übertragung des Erholungsurlaubs aus 2021 in das Jahr 2023 abgelehnt. Mit Widerspruchsbescheid vom 04.01.2024 wurde der Bescheid vom 28.09.2023 teilweise aufgehoben und festgestellt, dass der im Jahr 2021 entstandene Anspruch auf Erholungsurlaub im Umfang von 20 Tagen nicht mit Ablauf des 31.12.2022 verfallen sei; im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Während des Klageverfahrens erklärten die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache insoweit für erledigt, als das Begehren des Klägers bezüglich des Mindesturlaubs von 20 Tagen bereits durch den Widerspruchsbescheid entsprochen worden war. Im Hinblick auf den Mehrurlaub aus 2021 wies das BVerwG die Klage ab. 

Das BVerwG führte zunächst aus, dass gemäß § 126 Abs. 3 BRRG, § 126 Abs. 2 Satz 1 BBG i. V. m. §§ 68 ff. VwGO in allen beamtenrechtlichen Streitverfahren vor der Klageerhebung durchzuführende Vorverfahren als Sachurteilsvoraussetzung noch während des Prozesses nachgeholt werden könne. Anders sei dies bei einem ein Verwaltungsverfahren erst einleitenden Antrag auf eine begehrte Leistung, der eine nicht nachholbare Klagevoraussetzung sei (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Juni 2020 - 2 C 20.19 - BVerwGE 168, 236 Rn. 38 m. w. N.). Im vorliegenden Fall konnte das Widerspruchsverfahren auch noch nach Klageerhebung eingeleitet und durchgeführt werden. Der Kläger habe bereits mit seiner Anfrage vom 22.11.2022 und mit seiner Erinnerung vom 16.01.2023 sein Interesse deutlich gemacht, die ihm für das Jahr 2021 zustehenden Urlaubstage nehmen zu wollen. Nicht erforderlich sei, einen Urlaubsantrag für konkrete Kalendertage zu stellen. 

Das BVerwG entschied ferner, der über den unionsrechtlich gewährleiteten Mindesturlaub hinausgehende Mehrurlaub von 10 Tagen aus 2021 sei verfallen. 

Die Regelung über den Verfall des Urlaubs in § 7 Abs. 2 EUrlV sei von der Verordnungsermächtigung des § 89 Satz 2 BBG gedeckt. 

Die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Verordnungsermächtigung stehen in engem Zusammenhang mit dem Wesentlichkeitsgrundsatz. Danach verpflichten das Rechtsstaatsprinzip und das Demokratiegebot den parlamentarischen Gesetzgeber, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen im Wesentlichen selbst zu treffen. Die Bestimmtheit der Ermächtigungsnorm muss der Grundrechtsrelevanz der Regelung entsprechen. Je erheblicher diese in die Rechtsstellung der Betroffenen eingreift, desto höhere Anforderungen müssen an den Bestimmtheitsgrad der Ermächtigung gestellt werden. Mit der Ermächtigung soll der parlamentarische Gesetzgeber die Gesetzgebungsmacht der Exekutive so genau umreißen, dass schon aus der Ermächtigung erkennbar und vorhersehbar ist, was dem Bürger gegenüber zulässig sein soll. Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG untersagt damit der Legislative eine "maß"-lose Delegation ihrer Rechtsetzungsgewalt; die durch die Verordnungsermächtigung vorgegebene Regelungsdichte muss eine willkürliche Handhabung durch die Exekutive ausschließen. 

Der § 89 Satz 2 BBG lasse Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG) erkennen und erfasse auch den Verfall des Urlaubs. Regelungen zum Verfall des Urlaubs seien von der Befugnis zur Regelung der Bewilligung des Urlaubs erfasst. Wegen der geringen Grundrechtsrelevanz von Urlaubsverfallsregelungen sei eine ausdrückliche Benennung oder eine detailliertere Vorgabe im Parlamentsgesetz nicht erforderlich. 

Schließlich entschied das BVerwG, der Verfall des Mehrurlaubs trete unabhängig davon ein, ob der Kläger von seinem Dienstherrn über diesen Umstand belehrt worden sei. Die Verpflichtung zur Belehrung über den Verfall des Urlaubsanspruchs beschränke sich auf den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubsanspruch. Zwölf Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres nicht in Anspruch genommener Urlaub verfälle nach § 7 Abs. 2 EUrlV. Der Wortlaut des § 7 Abs. 2 EUrlV unterscheide nicht zwischen Mindest- und Mehrurlaub und erfasse daher beide Urlaubsarten. Auch nach Sinn und Zweck der Verfallsregelung - Gewährleistung des Erholungszwecks und demnach auch des Gesundheitsschutzes sowie des Freizeitzwecks durch zeitnahe Urlaubsgewährung - sei eine Beschränkung der Verfallsregelung auf den Mindesturlaub nicht veranlasst. 

Ein anderes Ergebnis folge auch nicht aus Unionsrecht. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den Belehrungspflichten des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer zum Verfall des Urlaubsanspruchs betreffe ausschließlich den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub, nicht hingegen einen darüber hinausgehenden Mehrurlaub. In seinen Entscheidungen vom 06.11.2018 - C-619/16 - Kreuzinger (NJW 2019, 36) und - C-684/16 - Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (NJW 2019, 495), habe der EuGH seine Rechtsprechung zu unionsrechtlichen Belehrungspflichten bezüglich des drohenden Verfalls des unionsrechtlichen Mindesturlaubs entwickelt. Im Nachgang dazu habe der EuGH in seinem Urteil vom 19.11.2019 - C-609/17 u. a. - TSN, AKT (NJW 2020, 35 Rn. 33 ff.) ausdrücklich bekräftigt, dass die RL 2003/88/EG lediglich Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung enthalte und das Recht der Mitgliedstaaten, für den Schutz der Arbeitnehmer günstigere nationale Vorschriften anzuwenden, unberührt bleibe. In solchen Fällen seien über das in Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG vorgesehene Mindestmaß hinausgehende Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub nicht durch die Richtlinie geregelt, sondern durch das nationale Recht, außerhalb der Regelung der Richtlinie. Es sei daher Sache der Mitgliedstaaten, zu entscheiden, ob sie den Arbeitnehmern einen über die in Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG garantierte Mindestdauer von vier Wochen hinausgehenden Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub zuerkennen und gegebenenfalls die Bedingungen für die Gewährung und das Erlöschen solcher zusätzlicher Urlaubstage festzulegen, ohne dass sie insoweit an die Schutzregeln gebunden seien, die der Gerichtshof der Europäischen Union in Bezug auf die Mindestdauer des bezahlten Jahresurlaubs herausgearbeitet habe. Der Gerichtshof der Europäischen Union beanspruche die Geltung seiner Rechtsprechung zu Art. 7 RL 2003/88/EG folglich nur für den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub. Der darüberhinausgehende Mehrurlaub sei rein nationalrechtlich zu beurteilen. Das entspreche auch der Einordnung in der nationalen Rechtsprechung (BVerfG, Kammerbeschluss vom 15. Mai 2014 - 2 BvR 324/14 - NVwZ 2014, 1160 Rn. 12 ff.). Auch das Bundesarbeitsgericht vertrete keine hierzu abweichende Rechtsprechung, sondern komme lediglich aufgrund anderer normativer Regelungen im Bundesurlaubsgesetz und in Tarifverträgen teilweise zu dem Ergebnis, dass sich Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers auch auf tarifvertragliche Urlaubsregelungen erstrecken (BAG, Urteile vom 19. Februar 2019 - 9 AZR 423/16 - BAGE 165, 376 Rn. 12 ff., vom 7. September 2021 - 9 AZR 3/21 (A) - NZA 2022, 107 Rn. 22 ff.). 


Link zu Entscheidung:
BVerwG, Urt. v. 11.04.2024 – 2 A 6.23 –
 

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BVerwG, Urt. v. 11.04.2024 – 2 C 6.23 – 

Beamtenversorgungsrecht: keine Anrechnung von Unfallmehrleistung

Leitsatz

Die von der Unfallkasse zur Honorierung der Aufopferung eines Verstorbenen gewährte Mehrleistung ist keine Rente im Sinne des Beamtenversorgungsrechts und bleibt von entsprechenden Anrechnungsvorschriften daher verschont.

 

Die Klägerin war Ehefrau eines verbeamteten Universitätsprofessors, der 2013 bei einem Unfall in Venedig, sie und ihre drei Kinder retten konnte, dabei aber selbst ums Leben kam. Der Beklagte gewährte der Klägerin seit September 2013 Hinterbliebenenversorgung. Neben diesen Versorgungsbezügen gewährte die Unfallkasse Baden-Württemberg der Klägerin eine Witwenrente sowie Mehrleistungen nach § 94 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII). Unter Aufhebung des vorhergehenden Versorgungsfestsetzungsbescheids reduzierte das Landesamt für Finanzen die Hinterbliebenenversorgung aufgrund der ergänzenden Anrechnung der, der Klägerin gewährten Mehrleistungen mit Bescheid vom 06.09.2019. Widerspruch, Klage und Berufung hiergegen blieben erfolglos. Das Bundesverwaltungsgericht hielt die Revision für begründet und hob die vorinstanzlichen Urteile sowie den Bescheid vom 06.09.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids auf. 

Das BVerwG befand, dass Mehrleistungen nach § 94 SGB VII zwar verfahrenstechnisch im Zusammenhang mit einer Rentenleistung gewährt werden. Sie seien indes bereits begrifflich von der "Rente" selbst unterschieden und im Vierten Abschnitt des SGB VII als eigenständiger Titel ausgewiesen. Dementsprechend führe die Mehrleistung nicht zur Erhöhung einer Rente, sondern zur Gewährung einer zusätzlichen und eigenständigen Leistung, die an von der Rentenzahlung unabhängige Voraussetzungen geknüpft sei. 

Unabhängig davon, ob Mehrleistungen i. S. d. § 94 SGB VII nach sozialrechtlichen Begrifflichkeiten eine Rente darstellen würden, seien sie jedenfalls keine Renten im Sinne der beamtenversorgungsrechtlichen Anrechnungs- und Ruhensregelungen.

Die Zweckbestimmung des Anliegens der Vermeidung einer Doppelalimentation sei zu berücksichtigen. Eine Doppelalimentation sei nur zu befürchten − und durch entsprechende Regelungen des Beamtenversorgungsrechts zu vermeiden −, wenn der ggf. zusätzlichen sozialversicherungsrechtlichen Leistung eine Arbeitsleistung zugrunde liege. Gehe es dagegen um andere Versicherungsleistungen, bestehe im Hinblick auf die beabsichtigte Vermeidung einer Doppelversorgung kein Grund − und auch keine Rechtfertigung − für eine Anrechnung.

Die in Rede stehenden Mehrleistungen knüpften nicht an eine Arbeitsleistung an und würden sich hinsichtlich ihrer Zweckbestimmung grundlegend von einer "Rente" unterscheiden, weil sie zur Honorierung einer Aufopferung des Verstorbenen gewährt werden.

Zu einer Doppelversorgung komme es allerdings nur, wenn neben dem Anspruch auf Versorgungsbezüge zusätzlich Ansprüche auf Leistungen nach dem Sozialversicherungsrecht mit Lohn- oder Unterhaltsersatzfunktion bestehen.

Mehrleistungen i. S. d. § 94 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VII seien für "Tätigkeiten" außerhalb versicherter Arbeitsverhältnisse vorgesehen (vgl. Fiebert, ZTR 2007, 421 zu Nr. 4.3.5). Sie fänden keine Entsprechung im Arbeitsentgelt des Verstorbenen, der sein gesamtes Berufsleben im Beamtenverhältnis verbracht habe, wenngleich sich die Höhe der Mehrleistungen ausgehend vom (Höchst-)Jahresarbeitsverdienst (vgl. § 81 ff. SGB VII) bestimme. Denn Mehrleistungen sollen nur Personen erhalten, die sich im Interesse des Gemeinwohls betätigt haben und dabei durch Unfall oder Krankheit zu Schaden gekommen sind (vgl. BT-Drs. IV/938 [neu] S. 25 - noch zu § 765 RVO; BT-Drs. 13/2204 S. 98; BR-Drs. 263/95 S. 279). Sie werden in erster Linie zur Honorierung einer Aufopferung gewährt. Dem entspreche es, dass Mehrleistungen im sozialversicherungsrechtlichen Regelungssystem gerade nicht verrechnet werden sollen (vgl. § 94 Abs. 3 SGB VII); Mehrleistungen sollen in jedem Fall dem Berechtigten zugutekommen (vgl. BT-Drs. IV/938 [neu] S. 25 noch zu § 765 Abs. 3 RVO). Aufgrund dieser gesetzgeberischen Wertung trete der Charakter einer Unterhaltsersatzleistung zurück und könne Mehrleistungen keine originär existenzsichernde Funktion beigemessen werden.

Link zur Entscheidung: 

BVerwG, Urt. v. 11.04.2024 – 2 C 6.23 – 

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OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 10.04.2024 - OVG 4 N 36/23 

Feuerwehrdienstfähigkeit / Zuständigkeit amtsärztlicher Dienst bei mutmaßlicher Dienstunfähigkeit 

Leitsatz 

Der amtsärztliche Dienst ist ohne Weiteres für die Begutachtung mutmaßlich dienstunfähiger Beamter des Landes Brandenburg zuständig. 

 

Die Klage eines Feuerwehrbeamten des Landes Brandenburg gegen den Bescheid über seine Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit war von dem Verwaltungsgericht Potsdam abgewiesen worden. Der Kläger beantragte erfolglos die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des VG. 

Im Rahmen der Geltendmachung ernstlicher Richtigkeitszweifel war der Kläger der Auffassung, seine Dienstunfähigkeit sei allein an § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG zu messen. Das OVG war anderer Meinung, denn wie sich aus § 26 Abs. 1 Satz 4 BeamtStG ergebe, können für Gruppen von Beamtinnen und Beamten besondere Voraussetzungen für die Dienstunfähigkeit durch Landesrecht geregelt werden. Das sei mit der Regelung der Polizeidienstfähigkeit in § 116 Abs. 1 LBG geschehen, einer nach § 117 Abs. 1 Satz 1 LBG im feuerwehrtechnischen Dienst entsprechend anzuwendenden Norm. Demgemäß sei ein Beamter des feuerwehrtechnischen Diensts dienstunfähig, wenn er den besonderen gesundheitlichen Anforderungen für den feuerwehrtechnischen Dienst nicht mehr genügt und nicht zu erwarten ist, dass er seine volle Verwendungsfähigkeit innerhalb von zwei Jahren wiedererlangt (Feuerwehrdienstunfähigkeit), es sei denn, die auszuübende Funktion erfordert bei Beamten auf Lebenszeit diese besonderen gesundheitlichen Anforderungen auf Dauer nicht mehr uneingeschränkt. 

Darüber hinaus forderte der Kläger u.a. eine Ausfüllung der Gesetzesbestimmung über die Dienstfähigkeit durch weitere Normen oder landesrechtliche Verwaltungsvorschriften. Dem entgegen wies das OVG darauf hin, dass vielmehr höchstrichterlich geklärt sei, dass Maßstab der Feuerwehrdienstfähigkeit nicht das abstrakt-funktionelle Amt eines Feuerwehrbeamten bei seiner Beschäftigungsbehörde ist, sondern sämtliche Ämter der Laufbahn des feuerwehrtechnischen Dienstes sind. Der Feuerwehrbeamte muss zu jeder Zeit, an jedem Ort und in jeder Stellung einsetzbar sein, die seinem statusrechtlichen Amt entspricht (entsprechend zur Polizeidienstfähigkeit BVerwG, Beschluss vom 6. November 2014 – 2 B 97.13 – juris Rn. 10; Heid, in: Brinktrine/Schollendorf, BeckOK Beamtenrecht, Stand Oktober 2023, § 26 BeamtStG Rn. 3.1). Das Bundesverwaltungsgericht halte keine weiteren untergesetzlichen Vorschriften für notwendig, erkenne vielmehr auf die volle gerichtliche Überprüfung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Dienstunfähigkeit (BVerwG, Urteil vom 16. November 2017 – 2 A 5.16 – juris Rn. 20). Eine – vom Kläger im Bundesrecht gefundene, für Brandenburg vermisste – Verwaltungsvorschrift wäre wegen ihrer Innenrechtswirkung nicht in der Lage, die gerichtliche Überprüfung der Eignung anhand der §§ 116 f. LBG zu modifizieren. 

Zudem entschied das OVG, der Kläger bestreite (u.a.) zu Unrecht die Zuständigkeit des amtsärztlichen Dienstes zur Begutachtung der Dienstfähigkeit des Klägers. Dessen Kompetenz ergebe sich speziell aus § 10 Abs. 1 BbgGDG. Diese Vorschrift gehe der Regelung in § 43 LBG vor, nach der der zuständige Arzt für die Begutachtung erst noch zu bestimmen ist (siehe auch § 116 Abs. 2 LBG). Die jüngeren Beamtengesetze haben die frühere Allzuständigkeit des amtsärztlichen Dienstes zugunsten weiterer, noch zuzulassender Ärzte aufgelöst (siehe Hebeler, in: Battis, BBG, 6. Aufl. 2022, § 48 Rn. 3). Der brandenburgische Gesetzgeber habe den amtsärztlichen Dienst nicht seiner bisherigen Zuständigkeit (gemäß § 115a LBG a.F.) entheben wollen; andernfalls hätte er § 10 Abs. 1 BbgGDG geändert. Es komme hinzu, dass der in § 43 Abs. 1 Satz 3 LBG zur Gutachterbestimmung für die Beamten der kommunalen Dienstherren autorisierte Kommunale Versorgungsverband Brandenburg mit Rundschreiben 1/2011 – Versorgungskasse – (vom Februar 2011) feststellte, dass die Amtsärzte nach dem Willen des Gesetzgebers gemäß § 43 LBG für die Begutachtung ohne Weiteres zuständig sind. Durfte der amtsärztliche Dienst den Kläger begutachten, ist dessen Gutachten formell verwertbar. 

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OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 05.04.2024 - OVG 4 S 55/23 - 

Leitsatz 
Die Beschränkung einer Ausschreibung durch den Dienstherrn auf Beförderungsbewerber kann zulässig sein. Ein Versetzungsbewerber darf seinen Ausschluss nur eingeschränkt gerichtlich überprüfen lassen. 
 
Dieser Beschluss wurde vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zusammen mit dem untenstehenden Beschluss vom 05.04.2024 – OVG 4 S 54/23 erlassen. Das OVG wies eine weitere Beschwerde derselben Antragstellerin zurück. Auch in diesem Verfahren befand das OVG, das Verwaltungsgericht habe zu Recht abgelehnt, dem Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung die Besetzung des Amtes der Direktorin des Arbeitsgerichts mit der Beigeladenen zu untersagen. 
Die Ausschreibung der Stelle richtet sich ausdrücklich nur an Beförderungsbewerberinnen und -bewerber aus der Arbeitsgerichtsbarkeit des Landes Brandenburg. In erster Instanz wurde die Antragstellerin nicht als Beförderungsbewerberin angesehen, weil eine Beförderung voraussetze, dass ein anderes Amt mit einem höheren Endgrundgehalt angestrebt werde. Sowohl das ausgeschriebene Amt als auch das von der Antragstellerin innegehabte Amt sei eines der Besoldungsgruppe R 2. 
Das OVG teilte die Rechtsauffassung des VG Potsdam. Gemäß § 9 BbgRiG, der sich nach der amtlichen Überschrift unter anderem mit „Beförderungen“ befasse, sei darunter die Übertragung eines Amtes mit höherem Endgrundgehalt als dem eines Eingangsamtes zu verstehen (vgl. § 9 Abs. 5 Satz 1 BbgRiG). Von der Verleihung eines Richteramtes mit höherem Endgrundgehalt als dem eines Eingangsamtes werde die Versetzung unterschieden (vgl. die Unterscheidung in § 11 Abs. 1 BbgRiG). Demgemäß erfasse die Versetzung diejenigen Fälle, in denen eine Richterin zwar eine andere Amtsbezeichnung erhalte, aber ihre bisherige Besoldungsgruppe behalte. Das steht im Einklang mit der allgemeinen Auffassung zum Dienstrecht. Danach ist unter einer Versetzung entweder der dauerhafte Wechsel der Behörde bzw. des Dienstherrn bei unverändertem Statusamt (organisationsrechtliche Versetzung) oder der Wechsel der statusrechtlichen Amtsbezeichnung bei gleichbleibender Besoldungsgruppe (statusberührende Versetzung) zu verstehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 03.11.1993 – 6 B 32.93 – juris Rn. 5; Bodanowitz, in: Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, 10. Aufl. 2020, § 4 Rn. 1 f.). Wie das OVG bereits im Beschluss vom selben Tag – OVG 4 S 54/23 – (siehe unten) dargelegt habe, würde sich für die Antragstellerin, eine Richterin am Arbeitsgericht als die ständige Vertreterin einer Direktorin oder eines Direktors (Besoldungsgruppe R 2), durch die Amtsbezeichnung „Direktorin des Arbeitsgerichts“ das Statusamt ändern, auch wenn es bei der Besoldungsgruppe R 2 bliebe. Angesichts der herrschenden Auffassung über die Beförderung einerseits und die statusberührende Versetzung andererseits sei es ausgeschlossen, die auf Beförderungsbewerbungen beschränkte Ausschreibung als offen anzusehen für eine Versetzungsbewerberin, bei der sich die Amtsbezeichnung ändern würde. Vor diesem Hintergrund würden die Erwägungen dazu, ob das Amt einer ständigen Vertreterin einer Direktorin dem Amt einer Direktorin entspreche, nicht weiterführen, zumal die Antragstellerin selbst erkannt habe, dass die Zuordnung beider Ämter zu derselben Besoldungsgruppe R 2 (ohne Amtszulage) von der unterschiedlich hohen Zahl der nachgeordneten Richterinnen und Richter abhänge. 
Zudem habe das Gericht erster Instanz auch zutreffend angenommen, dass die Antragstellerin durch die Beschränkung des Adressatenkreises auf Beförderungsbewerbungen nicht in eigenen Rechten verletzt wurde. Dem Schutzbereich des Art. 33 Abs. 2 GG sei ein von der eigentlichen Auswahlentscheidung abzugrenzender Bereich der allein öffentlichen Interessen dienenden Organisationshoheit des Dienstherrn vorgelagert. Diese sei mit einem weiten Gestaltungs-, Beurteilungs- und Ermessensspielraum verbunden; Betroffenen stehe keine subjektiv-rechtliche Rechtsposition zu, kraft der sie auf dem Organisationsermessen des Dienstherrn beruhende Entscheidungen zur gerichtlichen Überprüfung stellen könnten (BVerwG, Urteil vom 10.12.2020 – 2 A 2.20 – juris Rn. 13). Der Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 2 GG sei erst auf der Grundlage einer vom Dienstherrn im Rahmen seiner Organisationsgewalt zur Verfügung gestellten und für die Wahrnehmung bestimmter öffentlicher Aufgaben gewidmeten Stelle eröffnet. Es stehe in dessen allein personalwirtschaftlich bestimmtem Ermessen, ob er eine freie Stelle im Wege der Beförderung und / oder Versetzung besetzen will. Die Bereitstellung und Ausgestaltung von Stellen und deren Bewirtschaftung dienen grundsätzlich allein dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Erfüllung der öffentlichen Aufgaben. Hierdurch nehme der Dienstherr keine Verpflichtung gegenüber seinen Bediensteten wahr (BVerwG, Urteil vom 10.12.2020 – 2 A 2.20 – juris Rn. 15; OVG Lüneburg, Beschluss vom 05.07.2023 – 5 ME 44/23 – juris Rn. 14). 


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OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 05.04.2024 - OVG 4 S 54/23 -

Leitsatz

Das Statusamt einer brandenburgischen Richterin am Arbeitsgericht als die ständige Vertreterin einer Direktorin oder eines Direktors (Besoldungsgruppe R 2) unterscheidet sich vom Statusamt einer Direktorin des Arbeitsgerichts (Besoldungsgruppe R 2 ohne Amtszulage).

Eine Beschwerde einer Richterin vor dem OVG hatte keinen Erfolg. Das OVG entschied, das Verwaltungsgericht habe es zu Recht abgelehnt, die Beförderung der Beigeladenen zur Direktorin des Arbeitsgerichts am Arbeitsgericht vorläufig bis zur Bestandskraft der Entscheidung über den Antrag der Antragstellerin auf amtsangemessene Beschäftigung zu untersagen. 

Die Antragstellerin war Direktorin am Arbeitsgericht bis 2011. Sie trug vor, Ihre Zustimmung zur Verwendung als Richterin am Arbeitsgericht als die ständige Vertreterin einer Direktorin oder eines Direktors (Besoldungsgruppe R 2) unter dem Vorbehalt gegeben zu habe, dass ihr das Amt einer Direktorin des Arbeitsgerichts übertragen werde, sobald ein solches in Brandenburg frei geworden sei. Sie beantragte, ihr eine ihrem Statusamt entsprechende Funktion zu übertragen durch die Übertragung der zum 01.11.2023 vakanten Funktion der Direktorin des Arbeitsgerichts. Gegen die Ablehnung dieses Antrags legte die Antragstellerin Widerspruch ein. 

Dem OVG zufolge irrt die Antragstellerin, wenn sie der Direktorin des Arbeitsgerichts nicht ein anderes Statusamt, sondern nur eine andere Funktion beimisst. Richter haben einen Anspruch auf Übertragung eines ihrem Amt im statusrechtlichen Sinne entsprechenden funktionellen Amtes, eines "amtsangemessenen Aufgabenbereichs". Dementsprechend können sie verlangen, dass ihnen Funktionsämter – zum einen ein abstrakt-funktionelles und zum anderen ein konkret-funktionelles Amt, d.h. ein entsprechender Dienstposten – übertragen werden, deren Wertigkeit ihrem Amt im statusrechtlichen Sinne entspricht. Zum Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung gehört ein Anspruch auf einen bestimmten Aufgabenkreis innerhalb des statusgemäßen Aufgabenspektrums. Das Statusamt wird jedenfalls durch die Amtsbezeichnung und die zugewiesene Besoldungsgruppe bestimmt. Die Ämter der brandenburgischen Richterinnen und Richter und ihre Besoldungsgruppen sind gemäß § 38 BbgBesG in der Besoldungsordnung R (Anlage 3 des Gesetzes) geregelt. Das Statusamt der Antragstellerin ist das einer Richterin am Arbeitsgericht (als die ständige Vertreterin einer Direktorin oder eines Direktors), wie es in Anlage 3 im Abschnitt der Besoldungsgruppe R 2 aufgelistet ist (mit der gesetzlichen Anmerkung: an einem Gericht mit acht und mehr Richterplanstellen). Im selben Abschnitt wird das Amt einer Direktorin des Arbeitsgerichts angeführt (mit der gesetzlichen Anmerkung: an einem Gericht mit vier und mehr Richterplanstellen; erhält an einem Gericht mit acht und mehr Richterplanstellen eine Amtszulage nach Anlage 8). Es handelt sich nach der Regelung des brandenburgischen Gesetzgebers um zwei verschiedene Ämter (Statusämter) mit derselben Besoldungsgruppe. Mit einer Verwendung als Direktorin des Arbeitsgerichts würde die Antragstellerin nicht amtsangemessen, sondern außerhalb des statusgemäßen Aufgabenspektrums beschäftigt. 

 

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BVerwG, Beschl. v. 26.03.2024 – 2 VR 10.23 – 

Leitsätze 

1. Die Beurteilung der Frage, ob eine dienstrechtliche Auswahlentscheidung die Rechte eines Bewerbers aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzt, richtet sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung. Nach diesem Zeitpunkt - etwa im Verlauf des Widerspruchsverfahrens - eingetretene Änderungen sind nicht zu berücksichtigen. 

2. Der Bewerbungsverfahrensanspruch verpflichtet den Dienstherrn nicht nur zur leistungsgerechten Auswahl, sondern auch zur chancengleichen Behandlung aller Bewerber im Verfahren. 

Die Antragstellerin in diesem Verfahren ist Oberregierungsrätin (Besoldungsgruppe A 14 BBesO) im Dienst der Antragsgegnerin. Mit dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wendete sie sich gegen die Besetzung des mit der Besoldungsgruppe A 15 BBesO bewerteten Dienstpostens der Sachgebietsleitung "AND-Kooperation A" mit der Beigeladenen, die ebenfalls das Amt einer Oberregierungsrätin (Besoldungsgruppe A 14 BBesO) innehat. 

Nach der Stellenausschreibung waren die Befähigung für eine Laufbahn des höheren Dienstes, die Bewährung in mindestens einer regelbeurteilten Verwendung in einer Tätigkeit mit AND-Kooperationsbezug mit einer Mindestdauer von zwei Jahren und Fremdsprachenkenntnisse Englisch entsprechend SLP 2 "konstitutive" Anforderungen für die Einbeziehung in das Auswahlverfahren. 

Am 25.09.2023 wies die Gleichstellungsbeauftragte darauf hin, dass für die Sprachprüfung der Beigeladenen keine Aktualisierung hinterlegt sei. Das Personalreferat gab der Beigeladenen Gelegenheit, einen aktuellen Test nachzuweisen. 

Nach einem "Kennlerngesprächs" am 13.10.2023 schloss sich der "Bedarfsträger" dem Votum des Personalreferats an. Am 17.10.2023 bat das Personalreferat die Gleichstellungsbeauftragte um Mitwirkung zur geplanten Umsetzung der Beigeladenen. 

Mit dem Beschluss untersagte das BVerwG der Antragsgegnerin einen Dienstposten der Sachgebietsleitung "AND-Kooperation A" mit der Beigeladenen zu besetzen, bis über die Bewerbung der Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entschieden worden ist. 

Das BVerwG erachtete die angegriffene Auswahlentscheidung jedoch nicht deshalb als fehlerhaft, weil die Beigeladene ihre Aktualisierungsprüfung für die Fremdsprachenkenntnisse erst am 28.09.2023 ablegte. Zwar seien nachträglich eingetretene Änderungen der Sachlage für die Beurteilung einer Auswahlentscheidung nicht mehr zu berücksichtigen. Derartiges liege im Streitfall indes nicht vor. 

Es sei in der Rechtsprechung geklärt, dass für die Frage, ob eine beamtenrechtliche Auswahlentscheidung die Rechte des Antragstellers aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzt, allein die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung maßgeblich ist. Eine erst nach diesem Zeitpunkt − etwa im Verlauf des Widerspruchsverfahrens − eingetretene tatsächliche Veränderung sei für die Rechtmäßigkeit der Entscheidung über die Vergabe eines höherwertigen Dienstpostens nach Maßgabe von Art. 33 Abs. 2 GG daher nicht von Bedeutung (BVerwG, Beschlüsse vom 12.12.2017 - 2 VR 2.16 - und vom 21.12.2017 - 2 VR 3.17 -). 

Art. 33 Abs. 2 GG diene − neben dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung öffentlicher Ämter − auch dem subjektiven Interesse der Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen. Die Verfassungsbestimmung begründet daher ein grundrechtsgleiches Recht auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl, den sog. Bewerbungsverfahrensanspruch (BVerfG, Beschl. v. 16.12.2015 - 2 BvR 1958/13 -). Die Gewährleistung des Grundsatzes der Bestenauswahl in Art. 33 Abs. 2 GG verleiht dem Bewerber in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG das Recht, eine dienstrechtliche Auswahlentscheidung dahingehend gerichtlich überprüfen zu lassen, ob der Dienstherr ermessens- und beurteilungsfehlerfrei über seine Bewerbung entschieden hat (BVerfG, Beschluss vom 09.08.2016 - 2 BvR 1287/16 - NVwZ 2017, 46 Rn. 70 m. w. N.). Die in Art. 33 Abs. 2 GG normierten Auswahlgrundsätze und der hierauf bezogene Bewerbungsverfahrensanspruch sind deshalb auf die Auswahlentscheidung bezogen (BVerwG, Beschluss vom 10.05.2016 - 2 VR 2.15 -). Die hierfür wesentlichen Auswahlerwägungen hat der Dienstherr schriftlich zu dokumentieren, um eine gerichtliche Kontrolle der Entscheidung zu ermöglichen.
 Den Abschluss des Auswahlverfahrens bringe die Behörde durch die Bekanntgabe der ausgewählten Person verbunden mit der ablehnenden Bescheidung der weiteren Bewerber in der sog. Konkurrentenmitteilung zum Ausdruck. Auch wenn sich hieran ein Widerspruchsverfahren anschließe, werde darin keine neue und gleichsam aktualisierte Auswahlentscheidung getroffen. Dies sei weder Gegenstand des auf die Verletzung subjektiver (Bewerbungsverfahrens-)Rechte beschränkten Widerspruchsverfahrens noch bestehe hierfür eine Kompetenz der Widerspruchsbehörde. Das Widerspruchsverfahren könne vielmehr allenfalls zu einem Abbruch des Auswahlverfahrens führen, wenn dieses fehlerbehaftet sei (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.11.2012 - 2 C 6.11 -). In dem sich anschließenden neuen Auswahlverfahren sei eine den Vorgaben aus § 9 Satz 1 BBG und Art. 33 Abs. 2 GG genügende Entscheidung auf der Grundlage einer aktualisierten Tatsachengrundlage zu treffen, die für den gesamten − und ggf. erweiterten − Bewerberkreis einheitlich gelte. Im laufenden Auswahlverfahren seien nachträgliche Änderungen der Sach- und Rechtslage aber nicht zu berücksichtigen (BVerwG, Urteil vom 26.01.2012 - 2 A 7.09-). 
Dies gelte in besonderer Weise, wenn nachträgliche Entwicklungen nur hinsichtlich eines Bewerbers betrachtet würden. Der Bewerbungsverfahrensanspruch sei an ein laufendes Stellenbesetzungsverfahren zur Vergabe eines bestimmten Amtes geknüpft. Die Bewerber um dieses Amt stehen in einem Wettbewerb, dessen Regeln der Grundsatz der Bestenauswahl aus Art. 33 Abs. 2 GG vorgibt. Ihre Ansprüche stehen nicht isoliert nebeneinander, sondern seien aufeinander bezogen. Sie werden in Ansehung des konkreten Bewerberfeldes inhaltlich konkretisiert. Jede Bevorzugung eines Bewerbers wirke sich auch auf die Erfolgsaussichten der Bewerbungen anderer Bewerber aus und stelle eine Verletzung der Bewerbungsverfahrensansprüche dieser Mitbewerber dar. 
 In Konkurrenzsituationen komme dem Gebot der Chancengleichheit entscheidende Bedeutung zu. Der Bewerbungsverfahrensanspruch der Bewerber verpflichte den Dienstherrn während eines laufenden Bewerbungsverfahrens nicht nur zur leistungsgerechten Auswahl, sondern auch zur chancengleichen Behandlung aller Bewerber im Verfahren. Der Dienstherr müsse sich fair und unparteiisch gegenüber allen Bewerbern verhalten. Er dürfe die ihm eingeräumte Organisationsgewalt über die Stellenbesetzung − auch im Hinblick auf die zeitliche Verfahrensgestaltung − nicht gezielt und manipulativ einsetzen, um eine Auswahlentscheidung zu Gunsten oder zu Lasten einzelner Bewerber zu steuern.

Dies schließe es aus, dass er Maßnahmen ergreife, die bei objektiver Betrachtung, d. h. aus der Sicht eines unbefangenen Beobachters, als eine Bevorzugung oder aktive Unterstützung eines Bewerbers erscheine. Er dürfe nicht bestimmten Bewerbern Vorteile verschaffen, die andere nicht haben. 

Die von der Antragstellerin gerügte Berücksichtigung der erst nach Ablauf der Bewerbungsfrist abgelegten Aktualisierungsprüfung für die Fremdsprachenkenntnisse begründe indes keine mit Art. 33 Abs. 2 GG unvereinbare Bevorzugung der Beigeladenen und habe den Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin nicht verletzt. 

Im "Auswahlvermerk" vom 11.09.2023 sei hierzu ausgeführt, dass ein aktueller Nachweis nur von denjenigen Bewerbern gefordert wird, die nach dem Leistungsvergleich für die förderliche Umsetzung in Betracht kommen. Ein aktueller Sprachtest sei in der Ausschreibung nicht gefordert worden. In der Berücksichtigung der erst nach Ablauf der Bewerbungsfrist vorgelegten Aktualisierungsprüfung liege auch keine unsachliche oder personenbezogene Bevorzugung. Die Beschränkung der Aktualisierungsprüfung auf diejenigen Bewerber, die für eine Auswahl ernstlich in Betracht kommen, sei sachlich gerechtfertigt und nach den nachvollziehbaren Ausführungen der Antragsgegnerin generelle Praxis. Der Auswahlvermerk vom 11.09.2023 enthalte noch keine Auswahlentscheidung. Der Zeitpunkt der abschließenden Auswahlentscheidung sei spezialgesetzlich auf die Einleitung des Beteiligungsverfahrens bei der Gleichstellungsbeauftragten festgelegt. Die entsprechende Unterrichtung der Gleichstellungsbeauftragten habe das Personalreferat erst mit Schreiben vom 17.10.2023 vorgenommen. 

Dennoch war das Antragsverfahren letztlich erfolgreich. Das Bundesverwaltungsgericht entschied, dass sich die Auswahlentscheidung als fehlerhaft erweise, soweit der Beigeladenen die in der Ausschreibung zwingend geforderte "Bewährung in mindestens einer regelbeurteilten Verwendung in einer Tätigkeit mit AND-Kooperationsbezug mit einer Mindestdauer von zwei Jahren" zugesprochen worden sei. Zweifelhaft erscheine bereits, ob das dem Verfahren zugrunde gelegte Anforderungsprofil den rechtlichen Vorgaben entspreche. Jedenfalls aber erfülle die Beigeladene die geforderte Qualifizierung nicht. 

 Link zur Entscheidung:
BVerwG, Beschl. v. 26.03.2024 – 2 VR 10.23 –
 

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BVerwG, Urt. v. 21.03.2024 – 5 C 5.22 – 

Unwirksame Kostendämpfungspauschale wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht 

Leitsatz 

Die Formulierung "zumutbarer Selbstbehalte" in § 78 Abs. 2 Satz 3 des Landesbeamtengesetzes Baden-Württemberg genügt nicht den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Grundsatzes vom Vorbehalt des Gesetzes. Sie enthält keine ausreichende Verordnungsermächtigung für eine durch Rechtsverordnung zu regelnde besoldungsgruppenabhängige Kostendämpfungspauschale. 
 

Der Kläger, ein Universitätsprofessor, hatte die Gewährung weiterer Beihilfe für die ihm in den Jahren 2017 und 2018 entstandenen Aufwendungen beantragt. Das Landesamt hatte die Beihilfe in Anwendung von § 15 Abs. 1 der Beihilfeverordnung (BVO BW) um eine Kostendämpfungspauschale gekürzt. Zunächst verurteilte das Verwaltungsgericht das beklagte Land antragsgemäß zur Gewährung der weiteren Beihilfe. Der Verwaltungsgerichtshof änderte dieses Urteil, indem er die Klage im Hauptantrag abwies und die Sache hinsichtlich des im Berufungsverfahren aufrechterhaltenen Hilfsantrags, die Rechtswidrigkeit der Besoldung festzustellen, an das Verwaltungsgericht zurückverwies. Der VGH war der Auffassung, der Gesetzgeber habe die Regelung über die Kostendämpfungspauschale in § 15 Abs. 1 Satz 5 BVO BW zulässigerweise selbst ändern dürfen. Diese verstoße nicht gegen den auch im Beihilferecht geltenden Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes. Die Verordnungsregelung finde eine ausreichende gesetzliche Ermächtigung in § 78 Abs. 2 LBG BW. Sie verstoße auch nicht gegen prozedurale Begründungspflichten, weil solche hinsichtlich einer beihilferechtlichen Kostendämpfungspauschale nicht bestünden. Dass diese für C 4 Professoren nur 225 € betrage, sei im Hinblick auf den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden. Hiergegen richtete sich die Revision des Klägers. 

Das Bundesverwaltungsgericht entschied, dass die in § 15 Abs. 1 Satz 5 der Beihilfeverordnung - BVO BW enthaltene Kostendämpfungspauschale, die durch den Landesgesetzgeber mittels einer Änderung des Verordnungsrechts geregelt wurde, wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht unwirksam ist. Die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Voraussetzungen für eine Änderung einer Rechtsverordnung durch den parlamentarischen Gesetzgeber liegen nicht vor. Die insoweit allein in Betracht kommende Formulierung "zumutbarer Selbstbehalte" in § 78 Abs. 2 Satz 3 des Landesbeamtengesetzes (LBG BW) vom 9. November 2010 (GBl. S. 793) in der Fassung von Art. 12 des Haushaltsbegleitgesetzes 2013/2014 genüge nicht den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Grundsatzes vom Vorbehalt des Gesetzes. Sie enthalte keine ausreichende Verordnungsermächtigung für eine durch Rechtsverordnung zu regelnde besoldungsgruppenabhängige Kostendämpfungspauschale. Vor diesem Hintergrund bedürfe es keiner Entscheidung über das etwaige Bestehen prozeduraler Begründungspflichten für die Regelung beihilferechtlicher Kostendämpfungspauschalen. 


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OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 20.03.2024 – 4 B 3/24 – 

Urlaubsanspruch: Beamten des Landes Brandenburg bei Eintritt in den Ruhestand Ende Juni eines Jahres 

Leitsatz 

Endet das aktive Beamtenverhältnis am 30. Juni eines Jahres, so hat ein Beamter des Landes Brandenburg nur Anspruch auf den halben Jahresurlaub. 

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) erachtete die Berufung des beklagten Landes Brandenburg als begründet und wies die Fortsetzungsfeststellungsklage eines Ministerialrats ab, der mit Ende Juni 2023 in den Ruhestand trat. Im Rahmen eines Fehlzeitenantrags vom 03.01.2023 hatte der Kläger unter anderem 30 Tage Urlaub für das Jahr 2023 geltend gemacht bzw. beantragt. Der Antrag wurde abgelehnt. Der Kläger wurde um Korrektur seines Antrags gebeten, da ihm für das Jahr 2023 nur 15 Tage Urlaub zustünden. Auch der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos. Zunächst entschied das Verwaltungsgericht Potsdam zugunsten des Klägers. In der Urteilsbegründung führte das VG Potsdam an, der Erholungsurlaub für das Jahr 2023 betrage nach § 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 EUrlDbV zwölf Zwölftel des kalenderjährlichen Urlaubsanspruchs von 30 Arbeitstagen. Das Beamtenverhältnis des Klägers habe mit Beginn des 1. Juli 2023 und damit in der zweiten Jahreshälfte dieses Jahres geendet. Bestimme das Gesetz, hier § 45 Abs. 2 Satz 1 LBG, dass der Beamte mit dem Ende oder mit Ablauf eines Monats in den Ruhestand trete, so sei er während des gesamten letzten Tages dieses Monats aktiver Beamter. Der Monat sei erst beendet, wenn die letzte Zeiteinheit seines letzten Tages abgelaufen sei, das heiße mit Beginn der ersten Zeiteinheit des ersten Tages des folgenden Monats. Das Verwaltungsgericht beruft sich insoweit auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Oktober 2020 – 2 C 9.20 – juris Rn. 7 f. Nichts anderes ergebe sich aus § 2 Abs. 2 Satz 2 EUrlDbV. Das dort genannte Ende des Beamtenverhältnisses weiche nicht bewusst von dem Eintritt in den Ruhestand ab, sondern sei eine der Unterscheidung zwischen den beiden Jahreshälften geschuldete Formulierung. 

Das OVG war anderer Meinung und änderte das Urteil des VG Potsdam. Die Rechtswidrigkeit einer Genehmigung von Erholungsurlaub des Jahres 2023 im Umfang von 30 Tagen für den Kläger ergebe sich aus Folgendem: Beamtinnen und Beamten stehe nach § 44 BeamtStG jährlicher Erholungsurlaub unter Fortgewährung der Bezüge zu. Das Nähere zum Erholungsurlaub, ausdrücklich auch dessen Dauer, sei gemäß § 77 Abs. 2 LBG durch Rechtsverordnung zu regeln. Die danach erlassene Verordnung über Erholungsurlaub und Dienstbefreiung der Beamtinnen, Beamten, Richterinnen und Richter im Land Brandenburg (Erholungsurlaubs- und Dienstbefreiungsverordnung - EUrlDbV) räume für Beamtinnen und Beamte, deren regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche verteilt sei, für jedes Kalenderjahr 30 Arbeitstage Erholungsurlaub ein (§ 2 Abs. 1 EUrlDbV) und bestimme in § 2 Abs. 2 Satz 2 EUrlDbV, dass der Erholungsurlaub bei Eintritt oder Versetzung in den Ruhestand sechs Zwölftel betrage, wenn das Beamtenverhältnis in der ersten Hälfte des Kalenderjahres ende, und zwölf Zwölftel, wenn das Beamtenverhältnis in der zweiten Hälfte des Kalenderjahres ende. Im Sinne des Beamtenstatusgesetzes (§ 3) sei "Beamtenverhältnis" das aktive Beamtenverhältnis (BVerwG, Urteil vom 1. Oktober 2020 – 2 C 9.20 – juris Rn. 11). Das aktive Beamtenverhältnis und das Ruhestandsbeamtenverhältnis seien zeitlich strikt zu trennen (BVerwG, Urteil vom 1. Oktober 2020 – 2 C 9.20 – juris Rn. 13). Dem schließe sich der erkennende Senat an. Demgemäß sei höchstrichterlich geklärt, dass das (aktive) Beamtenverhältnis des Klägers am 30. Juni 2023 endete, wobei dieser Tag vollständig zum aktiven Beamtenverhältnis gehörte, und der Eintritt in den Ruhestand am 1. Juli 2023 erfolgte, wobei dieser Tag vollständig zum Ruhestandsverhältnis zählte. Ende das Beamtenverhältnis am 30. Juni 2023, so ende es in der ersten Hälfte des Kalenderjahres. Der Kläger lasse sich mit seiner davon abweichenden Rechtsauffassung von der Vorstellung leiten, dass der „Eintritt in den Ruhestand“ eines Beamten ein Vorgang sei, der eine messbare Zeit dauert und sich, wenn nicht am letzten Tag des ablaufenden Monats, dann eben am ersten Tag des nachfolgenden Monats ereigne. Das Recht vermöge jedoch rechtliche Wirkungen eintreten zu lassen, die auf einen Zeitpunkt, nicht in einen Zeitraum fallen. Das aktive Beamtenverhältnis und das Ruhestandsbeamtenverhältnis überlappen sich nicht. 


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OVG, Beschl. v. 11 03.2024 – OVG 80 S 1/24 – 

Maßgeblicher Zeitpunkt der Entscheidung über Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung/Nichterfordernis des Überwiegens der Gründe für die Rechtswidrigkeit der Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung/Ungenügen der Unzumutbarkeit der weiteren Diensttätigkeit für vorläufige Dienstenthebung 

Leitsätze 

1. Über den Antrag auf Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung ist grundsätzlich anhand der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Beschlussfassung zu entscheiden, was durch das Rechtsmittelrecht allerdings insoweit eine Einschränkung erfährt, als dass die Überprüfung der angegriffenen Entscheidung auf die binnen der gesetzlichen Frist dargelegten Einwände reduziert ist. 

2. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vorläufigen Dienstenthebung bestehen, wenn bei der summarischen Prüfung der angegriffenen Anordnung im gerichtlichen Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken. Es ist nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit der Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung sprechenden Gründe überwiegen; der Erfolg des Antrags muss nicht wahrscheinlicher sein als der Misserfolg. Es reicht aus, dass der Erfolg des Rechtsbehelfs ebenso wenig auszuschließen ist wie sein Misserfolg. 

3. Die Unzumutbarkeit der weiteren Diensttätigkeit reicht - auch vor dem Hintergrund laufender Ermittlungen und den Auswirkungen des die vorläufige Dienstenthebung begründenden Vorwurfs auf den Schulfrieden - nicht ohne Weiteres für eine vorläufige Dienstenthebung aus, kann hingegen ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte tragen. 

 

Das OVG wies die Beschwerde gegen einen Beschluss des VG Berlin zurück. Der Entscheidung des OVG zufolge hat das Verwaltungsgericht die Anordnung des Antragsgegners über die vorläufige Dienstenthebung des Antragsstellers zu Recht ausgesetzt. Denn die vom Antragsgegner dargelegten Gründe, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben sein soll (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO), greifen nicht durch. 

Das VG Berlin hatte zum Sachverhalt ausgeführt, in dem noch laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahren stünden Aussage gegen Aussage und die Staatsanwaltschaft habe hinsichtlich der Hauptbelastungszeugin ein Glaubwürdigkeitsgutachten beauftragt. Von deren Aussage abgesehen gebe es keine weiteren, den Antragsteller belastenden Umstände. Seine der Darstellung der Hauptbelastungszeugin entgegentretende Einlassung sei jedenfalls nicht gänzlich unplausibel. 

Das OVG stellte fest, dass über den Antrag auf Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung (§ 41 DiszG, § 63 Abs. 1 BDG) – und somit auch über die Beschwerde gegen die hierauf ergangene Entscheidung eines Verwaltungsgerichts – grundsätzlich anhand der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Beschlussfassung zu entscheiden sei (BVerwG, Beschlüsse vom 12. August 2021 – 2 VR 6.21 – juris Rn. 8), was durch das Rechtsmittelrecht allerdings insoweit eine Einschränkung erfahre, als dass die Überprüfung der angegriffenen Entscheidung auf die binnen der gesetzlichen Frist dargelegten Einwände reduziert sei (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. Januar 2024 – OVG 4 S 44/23 –). Die Aussetzung erfolge gemäß § 41 DiszG, § 63 Abs. 2 BDG, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vorläufigen Dienstenthebung bestehen. Das sei der Fall, wenn bei der summarischen Prüfung der angegriffenen Anordnung im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken. Es sei nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit der Anordnung nach § 38 DiszG sprechenden Gründe überwiegen; der Erfolg des Antrags müsse nicht wahrscheinlicher sein als der Misserfolg. Es reiche aus, dass der Erfolg des Rechtsbehelfs ebenso wenig auszuschließen sei wie sein Misserfolg (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. November 2019 – 2 VR 3.19 – juris Rn. 22). 

Dabei sei für § 38 Abs. 1 Satz 1 DiszG geklärt, dass die voraussichtliche Entfernung aus dem Dienst anzunehmen ist, wenn das Gericht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf die disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme erkennen wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. November 2019 – 2 VR 3.19 – juris Rn. 21). Das sehe der Antragsgegner ebenso. Die Ausführungen des Antragsgegners dazu, warum er im vorliegenden Fall die Entfernung aus dem Dienst für überwiegend wahrscheinlich halte, würden nicht durchgreifen. Die Prognose sei nicht allein anhand der Aussage der Hauptbelastungszeugin zu treffen. Weitere belastbare Gründe für die Prognose des Antragsgegners seien nicht ersichtlich. Seine Erwägungen, warum die vom Antragsteller zu seiner Entlastung vorgetragenen Gesichtspunkte nicht zutreffen könnten, seien spekulativ. 

Die vom Antragsgegner geltend gemachte Unzumutbarkeit einer weiteren Diensttätigkeit des Antragstellers vor dem Hintergrund der laufenden Ermittlungen und den Auswirkungen des Vorwurfs auf den Schulfrieden reiche nicht ohne Weiteres für eine vorläufige Dienstenthebung aus. Sie könne hingegen ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte (§ 39 BeamtStG) tragen. Diese Vorschrift bleibe auch nach Einleitung eines Disziplinarverfahrens anwendbar. Die Beteiligten könnten auch eine vorübergehende Umsetzung des Antragstellers an eine andere Schule erwägen. 

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BVerwG, Urteil vom 07.03.2024 - 2 C 2.23 - 

 Zur Vergütung von Mehrarbeit bei Ruhestandsversetzung infolge eines Dienstunfalls 

Leitsätze
1. Der Dienstherr ist gemäß § 78 Abs. 3 Satz 2 SBG verpflichtet, für angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit innerhalb eines Jahres Dienstbefreiung zu gewähren. Dieser vorrangige Freizeitausgleich darf nur unterbleiben, wenn die Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht realisierbar ist. In diesem Fall eröffnet § 78 Abs. 3 Satz 3 SBG die Möglichkeit einer finanziellen Abgeltung.
 2. Der Umstand, dass die wegen Mehrarbeit zu gewährende Dienstbefreiung nicht innerhalb der Jahresfrist des § 78 Abs. 3 Satz 2 SBG erfolgen konnte, weil der Beamte infolge eines Dienstunfalls erkrankt und sodann wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt wird, stellt keinen zwingenden dienstlichen Grund i. S. d. § 78 Abs. 3 Satz 3 SBG dar. Der Gesetzgeber ist nicht aus Gründen der Gleichbehandlung verpflichtet, für diese Konstellation eine finanzielle Ausgleichsregelung zu schaffen.
 

Wenn der Dienstherr, den ihm gesetzlich zur Verfügung gestellten Zeitraum von einem Jahr nicht nutzt, um einem Beamten den zeitlichen Ausgleich für Mehrarbeit zu gewähren, wandelt sich der Anspruch des Beamten auf Freizeitausgleich in einen Vergütungsanspruch um. Dementsprechend entschied das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in seinem Urteil vom 07.03.2024.  
Der Kläger, ein Polizeikommissar im Landesdienst, wurde in den Jahren 2015 und 2016 zu Mehrarbeit herangezogen und erlitt im September 2016 einen Dienstunfall. Wegen einer dauerhaften Dienstunfähigkeit wurde er 2018 vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Er beantragte die finanzielle Abgeltung von 205 Stunden Mehrarbeit. Die Klage blieb in beiden Instanzen erfolglos, jedoch wurde das Berufungsurteil vom Bundesverwaltungsgericht aufgehoben und an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. 
Gemäß § 78 Abs. 3 Satz 2 des Saarländischen Beamtengesetzes (SBG) ist der Dienstherr verpflichtet, innerhalb eines Jahres Dienstbefreiung für angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit zu gewähren, es sei denn, zwingende dienstliche Gründe stehen dem entgegen. Diese liegen vor, wenn der an sich dem Beamten zu gewährende Freizeitausgleich mit großer Wahrscheinlichkeit zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen oder Gefährdungen des Dienstbetriebs führen würde. In solchen Fällen kann eine finanzielle Abgeltung erfolgen (§ 78 Abs. 3 Satz 2 SGB). In der Person des Beamten liegende Gründe - insbesondere Krankheit - stellen hingegen keine zwingenden dienstlichen Gründe dar. In dem Urteil vom 07.03.2024 entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass sich nach Ablauf der Jahrespflicht der Anspruch auf Freizeitausgleich in einen Vergütungsanspruch umwandelt, da zu diesem Zeitpunkt die Gewährung von Dienstbefreiung nicht mehr möglich ist.  

Das Bundesverwaltungsgericht konnte keine abschließende Entscheidung treffen, da das Berufungsgericht keine ausreichenden Tatsachenfeststellungen getroffen hatte. Daher wurde die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

Link zur Entscheidung:
BVerwG, Urteil vom 07.03.2024 - 2 C 2.23 -
 

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OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 05.03.2024 - OVG 4 S 53/23 - 

Besonderheiten im Hinblick auf den Ausspruch eines Verbots der Führung der Dienstgeschäfte gegen ein Mitglied des Bezirksamts 

Leitsatz 

Steht bei einem Mitglied des Bezirksamts ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte in Rede, muss in die vorzunehmende Abwägung seine besondere Rechtsstellung eingestellt werden, die ihm für die Wahrnehmung politischer Selbstverwaltungsaufgaben eingeräumt ist. 

 

Mit dieser Entscheidung änderte das OVG Berlin-Brandenburg einen Beschluss des VG Berlin. Der Antragsteller, ein Bezirksstadtrat, war gegen die sofortige Vollziehung des gegen ihn ausgesprochene Verbot der Führung der Dienstgeschäfte gem. § 39 Satz 1 BeamtStG zunächst mit einem entsprechenden Antrag an das VG Berlin erfolglos vorgegangen. Das OVG hat aber nunmehr die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragsstellers angeordnet. 

Das OVG hält die Beschwerde des Antragsstellers für begründet. Hierzu führt es u.a. aus, Beamtinnen und Beamten könne aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werden (§ 39 Satz 1 BeamtStG). Dies gelte auch mit Bezug auf einen von der Bezirksverordnetenversammlung gewählten (Art. 74 Abs. 1 VvB, § 35 Abs. 1 BezVwG, § 1 Abs. 1 Satz 1 BAMG), als Beamten auf Zeit ernannten (§ 1 Abs. 1 Satz 3 BAMG) Bezirksstadtrat. Denn die Dienstaufsicht über einen Bezirksstadtrat bestehe ungeachtet der Möglichkeit seiner Abberufung durch die Bezirksverordnetenversammlung, wie sich bereits aus dem Nebeneinander von Art. 75 Abs. 2 Satz 2 VvB (vgl. auch § 39 Abs. 2 BezVwG) und Art. 76 VvB (vgl. auch § 35 Abs. 3 BezVwG) ergebe, und ermögliche Dienstaufsichts- und Disziplinarmaßnahmen (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 4 BAMG). Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte sei gegenüber einem Bezirksstadtrat nicht grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 3 BAMG). Allerdings finden die beamtenrechtlichen Vorschriften wegen der besonderen Rechtsstellung der Bezirksamtsmiglieder nur insoweit Anwendung, als sie der Eigenart des Dienstverhältnisses der Bezirksamtsmitglieder nicht entgegenstehen (§ 1 Abs. 2 Satz 2 BAMG). Das habe Auswirkungen auf die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der „zwingenden dienstlichen Gründe“ in § 39 Satz 1 BeamtStG. Bei diesem unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Anwendung der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliege (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. Oktober 2023 – OVG 4 S 21/22 – juris Rn. 14; VGH München, Beschluss vom 14. September 2022 – 3 CS 22.1637 – juris Rn. 6), sei dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Bezirksamtsmitglieder politische Selbstverwaltungsaufgaben erfüllen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 BAMG; vgl. auch Art. 66 Abs. 2 Satz 1 VvB, § 2 BezVwG und BVerfG, Beschluss vom 17. Oktober 1957 – 1 BvL 1/57 – juris Rn. 36 zum hauptamtlichen Bürgermeister). Die Wahl der Bezirksstadträte als Mitglieder des aus sechs Mitgliedern bestehenden Bezirksamtes (Art. 74 Abs. 1 Satz 1 VvB, § 34 Abs. 1 Satz 1 BezVwG) soll auf Grund der Wahlvorschläge der Fraktionen entsprechend deren Stärkeverhältnis in der Bezirksverordnetenversammlung erfolgen (Art. 74 Abs. 1 Satz 2 VvB, § 35 Abs. 2 Satz 1 BezVwG), die ihrerseits durch das Wahlvolk gewählt wird (Art. 70 Abs. 1 VvB). Das sich so aus dem Wahlakt ergebende Stärkeverhältnis der Fraktionen innerhalb der Bezirksverordnetenversammlung, welches sich durch die Wahl der Mitglieder des Bezirksamts in dieses fortträgt, werde durch jedes gegenüber einem Bezirksstadtrat (oder dem Bezirksbürgermeister) ausgesprochene Verbot der Führung der Dienstgeschäfte verzerrt. Angesichts der Legitimation der bezirklichen Selbstverwaltung durch Wahl und angesichts des Abbilds der Bezirksverordnetenversammlung nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen im Bezirksamt seien „zwingende dienstliche Gründe“ für ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nur unter engen Voraussetzungen anzunehmen. 

Zwingende dienstliche Gründe liegen schon nach allgemeinen Regeln erst dann vor, wenn bei einer weiteren Ausübung des Dienstes durch den Beamten auf seinem bisherigen Dienstposten der Dienstbetrieb erheblich beeinträchtigt würde oder andere gewichtige dienstliche Nachteile ernsthaft zu besorgen wären. Die zu befürchtenden Nachteile müssen so gewichtig sein, dass dem Dienstherrn die Führung der Dienstgeschäfte durch den Beamten bis zur abschließenden Klärung und Entscheidung nicht zugemutet werden kann. Anders als bei der vorläufigen Dienstenthebung im Zusammenhang mit einem Disziplinarverfahren komme es bei einem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 39 Satz 1 BeamtStG nicht auf ein vorwerfbares Fehlverhalten des Beamten an, sondern auf die objektive Gefährdung des Dienstbetriebes (vgl. VGH München, Beschluss vom 14. September 2022 – 3 CS 22.1637 – juris Rn. 6; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. Oktober 2023 – OVG 4 S 21/22 – juris Rn. 26). Die Maßnahme trage nur vorläufigen Charakter. Maßgebend sei die Prognose, dass die Aufgabenerfüllung der Verwaltung durch die vorerst weitere Amtsführung des Beamten objektiv gefährdet sei. Demnach sei nicht erforderlich, dass bereits Klarheit über den Grund für die Beeinträchtigung der dienstlichen Belange oder die weitere Verwendung und Behandlung des Beamten bestehe; vielmehr eröffnet das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte dem Dienstherrn die Möglichkeit, ohne Gefährdung der dienstlichen Interessen Ermittlungen anzustellen und eine solidere Grundlage für dauerhafte Entscheidungen zu gewinnen. Entsprechend dem Zweck des Verbots genüge insoweit der auf hinreichenden Anhaltspunkten beruhende Verdacht, dass dienstliche Gründe ein sofortiges Handeln erfordern und das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte als zwingend geboten erscheinen lassen. Die endgültige Aufklärung sei den in § 39 Satz 2 BeamtStG aufgeführten weiteren Verfahren vorbehalten (so insgesamt VGH München, Beschluss vom 20. März 2017 – 3 ZB 16.921 – juris Rn. 6 m.w.N.). Diese allgemeinen Regeln erfahren durch die bereits dargestellten, für die Mitglieder des Bezirksamts geltenden Besonderheiten eine Modifikation, so dass in der vorzunehmenden Abwägung den für eine Aufrechterhaltung des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte sprechenden Belangen gegenüber denen der Wahrnehmung der politischen Selbstverwaltungsaufgaben der Mitglieder des Bezirksamts ein Übergewicht zukommen müsse. 

Das OVG verneinte das Vorliegen zwingender dienstlicher Gründe. Mangels erkennbarer Motivationslage sei nicht zu befürchten, dass interne Vorgänge auch in Zukunft wahllos offengelegt würden, da die dem Antragsteller zugeordnete Offenlegung in einem konkreten Zusammenhang zu thematisch begrenzten Vorgängen in der Vergangenheit stand. Eine Verdunkelungsgefahr sei nun nicht mehr auszumachen. Weitere erhebliche Gefahren, denen mit einem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte gegenüber einem Mitglied des Bezirksamts begegnet werden müsste, seien nicht ersichtlich. 

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OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 29.02.2024 - OVG 4 B 5.19 – 

 Leitsatz 

1. Zum beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Fürsorgepflicht einer beamteten Lehrkraft wegen "Mobbings". 

2. Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn aus § 45 BeamtStG vermittelt dem Beamten auch einen Anspruch zum Schutz und zur Wahrung seiner Persönlichkeitsrechte, "Mobbing" durch Beschäftigte oder Vorgesetzte zu unterbinden. 

Gegenstand dieses Verfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) war der von einem Lehrer geltend gemachte immateriellen Schadensersatz wegen "Mobbings" durch behauptete Handlungen einer Schulleiterin und des Personals des zuständigen staatlichen Schulamtes wegen einer Verletzung der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht. Der Kläger, der mittlerweile auf eigenen Antrag in den Ruhestand versetzt wurde, war zuletzt als Studiendirektor in der Funktion des Oberstufenkoordinators Mitglied der Schulleitung. 

Am 24.06.2013 ging ein Antrag des Klägers auf Schadenersatz i.H.v. 30.000 EUR beim Staatlichen Schulamt ein. Begründet wurde der Antrag mit angeblichen Verletzungshandlungen, die sich zwischen 2010 und November 2012 ereignet haben sollen, und zwar durch die Vorgesetzte des Klägers, die Schulleiterin sowie durch einen Schulrat, durch die Leiterin und den Leiter des Staatlichen Schulamtes. Mit Bescheid vom 20.11.2013 des Staatlichen Schulamtes wurde der Antrag des Klägers abgelehnt. Den Widerspruch gegen die Ablehnung des Antrags wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.06.2014 zurück. 

Darüber hinaus waren zunächst auch weitere angebliche Verletzungshandlungen, wegen derer der Kläger keinen Antrag auf Schadensersatz gestellt hatte, Gegenstand des Klageverfahrens. Diese Verletzungshandlungen sollen durch die Leiterin der Rechtsstelle des Staatlichen Schulamtes bei der Bearbeitung seines Schadensersatzantrages und seines Widerspruchs erfolgt sein sowie zudem durch das Personal des Staatlichen Schulamtes im Zuge des am 06.03.2019 ausgesprochenen Verbots der Führung der Dienstgeschäfte gegenüber dem Kläger. 

Erste Maßnahme des Schulamtes zur Lösung der Konfliktsituation war ein Dienstgespräch am 30.11.2011. Da dies keinen Erfolg brachte, wurde der Kläger mit Schreiben vom 22.10.2012 des Staatlichen Schulamtes an ein anderes Gymnasium umgesetzt. 
Das OVG entschied, dass die Klage auf immateriellen Schadensersatz wegen "Mobbings" teilweise bereits unzulässig sei, nämlich soweit der Kläger den beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruch aus Sachverhalten in Form von behaupteten Verletzungshandlungen herleiten wolle, für die er ein Verwaltungsverfahren durch einen beim Dienstherrn zu stellenden Antrag auf Schadensersatz nicht in Gang gesetzt habe, und es damit an einer nicht nachholbaren Klagevoraussetzung fehle. In der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes sei geklärt, dass bei Fallgestaltungen, bei denen für den Dienstherrn keine Veranlassung besteht, von sich aus ohne Antrag des betroffenen Beamten tätig zu werden, der Beamte das Verwaltungsverfahren erst durch einen beim Dienstherrn gestellten Antrag in Gang setzen muss. Dies gilt auch für einen Anspruch auf Schadensersatz wegen schuldhafter Verletzung der Fürsorgepflicht (BVerwG, Urteil vom 16. Juni 2020 – 2 C 20.19 –). Lehnt der Dienstherr in diesen Fällen die Zahlung ab, muss der Beamte gegen die Entscheidung des Dienstherrn Widerspruch erheben. Erst nach Zurückweisung des Widerspruchs durch Erlass eines Widerspruchsbescheides kann der Beamte Klage erheben. In den genannten Fällen stellt der vor Erhebung der Klage beim Dienstherrn zu stellende Antrag nicht lediglich eine im Prozess nachholbare Sachurteilsvoraussetzung, sondern eine nicht nachholbare Klagevoraussetzung dar. Sein Fehlen macht die Klage unzulässig (BVerwG, Urteil vom 16.06.2020 – 2 C 20.19 – Rn. 38 m.w.N.). Das OVG stellt zum konkreten Fall fest, die Sachverhalte zu den behaupteten Verletzungshandlungen des Personals des staatlichen Schulamts während der Bearbeitung des behördlichen Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens zu dem beantragten Schadensersatz sowie des Ausspruchs des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte vom 06.03.2019 stellten einen wesentlich anderen Prozessstoff dar, der auch keine bloße Fortsetzung der behaupteten Verletzungshandlungen sei, die dem beim Dienstherrn am 24.06.2013 gestellten Antrag auf Schadensersatz einschließlich der Weiterentwicklung des Sachverhaltes bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2014 zugrunde lägen. 

Im Übrigen sei die Klage zwar zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht habe die Klage zu Recht abgewiesen. Die Berufung sei unbegründet. Voraussetzung des beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruchs sei, dass der Dienstherr eine dem Beamten gegenüber bestehende Pflicht schuldhaft verletzt habe, die Rechtsverletzung adäquat kausal für den Schadenseintritt war und der Beamte es nicht unterlassen habe, den Schaden durch Gebrauch eines ihm zumutbaren Rechtsmittels abzuwenden (BVerwG, Urteil vom 28.03.2023 – 2 C 6.21-; Urteil vom 15.11.2022 – 2 C 4.21 – m.w.N.; vgl.). Diese Anforderungen würden grundsätzlich auch gelten, wenn Schmerzensgeld oder der Ersatz für immaterielle Schäden wegen "Mobbings" geltend gemacht werde. 

Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn aus § 45 BeamtStG vermittele dem Beamten auch einen Anspruch, zum Schutz und zur Wahrung seiner Persönlichkeitsrechte „Mobbing" durch Beschäftigte oder Vorgesetzte zu unterbinden. Mit der Bezugnahme auf "Mobbing" wird in der Rechtsprechung eine Erleichterung gewährt, indem ein bestimmtes Gesamtverhalten als Verletzungshandlung im Rechtssinne qualifiziert wird (BVerwG, Urteil vom 28.03.2023 – 2 A 12.21 –). Die rechtliche Besonderheit der als Mobbing bezeichneten tatsächlichen Erscheinungen liegt darin, dass nicht eine einzelne, abgrenzbare Handlung, sondern die Zusammenfassung mehrerer Einzelakte zu einer Rechtsverletzung des Betroffenen führen kann. Wesensmerkmal der als Mobbing bezeichneten Beeinträchtigung ist die systematische, sich aus vielen einzelnen Handlungen zusammensetzende Verletzungshandlung, wobei den einzelnen Handlungen bei isolierter Betrachtung eine rechtliche Bedeutung oft nicht zukommt (BVerwG, Urteil vom 28.03.2023 – 2 C 6.21 –vgl. BAG, Urteil vom 16.05.2007 - 8 ARZ 709/06 m. w. N.). Die Beurteilung der vorgetragenen Rechtsverletzung dürfe sich daher nicht darauf beschränken, die geschilderten Maßnahmen jeweils für sich zu betrachten. Erforderlich sei vielmehr eine Gesamtschau der vorgetragenen Beeinträchtigungen, die auch die vorgetragene Zielrichtung der zusammengefassten Handlungen in den Blick nimmt (BVerwG, Urteil vom 28.03.2023 – 2 A 12/21 –). Der Umstand, dass der klagende Beamte Verhaltensweisen von Vorgesetzten und Kollegen als Mobbing bezeichnet, habe für sich noch keinen Einfluss auf die rechtliche Prüfung (vgl. BAG, Urteil vom 16.05.2007 – 8 AZR 709/06 –). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei "Mobbing" daher als ein "systematisches Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren" verstanden worden (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.03.2023 – 2 C 6.21 –). „Mobbing“ könne durch Beschäftigte untereinander oder durch Vorgesetzte erfolgen. Ob einzelne Handlungen für sich betrachtet oder in ihrer Gesamtheit als Mobbing zu qualifizieren seien, bedürfe der Tatsachenwürdigung. Ob im vorgenannten Sinne ein systematisches Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren vorliege, hänge im Wesentlichen von den Umständen des Einzelfalles ab. Dabei bedürfe es in der Regel einer Abgrenzung zu dem (in dem betroffenen Geschäftsbereich) allgemein üblichen, noch rechtlich erlaubten und insofern von dem Betroffenen hinzunehmenden Verhalten im beruflichen Umgang miteinander. Die systematische Verletzungshandlung müsse über gewöhnliche, von jedermann zu bewältigende berufliche Schwierigkeiten hinausgehen. Nicht jede Auseinandersetzung oder Meinungsverschiedenheit mit Kollegen oder Vorgesetzten erfülle bereits den Begriff des Mobbings. Kurzfristigen Konfliktsituationen mit Vorgesetzten oder Kollegen und Kolleginnen fehle in der Regel schon die notwendige systematische Vorgehensweise, die für ein systematisches Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren erforderlich sei (vgl. Oberverwaltungsgericht Münster, Urteil vom 12.12.2013 – 1 A 71/11). 

Unter den Voraussetzungen einer Verletzung der Fürsorgepflicht könne mit dem beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruch auch ein Ersatz für immaterielle Schäden gewährt werden (vgl. § 253 Abs. 2 BGB; BVerwG, Urteil vom 28.03.2023 – 2 C 6.21 –). Wie ausgeführt, vermittele die Fürsorgepflicht des Dienstherrn dem Beamten einen Anspruch auf Schutz und Wahrung seiner Persönlichkeitsrechte. Eine Geldentschädigung könne bei einer schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzung verlangt werden (vgl. näher Jauernig/Kern, BGB, 19. Aufl. 2023, § 253 Rn. 10 m.w.N. der Rechtsprechung des BGH; Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, 10. Aufl. 2020, S. 317). 

Es entspreche ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass die in § 839 Abs. 3 BGB für Fälle der Amtshaftung getroffene Regelung als Ausprägung des Mitverschuldensprinzips auch für den beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruch Anwendung finde. In ihr komme zugleich der Grundsatz vom Vorrang des Primärrechtsschutzes zum Ausdruck. Bei rechtswidrigem Handeln des Staates sei der Betroffene gehalten, zunächst die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Abhilfe in Anspruch zu nehmen (kein "dulde und liquidiere"). Ein Anspruchsverlust trete jedoch nur durch den Nichtgebrauch von zumutbaren und erfolgversprechenden Rechtsmitteln ein. Hierzu gehöre auch die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes. Bei der Prüfung der Zumutbarkeit von Rechtsmitteln in "Mobbing"-Konstellationen sei auch zu berücksichtigen, dass bei Einlegung von Rechtsbehelfen eine Verschlechterung der gegenwärtigen Situation zu befürchten sein könne (BVerwG, Urteil vom 28.03.2023 – 2 C 6.21 –). 

Das OVG konnte nach Würdigung und Bewertung der Umstände des Einzelfalles, in den vom Kläger vorgetragenen Vorwürfen, dargelegten Geschehnissen und Verletzungshandlungen, - insbesondere der Schulleiterin sowie des genannten Personals des Staatlichen Schulamtes im Zeitraum von Dezember 2010 bis November 2012 -, weder für sich genommen noch im Wege der Gesamtbetrachtung keine Verletzung der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht erkennen. Zudem sei das beklagte Land als Dienstherr auch seiner Fürsorgepflicht nachgekommen. Es habe im Hinblick auf den Anspruch des Klägers auf Schutz und Wahrung seiner Persönlichkeitsrechte durch die Umsetzung an eine andere Schule sichergestellt, dass sollte es zur einzelnen Mobbinghandlungen dem Kläger gegenüber gekommen sein, (künftige) Mobbinghandlungen gegen ihn unterbleiben würden. 


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BVerfG, Beschl. v. 28.02.2024 – 2 BvQ 16/24 – 

Vorabentscheidungsersuchen wegen eventuell unionsrechtswidriger Alters-Diskriminierung durch starre Regelaltersgrenze bei Bundesrichtern impliziert weder die Überzeugung einer unionsrechtlichen Diskriminierung noch die Behauptung einer Grundrechtsverletzung 

Das Bundesverfassungsgericht lehnte den Antrag eines Bundesrichters auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 32 Abs. 1 i.V.m. § 93 d Abs. 2 BVerfGG ab. Der Antragsteller begehrte die Aussetzung des Vollzugs nach § 48 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3, Zeile 12 des Deutschen Richtergesetzes in der Fassung vom 05.02.2009 bis zum Abschluss des vom ihm noch anhängig zu machenden Verfassungsbeschwerdeverfahrens gegen die letztinstanzliche Ablehnung seines Antrags, ihn im Richterverhältnis als Bundesrichter bis zum 28.02.2026 zu behalten und ihn nicht in den Ruhestand zu versetzen sowie eine entsprechende einstweilige Anordnung gegen das Bundesministerium der Justiz zu erlassen. Nach der genannten Vorschrift wird die Regelaltersgrenze für Bundesrichter in der Regel mit Vollendung des 67. Lebensjahres erreicht, der Eintritt in den Ruhestand kann nicht hinausgeschoben werden und für die im Jahr 1958 Geborenen wird die bisher mit Vollendung des 65. Lebensjahres geltende Regelaltersgrenze um 12 Monate angehoben. 

Die Richter der ersten Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts waren darüber einig, dass der Antrag weder zulässig noch begründet war. 

Zulässig ist ein Antrag nach § 32 Abs. 1 BVerfGG nur, sofern die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung substantiiert dargelegt werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.03.2017 – 2 BvQ 2/17 –, Rn. 1; Beschl. v. 24.02.2022 - 1 BvQ 12/22 -, Rn. 3), insbesondere dass der Antrag in der Hauptsache weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet ist. Wenn – wie hier – eine einstweilige Anordnung isoliert von der Hauptsache beantragt wird, hat der Antrag die Angaben zu enthalten, die erforderlich sind zur Begründung der noch zu erhebenden Verfassungsbeschwerde (BVerfG, Beschl.v. 09.05.2019 – 2 BvQ 46/19; Beschl.v. 01.10.2020 - 2 BvQ 63/20 – Rn. 10). Zur Antragsbegründung hatte der Antragsteller lediglich pauschal auf die Argumentation eines Aussetzungs- und Vorlagebeschlusses des Veraltungsgerichts Karlsruhe (VG Karlsruhe, Beschl.v. 24.04.2023 – 12 K 2386/22) in vollem Umfang verwiesen. Der Vortrag entspreche somit schon nicht den Substantiierungsanforderungen des § 23 Abs. 1 S. 2 BVerfGG, denn das BVerfG habe nicht die Aufgabe, in Bezug genommene Dokumente und andere Anlagen auf verfassungsrechtlich relevante Tatsachen oder auf eben solchen Vortrag hin zu durchsuchen. 

Die Bezugnahme des Antragstellers zeige zudem nicht auf, dass eine noch zu erhebende Verfassungsbeschwerde nicht offensichtlich unbegründet wäre. Das Verwaltungsgericht habe zwar in jenem in Bezug genommenen Verfahren, das ebenfalls die Ruhestandsregelung bei Bundesrichtern betreffe, dem Gerichtshof der Europäischen Union unter anderem die Frage vorgelegt, ob es eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Buchstabe a der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl EG Nr. L 303, S. 16) darstelle, wenn Bundesrichter wegen § 48 Abs. 2 des Deutschen Richtergesetzes (DRiG) den Eintritt in den Ruhestand nicht hinausschieben dürfen, obwohl dies Bundesbeamten und – beispielsweise – Richtern im Dienst des Landes Baden-Württemberg erlaubt ist. Ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 Abs. 2 AEUV setze jedoch nicht voraus, dass das Gericht von der Unionsrechtswidrigkeit entscheidungserheblicher Normen überzeugt ist. Zutreffend habe der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in seiner die Beschwerde des Antragstellers im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren zurückweisenden Entscheidung darauf hingewiesen, dass darin ein Unterschied zu einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG liege. Demgemäß lasse sich auch der konkreten Argumentation des Verwaltungsgerichts in dem vom Antragsteller in Bezug genommenen Beschluss nicht die Überzeugung entnehmen, dass es sich bei der Regelung des § 48 Abs. 2 DRiG um eine unionsrechtswidrige Diskriminierung handele. Erst recht verhalte sich die Entscheidung nicht dazu, weshalb, wie vom Antragsteller gerügt, die Regelung des § 48 Abs. 2 DRiG die Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG verletzen soll. 

Link zur Entscheidung: 
BVerfG, Beschl. v. 28.02.2024 – 2 BvQ 16/24 –

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BVerwG, Urt. v. 01.02.2024, - 2 A 1.23 - 

Korrektur einer fehlerhaften Beurteilungsfassung bedeutet nicht zwingend die Anhebung des Gesamturteils

Leitsatz

Der Umstand, dass die vorangegangene Fassung einer dienstlichen Beurteilung wegen eines Fehlers aufgehoben worden ist, muss nicht zwingend zu einer Anhebung des vergebenen Gesamturteils in der korrigierten dienstlichen Beurteilung führen. 

 

Das BVerwG wies die Klage eines beim BND beschäftigten Regierungsrats ab, der gegen seine Regelbeurteilung vorging. 

Zunächst hatte der BND für den Kläger eine Regelbeurteilung betreffend den Beurteilungszeitraum vom 01.04.2019 bis 31.05.2021 erstellt. Diese Regelbeurteilung wurde aufgehoben, weil der Beurteilungszeitraum sich auch auf einen in seine Probezeit fallenden Zeitraum erstreckte. Die daraufhin erstellte neue Regelbeurteilung umfasst den Beurteilungszeitraum vom 31.10.2020 bis zum 31.05.2021. Bei der Leistungsbewertung erreichte der Kläger sowohl überwiegend in den Einzelbewertungen als auch in der Gesamtnote die Note 2.

Mit der Klage wurde unter anderem geltend gemacht, dass die Begründung des Gesamturteils Widersprüche enthalte. Widersprüchlich sei, dass der Erstbeurteiler in den unterschiedlichen Entwürfen wechselnde Begründungen für die gleichbleibende Benotung angeführt habe.

Das BVerwG führte zunächst unter anderem an, die verwaltungsgerichtliche Kontrolle einer dienstlichen Beurteilung sei auf die Überprüfung beschränkt, ob der Dienstherr gegen Verfahrensvorschriften verstoßen habe, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sei, die anzuwendenden Begriffe oder den gesetzlichen Rahmen verkannt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt habe (stRspr, vgl. u.a. BVerfG, Beschl. v. 05.09.2007 - 2 BvR 1855/07, BVerwG, Urt. v. 15.12.2021 - 2 A 1.21-)

Dem BVerwG zufolge enthielt die in Rede stehende Regelbeurteilungen (auch) keine sachfremden oder sonst willkürlichen Erwägungen. 

Dies gelte für die Beibehaltung der Einzelbewertungen und des Gesamturteils trotz Änderung des Begründungstextes. Ein Abweichen von einer rechtswidrigen und aufgehobenen, damit rechtlich nicht mehr existenten dienstlichen Beurteilung löse keinen Plausibilisierungsbedarf aus (BVerwG, Urt. v. 01.03.2018 - 2 A 10.17 - BVerwGE 161, 240 Rn. 39). Es gäbe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die aufgehobene Berücksichtigung des Zeitraums im Probebeamtenverhältnis auch in der abschließenden Fassung noch "fortgewirkt" hätte (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 12.10.2023 - 2 A 7.22 -) und die Beibehaltung der Einzelnoten und des Gesamturteils Ausdruck eines schon feststehenden Ergebnisses wäre. Die Korrektur eines in der vorangegangenen Fassung erkannten Fehlers führe nicht zwingend zu einer Anhebung des vergebenen Gesamturteils in der korrigierten dienstlichen Beurteilung.

 

Link zur Entscheidung: 
BVerwG, Urt. v. 01.02.2024, - 2 A 1.23 -

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OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 20.01.2024 - OVG 4 S 47/23 - 

Keine Möglichkeit einer späteren Berufung auf Wiedererlangung der Polizeidienstfähigkeit bei Zulassung zum Laufbahnwechsel mit Zustimmung des Probebeamten 

Leitsatz 
Wird ein Probebeamter, dem die gesundheitliche Bewährung für den Polizeidienst fehlt, mit seiner Zustimmung zum Laufbahnwechsel zugelassen, kann er sich nicht auf die spätere Wiedererlangung der Polizeidienstfähigkeit berufen. 
 
Mit diesem Beschluss ändert das OVG eine Entscheidung des VG Berlin ab. Der Antrag auf Widerherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage eines Polizeimeisters auf Probe wird abgelehnt. Der Probebeamte ging mit der Klage gegen seine Zulassung zum Laufbahnwechsel in den nichttechnischen allgemeinen Verwaltungsdienst vor. 
Die vom Antragsteller in der Widerspruchsbegründung vorgetragenen Erwägung im Anschluss an die ärztliche gutachterliche Stellungnahme vom 30.04.2021, er sei inzwischen wieder als voll polizeidienstfähig anzusehen, überzeugte das OVG nicht. Denn sei der Zeitpunkt gegen Ende der laufbahnrechtlichen Probezeit maßgeblich, dann dürfe die Bewertung der Rechtmäßigkeit des behördlichen Handelns nicht davon abhängig gemacht werden, ob bis zum Ende der ärztlich für notwendig gehaltenen Zeit des Abwartens die Krankheit wieder aufgetreten oder aber ausgeblieben sei. 
Die damalige Entscheidung des Antragsgegners, den polizeidienstunfähigen Antragsteller nicht zu entlassen, sondern ihn zum Laufbahnwechsel in das zweite Einstiegsamt der Laufbahngruppe 1 des allgemeinen Verwaltungsdienstes, Laufbahnzweig nichttechnischer Verwaltungsdienst, zuzulassen, stehe im Einklang mit § 26 Abs. 2 BeamtStG. Danach dürfen den Beamten vor der Übertragung des neuen Amtes auch Qualifizierungsmaßnahmen zum Erwerb der Laufbahnbefähigung auferlegt werden. Der Bescheid des Antragsgegners sei nicht etwa dadurch rechtswidrig geworden, dass der Widerspruch des Antragstellers als Widerruf der Zustimmung zum Laufbahnwechsel verstanden werden könne. Denn bei Verwaltungsakten, die den Status von Beamten betreffen, sei die Zustimmung, wenn sich nichts anderes aus dem Gesetz ergebe, nur bis zur Bekanntgabe des Bescheides möglich (BVerwG, Beschl. v. 17.09.1996 – 2 B 98.96 –; Urt. v. 15.05.1997 – 2 C 3.96 –; ferner Beschluss vom 12.04.2000 1 WB 7.00 –; zustimmend Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 35 Rn. 237). Wirke die Zustimmung des Antragstellers vom 09.07.2021 fort, werde er durch den Bescheid des Antragsgegners nicht in eigenen Rechten verletzt (entsprechend BVerwG, Beschl. v. 17.09.1996 – 2 B 98.96 –). Abgesehen davon sei die Übertragung eines anderen Amtes gemäß § 26 Abs. 2 Satz 2 BeamtStG sogar ohne Zustimmung zulässig, wenn das neue Amt zum Bereich desselben Dienstherrn gehöre, es mit mindestens demselben Grundgehalt verbunden sei wie das bisherige Amt und wenn zu erwarten sei, dass die gesundheitlichen Anforderungen des neuen Amtes erfüllt werden. 


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OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.01.2024 - OVG 10 S 41/22 - 

Entlassung einer Probebeamtin: nicht behebbar erscheinende, gesundheitliche und charakterliche Eignungsmängel (Nähe zur sog. Querdenkerbewegung)

Leitsatz 
1. Lassen sich gesicherte Feststellungen zur gesundheitlichen Verfassung des Probebeamten nicht treffen („non liquet“), geht dies nach den Grundsätzen der materiellen Beweislast zu Lasten des Dienstherrn. 
2. Beamtinnen und Beamte schulden dem aus freien Wahlen hervorgegangenen Bundestag und der von ihm demokratisch legitimierten Bundesregierung Loyalität. Sie sind zur Verfassungs- und Staatstreue auch und gerade in Krisenzeiten und ernsthaften Konfliktsituationen verpflichtet. 
3. Wird während der Probezeit eine mangelnde Bewährung des Probebeamten innerhalb des Beurteilungsspielraums des Dienstherrn festgestellt, die nicht behebbar erscheint, so entspricht es in der Regel der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, den Beamten auf Probe alsbald zu entlassen, schon um ihm Klarheit über seinen künftigen Berufsweg zu verschaffen; dabei genügen auch schon nachhaltige Zweifel, weil auch sie die Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit ausschließen. 

Mit dieser Entscheidung würde ein Beschluss des VG Berlin geändert und der Antrag einer ehemaligen Beamtin auf Probe, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Entlassungsbescheid wiederherzustellen, wurde abgelehnt. Begründet wurde die Entlassung mit einer mangelnden gesundheitlichen Eignung der Antragstellerin, mit Bedenken hinsichtlich ihrer weltweiten Versetzbarkeit, ferner mit ihrer ersten Probezeitbeurteilung sowie mit charakterlichen Eignungsmängeln. Zu diesen Letztgenannten hieß es in dem Entlassungsbescheid u.a., im Umgang mit den verhängten Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie habe sich gezeigt, dass die Antragstellerin wesentliche Aspekte des Gedankenguts der sog. „Querdenkerbewegung“ teile oder diesen zumindest nahestehe. 
Zur gesundheitliche Eignung führte das OVG aus, dass diese einem Bewerber nur dann abgesprochen werden könne, wenn bezogen auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Probezeit tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertige, er werde mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze wegen dauernder Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt oder er werde mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bis zur Pensionierung über Jahre hinweg regelmäßig krankheitsbedingt ausfallen und deshalb eine erheblich geringere Lebensdienstzeit aufweisen. Die entsprechende Prognosebeurteilung setze eine hinreichend fundierte medizinische Tatsachenbasis voraus, die in aller Regel ein Mediziner auf der Grundlage allgemeiner medizinischer Erkenntnisse und der gesundheitlichen Verfassung des Bewerbers erstellen müsse. Dieser müsse das Ausmaß der Einschränkungen feststellen und deren voraussichtliche Bedeutung für die Leistungsfähigkeit und für die Erfüllung der beruflichen Anforderungen fundiert einschätzen. Die medizinische Diagnose müsse daher Anknüpfungs- und Befundtatsachen darstellen, die Untersuchungsmethoden erläutern und ihre Hypothesen sowie deren Grundlage offenlegen. Auf dieser Grundlage ist unter Ausschöpfung der vorhandenen Erkenntnisse zum Gesundheitszustand des Bewerbers eine Aussage über die voraussichtliche Entwicklung des Leistungsvermögens zu treffen, die es dem Dienstherrn und/oder dem Verwaltungsgericht ermöglicht, die Rechtsfrage der gesundheitlichen Eignung jeweils eigenverantwortlich zu beantworten. Ließen sich gesicherte Feststellungen zur gesundheitlichen Verfassung des Probebeamten nicht treffen („non liquet“), gehe dies nach den Grundsätzen der materiellen Beweislast zu Lasten des Dienstherrn (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 C 12.11 -; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - 2 C 16.12-). Das OVG befand jedoch ferner, dass der Entlassungsbescheid diesen Grundsätzen Rechnung trage. Hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung hat die Antragsgegnerin in ihrem Entlassungsbescheid auf ein ärztliches Zeugnis eines Arztes vom 17.06.2021 Bezug genommen, wonach sich dauernde Bedenken an der weltweiten Versetzbarkeit der Antragstellerin ergäben, das zugrunde liegende psychologische Gutachten identifiziere einen pathologischen Zustand, der insbesondere im Ausland Auswirkungen entfalten könne, die einen geordneten Dienstbetrieb potentiell gefährden würden. Aufgrund der Erkrankung der Antragstellerin bestehe außerdem ein erhöhtes Risiko, dass es zu Situationen komme, in denen sie Regeln und Normen nicht akzeptieren, nicht befolgen und diese ggf. auch nicht nach außen repräsentieren werde. Diese Annahme finde in den über die Antragstellerin geführten Gesundheitsunterlagen eine hinreichend fundierte medizinische Tatsachenbasis. 
Ferner entschied das OVG, dass die Antragsgegnerin auch zu Recht von einer mangelnden Bewährung der Antragstellerin in charakterlicher Hinsicht ausgehen durfte, wobei bereits begründete ernsthafte Zweifel des Dienstherrn genügten für die Feststellung der Nichtbewährung. 

Das OVG nimmt Bezug auf den Verfassungsschutzbericht 2022 des Bundesministeriums des Innern und für Heimat, dem zufolge rezipieren Angehörige der Querdenkerbewegung Verschwörungserzählungen, in denen bspw. die Rede sei von dem „Great Reset“ oder Erzählungen über eine vermeintlich von den Eliten geplante „Neue Weltordnung“, wobei aktuelle Entwicklungen, wie die Coronapandemie, als Mittel zur Erreichung dieser Ziele eingesetzt würden. Dahingehende Äußerungen von Beamten stellten, wie das Bundesverwaltungsgericht jüngst klargestellt habe, einen Verstoß gegen die beamtenrechtliche Treuepflicht dar (grundlegend BVerwG, Urteil vom 14. Juni 2023 - BVerwG 2 WD 11.22). Die Nähe zur Querdenker-Bewegung zeige sich u.a. darin, dass die Antragstellerin in einem Personalgespräch, in dem sie die Corona-Maßnahmen als kritisch bezeichnete, auch geäußert habe, sie sehe einen Zusammenhang zum „Great Reset“ des Weltwirtschaftsforums (World Economic Forum – WEF) in Davos, das einen radikalen Umbau der westlichen Demokratien plane; dazu erhielte EU-KommPräs´in von der Leyen bereits Weisungen von Herrn Schwab, dem Leiter des WEF.

Das OVG wies darauf hin, dass nach § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG sich Beamtinnen und Beamte durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten müssten. Hierbei handele es sich um eine beamtenrechtliche Kernpflicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 2021 - BVerwG 2 A 7.21 -). Aus ihr folge auch, dass Beamtinnen und Beamte dem aus freien Wahlen hervorgegangenen Bundestag und der von ihm demokratisch legitimierten Bundesregierung Loyalität schulde. Sie seien zur Verfassungs- und Staatstreue auch und gerade in Krisenzeiten und ernsthaften Konfliktsituationen verpflichtet (BVerwG, Urteil vom 14. Juni 2023 - BVerwG 2 WD 11.22 -). Äußerungen etwa dahin, dass staatliche Eingriffsmaßnahmen, die zur Bekämpfung des COVID-19-Virus ergriffen wurden, gegen Menschenrechte verstießen und auf eine staatliche Diktatur oder einen gesellschaftlichen Kollaps hinausliefen bzw. bereits zu einer Diktatur geführt hätten, bzw. durch die Maßnahmen solle eine „Neue Weltordnung" begründet werden, gingen über die noch zulässige Kritik hinaus; denn sie enthielten darüber hinaus den Vorwurf, die Bundesregierung strebe unter Bruch der Verfassung eine Diktatur an (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juni 2023 - BVerwG 2 WD 11.22 -). 

Dem OVG zufolge habe die Antragstellerin wiederholt Äußerungen getätigt, denen der Vorwurf entnommen werden könne, die Antragsgegnerin bewege sich mit ihren Maßnahmen zur Bekämpfung des Covid-19-Virus in die Richtung einer Diktatur. In einer E-Mail schrieb die Antragstellerin in Bezug auf die damals pandemiebedingte Vorgabe der Temperaturmessungen am Eingang des Dienstgebäudes, sie (die Antragstellerin) sehe die Gefahr einer schleichenden Gewöhnung an chinesische Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen. In einer anderen E-Mail hieß es von der Antragstellerin zu diesem Thema: „Auch der Schutz von Dritten sollte uns niemals vergessen lassen, dass wir in einem demokratischen Staat mit mündigen Bürgern leben. Ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass die Diktatur Chinas hier nicht als Vorbild für die getroffenen Entscheidungen stand“. Darüber hinaus äußerte sich die Antragstellerin an anderer Stelle dahingehend, dass die Corona-Maßnahmen der Antragsgegnerin gegen die Menschenwürde verstießen bzw. dass die von den Maßnahmen betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dadurch zu bloßen Objekten herabgewürdigt würden.

Schließlich widersprach das OVG auch der Ausführung des VG Berlin, dass über die Bewährung der Antragstellerin erst am Ende der Probezeit zu entscheiden sei. Zwar entspreche es dem Wesen der (laufbahnrechtlichen) Probezeit, dem Beamten die Möglichkeit zu geben, grundsätzlich während des ganzen Laufs der Probezeit seine Eignung zu beweisen. Zudem gebiete es die auch dem Beamten auf Probe gegenüber bestehende Fürsorgepflicht, eine Entlassung nur nach sorgfältiger Prüfung und Abwägung aller Umstände auszusprechen. Werde aber während der Probezeit eine mangelnde Bewährung des Probebeamten innerhalb des Beurteilungsspielraums des Dienstherrn festgestellt, die nicht behebbar erscheine, so entspreche es in der Regel der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, den Beamten auf Probe alsbald zu entlassen, schon um ihm Klarheit über seinen künftigen Berufsweg zu verschaffen; dabei genügten auch schon nachhaltige Zweifel, weil auch sie die Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit ausschließen (BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 1985– 2 CB 25.84). Die Antragsgegnerin habe zu Recht angenommen, dass die von ihr gesehenen Mängel nicht behebbar erscheinen.

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OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 03.01.2024 – OVG 4 N 43/20 – 

Zurruhesetzung: Keine Suchpflicht im Bereich anderer Dienstherren; nur maßnahmespezifisches Beteiligungsrecht der Frauenvertreterin 

Leitsatz 

1. Die Reichweite der Suchpflicht des Dienstherrn einer unmittelbaren Landesbeamtin im Rahmen ihrer wegen Dienstunfähigkeit beabsichtigten Versetzung in den Ruhestand erstreckt sich nicht auf den Bereich anderer Dienstherren, insbesondere nicht auf den Bereich der mittelbaren Landesverwaltung. 

2. Zum maßnahmenspezifischen Beteiligungsrecht der Frauenvertreterin im Zurruhesetzungsverfahren wegen Dienstunfähigkeit 
Mit dem Beschluss lehnte das OVG einen Antrag auf Zulassung einer Berufung gegen ein verwaltungsgerichtliches Urteil ab. Antragstellerin war eine zuletzt im Amt einer Konrektorin stehende Klägerin, die sich gegen ihre Versetzung in den Ruhestand wegen dauernder Dienstunfähigkeit gemäß § 26 BeamtStG wendete.

Das OVG führte in dem Beschluss aus, dass die Klägerin keinen Anspruch auf eine anderweitige Verwendung habe. Der Beklagte habe seine insoweit bestehende gesetzliche Pflicht zur Suche (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. März 2023 – OVG 4 B 6/20 -) in nicht zu beanstandender Weise erfüllt. Das Verwaltungsgericht habe zutreffend dargelegt, dass die in der Personalakte der Klägerin dokumentierte Suche aus dem Februar/März 2019, die sich auf das der Besoldungsgruppe A 14 zugeordnete Amt der Klägerin bezogen hatte, die Anforderungen erfülle. Die Reichweite der Suchpflicht erstrecke sich einerseits auf den gesamten Bereich des Dienstherrn unter Einschluss der Dienstposten, die frei oder innerhalb von regelmäßig sechs Monaten zu besetzen seien (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. März 2015 – 2 C 37.13 –), werde jedoch andererseits durch die gesundheitliche Eignung des Betroffenen beschränkt (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 24. Juli 2019 – 6 A 696/17 –). Hiernach sei der Beklagte insbesondere nicht gehalten gewesen, die Suche auf den Bereich der mittelbaren Landesverwaltung zu erstrecken. Denn die Klägerin stehe im Beamtenverhältnis zum Land Berlin, sei also unmittelbare Landesbeamtin (§ 2 Abs. 2 Satz 1 LBG). Nicht zum Bereich ihres Dienstherrn gehörten somit Bereiche anderer Dienstherren (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. April 2020 – 2 B 5.19), also im Land Berlin die Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, die dieses Recht im Zeitpunkt des Inkrafttretens des BeamtStG besitzen oder denen es durch ein Landesgesetz oder aufgrund eines Landesgesetzes verliehen werde (§ 2 Nr. 2 BeamtStG, § 2 Abs. 2 Satz 2 LBG). Auch die Klägerin stellet die sich hieraus ergebende Begrenzung der Suchpflicht nicht substantiiert in Frage. Ferner benenne sie keine der unmittelbaren Landesverwaltung zugeordnete Stelle, von der sie erwarten durfte, dass diese in die Suche einbezogen werde. Soweit die Klägerin schließlich meine, eine einmalige Suche reiche mit Blick auf die Stellen, die innerhalb der nächsten sechs Monate frei werden, nicht aus, greife dies mit Blick auf die an eine solche Suche zu stellenden Anforderungen ebenfalls nicht durch (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. März 2015 – 2 C 37.13 –). 

Auf die hilfsweise Geltendmachung, dass nach der rückwirkend vorgenommenen (höheren) Einstufung des Amtes der Klägerin in die Besoldungsgruppe A 14 unter anderem die Beteiligung der Personalvertretung zu wiederholen gewesen sei, wies das OVG darauf hin, dass mit Bezug auf die Frauenvertreterin sich aus § 17 Abs. 1 und 2 LGG nur ein maßnahmenspezifisches Beteiligungsrecht ergebe (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. April 2017 – OVG 4 B 20.14) – hier am Zurruhesetzungsverfahren an sich, und zwar ohne Bezugnahme auf eine konkrete Besoldungsgruppe des Betroffenen.

 

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OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 20.12.2023 - OVG 4 S 1/23 -

Konkurrentenrechtsschutzverfahren: Vergabe einer Professur, Rügerecht in Bezug auf die Berufungskommission, Dokumentationspflicht vorbereitender Erwägungen 

Leitsatz

1. Zum gerichtlichen Konkurrentenrechtsschutzverfahren betreffend ein Verfahren zur Vergabe einer Professur an einer staatlichen Universität.

2. Obwohl Professoren und Professorinnen auf Vorschlag des zuständigen Gremiums von dem für Hochschulen zuständigen Mitglied des Berliner Senats berufen werden, ist es Bewerbern um eine Hochschulprofessur grundsätzlich nicht verwehrt, die Besetzung der für den Besetzungsvorschlag des zuständigen Gremiums der Hochschule maßgeblichen Berufungskommission zu rügen.

3. Lässt ein zuständiges Gremium einer Hochschule die Entscheidung über einen Berufungsvorschlag zur Berufung eines Professors oder einer Professorin durch eine Berufungskommission vorbereiten, so müssen auch deren vorbereitende Erwägungen schriftlich niedergelegt und damit dokumentiert werden, damit sie ihrerseits den verfahrensrechtlichen Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG genügen.
Das OVG Berlin-Brandenburg (im Folgenden: OVG) entschied über eine Beschwerde gegen die Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung. Die Antragstellerin in dem vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzverfahren, war Bewerberin auf eine Hochschulprofessur. Für die Besetzung der Professur erstellte eine Berufungskommission eine Berufungsliste, auf der die Antragstellerin auf Platz 3 platziert war. Der Ruf ging an die Bewerberin auf Platz 1 der Liste, der hiesigen Beigeladenen. Diese nahm an. Mit der Beschwerde begehrt die Antragstellerin sinngemäß, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die Stelle der Professur mit der Beigeladenen zu besetzen und sie zu ernennen.

Zur Rüge der Antragstellerin, ihr Bewerbungsverfahrensanspruch sei verletzt, führte das OVG zum Konkurrentenrechtsschutzverfahren zur Vergabe einer Professur an einer staatlichen Universität aus, dass auch beim Statusamt einer Professorin oder eines Professors an einer Universität sich die Auswahlentscheidung nach den in Art. 33 Abs. 2 GG genannten Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zu richten habe (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2016 – BVerwG 2 C 30.15 –). Dementsprechend würden im Ausgangspunkt die aus Art. 33 Abs. 2 GG und Art. 19 Abs. 4 GG abgeleiteten allgemeinen Grundsätze zum Bewerbungsverfahrensanspruch bei beamtenrechtlichen Auswahlentscheidungen gelten. Danach könne der unterlegene Bewerber, wenn die genannten Vorgaben missachtet würden, eine erneute, ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung beanspruchen, wenn seine Auswahl möglich erscheine und seine Chancen, bei einer erneuten Auswahlentscheidung zum Zuge zu kommen, zumindest offen seien. Allerdings stelle die Entscheidung des Dienstherrn, welcher Bewerber oder welche Bewerberin der oder die Bestgeeignete für die ausgeschriebene Stelle ist, einen Akt wertender Erkenntnis des für die Beurteilung zuständigen Organs dar, der vom Gericht nur eingeschränkt überprüft werden könne. Dies gelte umso mehr, wenn es sich bei der zu besetzenden Stelle um die einer Hochschullehrerin oder eines Hochschullehrers handelte (u.a. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. August 2019 – OVG 4 S 15.19 –).
Des Weiteren macht die Antragstellerin eine Verletzung Ihres Bewerbungsverfahrensanspruchs durch eine nicht ordnungsgemäße Zusammensetzung der Berufungskommission geltend. Das OVG räumte hierzu ein, die Rüge der Antragstellerin gehe von dem zutreffenden rechtlichen Ansatz aus, dass es einer Bewerberin um eine Hochschulprofessur grundsätzlich nicht verwehrt ist, die Besetzung der Berufungskommission zu rügen, die für den Besetzungsvorschlag des Fakultätsrates maßgeblich ist. Zur Berufung eines Professors oder Professorin beschließe nach § 101 Abs. 2 BerlHG das zuständige Gremium eine Liste, die Namen von drei Bewerbern oder Bewerberinnen enthalten soll (Berufungsvorschlag). Professoren und Professorinnen werden auf Vorschlag des zuständigen Gremiums von dem für Hochschulen zuständigen Mitglied des Senats berufen (§ 101 Abs. 1 BerlHG). Die Entscheidung über den Berufungsvorschlag des zuständigen Gremiums, hier des Fakultätsrates, werde hinsichtlich der fachlichen Qualifikation der Bewerber beratend durch die von ihm bestellte Berufungskommission vorbereitet. Obwohl das für die Hochschulen zuständige Mitglied des Senats an die Reihenfolge der Namen des Berufungsvorschlags nicht gebunden sei (vgl. näher § 101 Abs. 4 BerlHG), sei es Bewerbern um eine Hochschulprofessur grundsätzlich nicht verwehrt, die Besetzung der für den Besetzungsvorschlag des zuständigen Gremiums der Hochschule maßgeblichen Berufungskommission zu rügen (vgl. OVG Koblenz, Beschluss vom 28. September 2007 – 2 B 10825/07 – Rn. 5). 

Die Antragstellerin rügte ferner, ihr Bewerbungsverfahrensanspruch sei verletzt worden, da die Berufungskommission, die von ihr aufgestellte Berufungsliste nicht hinreichend schriftlich dokumentiert habe. Zu den Anforderungen der dokumentierten Begründung einer Berufungsliste äußert sich das OVG wie folgt: Aus der Verfahrensabhängigkeit des aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Bewerbungsverfahrensanspruchs würden sich Vorwirkungen für das Verwaltungsverfahren auch der zuständigen Gremien der Hochschule ergeben. Das dem gerichtlichen Rechtsschutzverfahren vorgelagerte Verwaltungsverfahren dürfe nicht so ausgestaltet sein, dass es den gerichtlichen Rechtsschutz vereitele oder unzumutbar erschwere. Zur Sicherung des Gebotes effektiven Rechtsschutzes folge aus Art. 33 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG auch die Verpflichtung, die wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen (vgl. u.a. BVerfG, Beschluss vom 20. September 2016 – 2 BvR 2453/15 –). Professoren und Professorinnen würden, wie bereits erwähnt, auf Vorschlag des zuständigen Gremiums der Hochschule von dem für Hochschulen zuständigen Mitglied des Senats berufen (vgl. § 101 Abs. 1 BerlHG). Zur Berufung eines Professors oder einer Professorin beschließe nach § 101 Abs. 2 BerlHG das zuständige Gremium eine Liste, die die Namen von drei Bewerbern oder Bewerberinnen enthalten solle (Berufungsvorschlag). Lasse das zuständige Gremium der Hochschule die Entscheidung über den Berufungsvorschlag durch Gremien wie hier die Berufungskommission vorbereiten, so müssten auch deren vorbereitende Erwägungen schriftlich niedergelegt und damit dokumentiert werden, damit sie ihrerseits den verfahrensrechtlichen Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG genügten. Dementsprechend regele § 14 Abs. 1 der Berufungsordnung der Antragsgegnerin (BO), dass die Berufungskommission nach Eingang und unter Heranziehung der Gutachten über die Aufstellung einer Berufungsliste entscheide. Die Aufnahme bzw. Nichtaufnahme in die Berufungsliste und die Rangfolge unter den platzierten Bewerberinnen seien nach § 14 Abs. 1 Satz 3 BO zu begründen. Bei der Listenplatzierung sei die zuständigen wissenschaftlichen Leistungen und die pädagogische Eignung zu dokumentieren. 

 

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BVerwG, Beschl. v. 19.12.2023 – 2 B 40.22 – 

Dienstherrn kann sich auf fehlende Meldung einer Dienstunfallfolge berufen,  auch nach hierfür geleisteter Unfallfürsorge 

Die Entscheidung weist eine Nichtzulassungsbeschwerde zurück, die von einem im Jahr 2011 
zurruhegesetzten Posthauptsekretär erhoben worden war. Im Oktober 1991 wurde dieser im Dienst Opfer eines bewaffneten Raubüberfalls, wodurch er Platzwunden und Prellungen erlitt. In der Folgezeit war er mehrfach wegen einer depressiven Neurose in verschiedenen Kliniken in Behandlung. Im Jahr 2000 gewährte die Unfallkasse einen Unfallausgleich für den Zeitraum Oktober 1991 bis November 1992. Im Zurruhesetzungsverfahren wurde im ärztlichen Gutachten als Diagnose „Verschleißleiden LWS und HWS, Wirbelsäulensyndrom; Polyarthrose, künstliches Kniegelenk rechts; Depressive Störung“ angeführt. Die Klage auf Gewährung von Unfallruhegehalt blieb in zwei Instanzen erfolglos. Im Revisionsverfahren verwies das BVerwG die Sache an das OVG zurück, wobei dieses zu ermitteln hatte, ob die Meldepflichten nach § 45 Abs. 2 BeamtVG eingehalten worden seien. Das OVG wies die Berufung erneut zurück. Einem Anspruch auf Unfallruhegehalt stünde jedenfalls entgegen, dass der Kläger (hiesiger Beschwerdeführer) die psychischen Erkrankungen als Unfallfolgen nicht innerhalb der Ausschlussfristen des § 45 BeamtVG gemeldet habe. Er habe zwar das Unfallereignis vom Oktober 1991 drei Tage danach und damit innerhalb der Zweijahresfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG angezeigt, dabei aber nur die unmittelbar erlittenen Verletzungen als Unfallfolgen benannt, weitere Unfallfolgen jedoch weder im Zusammenhang mit der Unfallmeldung noch zu einem späteren Zeitpunkt gemeldet. 
Während des Verfahrens der Nichtzulassungsbschwerde erörterte das BVerwG u.a. die Frage, ob der Dienstherr sich auf die fehlende Dienstunfallmeldung bzw. Meldung einer Dienstunfallfolge berufen könne, wenn er hinsichtlich des Dienstunfalls bzw. dieser Dienstunfallfolge bereits Dienstunfallfürsorge, beispielsweise durch Gewährung ärztlicher Behandlung im Sinne von § 33 BeamtVG - geleistet habe. Dies bejahte das BVerwG und führte aus, dass die Gewährung von Unfallfürsorgeleistungen gemäß § 45 BeamtVG die Erfüllung von Dienstunfallmeldepflichten voraussetze. Würden Unfallfürsorgeleistungen erbracht, obwohl nach § 45 BeamtVG bestehende Dienstunfallmeldepflichten nicht erfüllt worden seien, bewirke das nicht die Entbehrlichkeit der Dienstunfallpflichten, sondern die Rechtswidrigkeit der Unfallfürsorgeleistungen. Der Dienstherr gewähre als Ausprägung seiner Fürsorgepflicht umfangreiche Dienstunfallfürsorgeleistungen (vgl. §§ 30 ff. BeamtVG). Er gewähre sie aber nicht von Amts wegen, sondern auf Initiative des Beamten. Der Beamte müsse in zweierlei Weise tätig werden, nämlich den Unfall bzw. die Unfallfolge melden (§ 45 Abs. 1 und 2 BeamtVG) und in der Regel die konkrete Leistung beantragen. Dieses System würde unterlaufen werden, wenn auch ohne Unfallmeldung des Beamten das Unterbleiben einer Entscheidung nach § 45 Abs. 3 BeamtVG ihm gegenüber als Fürsorgepflichtverletzung qualifiziert würde, die die Einhaltung der Meldepflichten entbehrlich machen würde (BVerwG, Urteil vom 30. August 2018 - 2 C 18.17 - BVerwGE 163, 49 Rn. 33). Gleiches gelte für die Annahme der Entbehrlichkeit der Einhaltung der Meldepflichten wegen vorangegangener Gewährung von Unfallfürsorgeleistungen. 
 

Link zur Entscheidung:
 BVerwG, Beschl. v. 19.12.2023 – 2 B 40.22 –
 

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EGMR, Urt. v. 14.12.2023, Beschwerde Nr. 59433/18 u.a.

Dienstrechtliches Streikverbot für verbeamtete Lehrkräfte vereinbar mit Art. 11 EMRK 

Tenor: 
1. Die Rüge nach Artikel 11 EMRK wird einstimmig für zulässig und die Individualbeschwerden werden im Übrigen für unzulässig erklärt; 
2. Mit sechzehn zu einer Stimme wird festgestellt, dass Artikel 11 der Konvention nicht verletzt worden ist. 
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschied über vier Individualbeschwerden deutscher Lehrkräfte, die unter anderem eine Verletzung des Rechts der Vereinigungsfreiheit aus Art. 11 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) durch das Streikverbot für Beamte behaupteten. 
Der Lehrer und die Lehrerinnen hatten während der Dienstzeit an Streikmaßnahmen einer Gewerkschaft teilgenommen, was durch die Disziplinarbehörden geahndet wurde als Verstoß gegen grundlegende beamtenrechtliche Pflichten, insbesondere da sie dem Dienst fernblieben. 
Nachdem die Lehrkräfte erfolglos gegen die Disziplinarmaßnahmen den nationalen Rechtsweg der Fachgerichtsbarkeit erschöpft hatten, entschied zunächst das Bundesverfassungsgericht über vier Verfassungsbeschwerden der Lehrpersonen zugunsten des Streikverbots für Beamtinnen und Beamte, welches als eigenständiger hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums zu beachten sei (vgl. BVerfG, Urt. v. 12.06.2018 - 2 BvR 1738/12 u.a.). 
Der EGMR führte in seiner Gesamtbewertung aus, zwar sei das Streikrecht ein wichtiges Element der Gewerkschaftsfreiheit, aber nicht das einzige Mittel, mit dem Gewerkschaften und ihre Mitglieder ihre entsprechenden beruflichen Interessen schützen könnten, und den Vertragsstaaten stehe es grundsätzlich frei zu entscheiden, welche Maßnahmen sie ergreifen wollen, um die Einhaltung des Artikels 11 zu gewährleisten, solange sie dabei sicherstellen, dass die Gewerkschaftsfreiheit durch die möglicherweise vorgenommenen Einschränkungen nicht inhaltsleer werde. 
Im beschwerdegegnerischen Staat (Deutschland) seien verschiedenste institutionelle Garantien geschaffen worden, die der Beamtenschaft und ihrer Gewerkschaften die Verteidigung der beruflichen Interessen ermöglichen. Den Gewerkschaften der Beamtinnen und Beamten werde ein gesetzliches Recht auf Beteiligung an der Ausarbeitung beamtenrechtlicher Regelungen eingeräumt und den Beamten und Beamtinnen werde zudem ein individuelles verfassungsmäßiges Recht auf „angemessenen Lebensunterhalt“ gewährt, welches sie gerichtlich durchsetzen können. Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass diese Maßnahmen in ihrer Gesamtheit die Beamtengewerkschaften und die Beamten selbst in die Lage versetzen, ihre entsprechenden beruflichen Interessen wirksam zu verteidigen. Der hohe gewerkschaftliche Organisationsgrad unter deutschen Beamten verdeutliche die praktische Wirksamkeit der gewerkschaftlichen Rechte in der ihnen gewährten Form. Das Streikverbot führe in Anbetracht der Gesamtheit der Maßnahmen, durch die den Beamtengewerkschaften und den Beamten und Beamtinnen selbst die wirksame Verteidigung ihrer entsprechenden beruflichen Interessen ermöglicht werde, nicht dazu, dass die Gewerkschaftsfreiheit der Beamten inhaltsleer werde. Folglich berühre das Streikverbot kein wesentliches Element der Gewerkschaftsfreiheit der Beamten, so wie sie durch Artikel 11 EMRK garantiert werde. Die Disziplinarmaßnahmen gegen die Beschwerdeführerinnen und den Beschwerdeführer seien überdies nicht schwerwiegend gewesen. Sie verfolgten insbesondere das wichtige Ziel, den Schutz der in der Konvention verankerten Rechte (im konkreten Fall das Recht anderer auf Bildung) durch eine leistungsfähige öffentliche Verwaltung zu gewährleisten. Zudem hätten die innerstaatlichen Gerichte während des innerstaatlichen Verfahrens relevante und ausreichende Gründe zur Rechtfertigung dieser Maßnahmen angeführt und dabei die widerstreitenden Interessen im Rahmen einer gründlichen, an der Rechtsprechung des Gerichtshofs ausgerichteten Abwägung ausgeglichen. Für die Verhältnismäßigkeit der angegriffenen Maßnahmen im vorliegenden Fall würden ferner die materiellen Beschäftigungsbedingungen für verbeamtete Lehrkräfte in Deutschland sprechen sowie die Möglichkeit, an einer öffentlichen Schule als Lehrkraft im Angestelltenstatus mit Streikrecht zu arbeiten. Der Gerichtshof komme daher zu dem Ergebnis, dass der dem beschwerdegegnerischen Staat eingeräumte Beurteilungsspielraum unter den Umständen des vorliegenden Falles mit den gegen die Beschwerdeführerinnen und den Beschwerdeführer ergangenen Maßnahmen nicht überschritten wurde und die Maßnahmen in Bezug auf die verfolgten wichtigen legitimen Ziele erwiesenermaßen verhältnismäßig waren. Eine Verletzung von Artikel 11 EMRK liege folglich nicht vor. 

Link zur Entscheidung:
 EGMR, Urt. v. 14.12.2023, Individualbeschwerde Nr. 59433/18 

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VG Berlin, Vorlage-Beschl. v. 04.12.2023 - 5 K 77/21 - 

Hauptstadtzulage A 13: Verstoß gegen Gleichbehandlungsgrundsatz und Abstandsgebot 

Leitsatz
1. Die Berliner Hauptstadtzulage gemäß § 74a Abs. 1, Abs. 2 BBesG BE verstößt gegen das besoldungsrechtliche Abstandsgebot (Art. 33 Abs. 5 GG), soweit die Besoldungsgruppen A 14 und A 15 von ihrem Bezug ausgeschlossen werden. 
2. Das Abstandsgebot stellt einen eigenen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums dar, das grundsätzlich verletzt ist, wenn der Besoldungsgesetzgeber die (prozentualen) Abstände zwischen zwei zu vergleichenden Besoldungsgruppen um mindestens zehn vom Hundert abschmelzen lässt, ohne von seiner Befugnis zur Neustrukturierung des bestehenden Besoldungssystems in dokumentierter Weise Gebrauch zu machen. 
3. Eine besoldungsrechtliche Maßnahme, deren Gewährung - wie im Fall der Hauptstadtzulage - ausschließlich an innerdienstliche und unmittelbar statusamtsbezogene Kriterien wie die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Besoldungsgruppe anknüpft, ist nicht abstandsgebotsneutral, sondern kann grundsätzlich abstandsverkürzend wirken. 
4. Wird eine konkrete besoldungsrechtliche Maßnahme anhand des besoldungsrechtlichen Abstandsgebotes gemessen, sind die Abschmelzungsquoten im Verhältnis zu den unmittelbar vor Einführung der Maßnahme bestehenden Abständen zu ermitteln; für die Betrachtung eines Fünfjahreszeitraums ist in diesen Fällen kein Raum. 
5. Die Besoldungsgruppe A 13 mit Amtszulage liegt nicht nur unterhalb der Besoldungsgruppe A 14, sondern sowohl unterhalb (in den Erfahrungsstufen 4 und 6 bis 8) als auch oberhalb (in den Erfahrungsstufen 1 bis 3 und 5) und hält somit keinen besoldungsrechtlichen Abstand zu A 14; insoweit ist sie für die Prüfung des Abstandsgebotes nicht heranzuziehen. 
6. Soweit die Besoldungsgruppe A 13 mit Amtszulage indes einen besoldungsrechtlichen Abstand zu einer anderen Besoldungsgruppe hält (etwa zu den Besoldungsgruppen A 15 aufwärts), rechtfertigt ihre statusrechtliche Eigenständigkeit eine Heranziehung zur Prüfung der Wahrung des Abstandsgebots. 
 Das VG Berlin hat ein Verfahren ausgesetzt, in dem der Kläger, welcher bis 21.11.2021 Obermagistratsrat (Besoldungsgruppe A 14, Erfahrungsstufe 8) und ab 22.11.2021 Magistratsdirektor (Besoldungsgruppe A 15, Stufe 8) im Land Berlin war, wobei ihm Dienstbezüge nach der Besoldungsgruppe A 15 seit dem 01.11.2021 gewährt wurden. Mit Wirkung zum 01.11.2023 wurde der Kläger in den Ruhestand versetzt. Im Dezember 2020 widersprach der Kläger der Versagung der Zahlung der Hauptstadtzulage und beantragte, ihm rückwirkend ab November 2020 die Hauptstadtzulage zu gewähren. Dabei richtete er seinen Widerspruch/Antrag nicht nur auf das laufende, sondern auch auf die zukünftigen Jahre. Im März 2021 reichte er Klage bei dem Verwaltungsgericht Berlin ein. 
Das VG Berlin legte nunmehr dem Bundesverfassungsgericht gem. Art. 100 Abs. 1 GG, § 13 Nr. 11, § 80 BVerfGG, die Frage zur Entscheidung vor, ob § 74a Abs. 1, Abs. 2 BBesG BE mit Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar ist, soweit die Besoldungsgruppen A 14 und A 15 von dem Bezug der Hauptstadtzulage in dem Zeitraum vom 01.11.2020 bis zum 31.10.2023 ausgeschlossen werden. 
Nach der Auffassung des VG Berlin verstoße eine nur bis zur Besoldungsgruppe A 13 eingeführte Hauptstadtzulage i.H.v. 150 EUR gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz und gegen das besoldungsrechtliche Abstandsgebot. Die Abstände zwischen den Besoldungsgruppen dürften infolge von Einzelmaßnahmen nicht nach und nach eingeebnet werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.05.2017 – 2 BvR 883/14 (Ostbesoldung); siehe auch BVerwG, Urteil vom 12.12.2013 – 2 C 49.11). Es bestehe also ein Verbot schleichender Abschmelzung bestehender Abstände, welche außerhalb der zulässigen gesetzgeberischen Neubewertung und Neustrukturierung stattfindet. Für die Beurteilung der Zulässigkeit einer gesetzgeberischen Veränderung der Besoldungsabstände biete sich vor allem der Rückgriff auf die Absicht des Gesetzgebers an, wie sie in den Gesetzgebungsmaterialien zum Ausdruck komme. Solange der Gesetzgeber danach nicht in dokumentierter Art und Weise von seiner Befugnis zur Neueinschätzung der Ämterwertigkeit und Neustrukturierung des Besoldungsgefüges Gebrauch mache, greife das Verbot, bestehende Abstände einzuebnen oder signifikant abzuschmelzen (BVerfG, Beschluss vom 23.05.2017 – 2 BvR 883/14 (Ostbesoldung)). 


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VG Berlin, Vorlage-Beschl. v. 30.11.2023 - 26 K 251/16 

Berliner Besoldung A 4 und A 5 in den Jahren 2016 - 2019 verfassungswidrig 

Leitsatz 
Die Besoldung der Berliner Beamten in den Besoldungsgruppen A 4 und A 5 war in den Jahren 2016 bis 2018 (A 4) bzw. 2018 bis 2019 (A 5) verfassungswidrig zu niedrig bemessen. 
 
Das VG Berlin hat ein Verfahren, in dem eine Berliner Polizistin die Feststellung begehrte, dass ihre Alimentation in den Jahren 2016 bis 2019 nicht amtsangemessen und verfassungswidrig zu niedrig bemessen war, ausgesetzt, um dem Bundesverfassungsgericht diverse Fragen zur Entscheidung gem. Art. 100 Abs. 1 GG in Verbindung mit § 13 Nr. 11, § 80 BVerfGG vorzulegen. Das Bundesverfassungsgericht soll dementsprechend über die Vereinbarkeit verschiedener Regelungen des Berliner Besoldungsrechts mit Art. 33 Abs. 5 GG entscheiden, soweit sie vom 01.01.2016 bis zum 31.12.2018 die Besoldungsgruppe A 4 und vom 01.01.2018 bis zum 31.12.2019 die Besoldungsgruppe A 5 betreffen. 
Das VG Berlin hält die Berliner Besoldung der Besoldungsgruppe A 4 für die Jahre 2016 – 2018 und für die Besoldungsgruppe A 5 für die Jahre 2018 – 2019 für verfassungswidrig zu niedrig bemessen, da die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts an eine amtsangemessene Alimentation nicht eingehalten worden seien (vgl. BVerfG, Beschl. v. 04.05.2020 - 2 BvL 4/18 -). Es müsse in jedem Fall ein Mindestabstand von 15 % gegenüber den Grundsicherungsleistungen für eine vierköpfige Familie gewahrt werden bei einer Besoldung einer Beamtin oder eines Beamten zuzüglich Kindergelds für zwei Kinder. Die Leistungen der Grundsicherung setzen sich i.d.R. zusammen aus den Regelbedarfssätzen, den Kosten der Unterkunft und Heizung sowie dem Bedarf für Bildung und Teilhabe. Bei einer Vergleichsrechnung habe die Nettoalimentation der vierköpfigen Beamtenfamilie in der A 4 und in der A 5 Besoldung nicht einmal die einfache Summe der Grundsicherungsleistungen für eine vierköpfige Familie erreicht, sondern war knapp 8.000 EUR – 9.900 EUR hinter der gebotenen Mindestalimentation zurückgeblieben. Die Landesbeamtin hatte die Unteralimentation zudem rechtzeitig bei ihrem Dienstherrn geltend gemacht. 


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OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 16.11.2023 - OVG 4 S 37/23 -

Keine Drittanfechtung von Beurteilungen der Ausgewählten / beschränkte Angriffsmöglichkeiten im Konkurrentenstreit 

Leitsatz
1. Ein unterlegener Bewerber um ein Beförderungsamt kann nicht anstelle des Beurteilten inzident einen Beurteilungsstreit ausfechten und hierzu die Plausibilisierung anhand von Beurteilungsbeiträgen und Weiterem verlangen. 
 2. Seine Angriffsmöglichkeiten im Konkurrentenstreit beschränken sich darauf, ob die dienstliche Beurteilung eines Ausgewählten oder die Auswahlentscheidung auf sachfremden Erwägungen beruht und den anderen unzulässig bevorzugt, wozu eine Beurteilung trotz ungenügender Tatsachengrundlage zählt. 
 
Das OVG Berlin-Brandenburg (im Folgenden: OVG) entschied über eine Beschwerde gegen die Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung. Der Antragsteller in dem vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzverfahren, hatte sich um eine Vorsitzendenstelle am Kammergericht beworben. Mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrte er die Untersagung der Ernennung von drei ausgewählten Bewerbern zu Vorsitzenden Richterinnen bzw. Richtern. Mit der Entscheidung über die Beschwerde bestätigte das OVG, das der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unbegründet war, da die Ernennung der ausgewählten Bewerber die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers weder vereiteln noch wesentlich erschweren könnte (vgl. § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO). 
Der Antragsteller habe aus Art. 33 Abs. 2 GG einen Anspruch auf fehlerfreie Entscheidung über seine eigene Bewerbung. Dieser Artikel gibt die entscheidenden Maßstäbe für die Bewerberauswahl abschließend vor. Eine Auswahlentscheidung kann grundsätzlich nur auf Gesichtspunkte gestützt werden, die unmittelbar die Eignung, die Befähigung und die fachliche Leistung der Bewerber betreffen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2015 – 2 BvR 1958/13 und BVerwG, Beschluss vom 22. Juni 2023 – 2 VR 1.23 ). 
Es sei weder vom Antragsteller aufgezeigt worden noch im Wege eingehender tatsächlicher und rechtlicher Überprüfung ersichtlich, dass der Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers verletzt worden wäre. Die Beurteilung der Eignung eines Bewerbers für das von ihm angestrebte öffentliche Amt durch den Dienstherrn beziehe sich auf die künftige Amtstätigkeit des Betroffenen und enthalte zugleich eine Prognose, die eine konkrete und einzelfallbezogene Würdigung der gesamten Persönlichkeit des Bewerbers verlange. Sie umfasse auch eine vorausschauende Aussage darüber, ob der Betreffende die ihm in dem angestrebten Amt obliegenden beamtenrechtlichen Pflichten erfüllen werde. Bei diesem prognostischen Urteil stehe dem Dienstherrn ein weiter Beurteilungsspielraum zu. 
Die Nachprüfung durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit beschränke sich im Wesentlichen darauf, ob der Dienstherr von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sei, den dienst- und verfassungsrechtlichen Rahmen verkannt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt habe. 
Der Vergleich der Bewerber im Rahmen einer Auswahlentscheidung habe vor allem anhand dienstlicher Beurteilungen zu erfolgen. Die Beurteilungen seien dabei, soweit sie aussagekräftig sind, in ihrer Gesamtheit zugrunde zu legen. Maßgeblich sei in erster Linie das abschließende Gesamturteil, welches anhand einer Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte gebildet wurde. Gäbe es aktuell ein Benotungsgefälle, setzten sich in der Bestenauslese grundsätzlich die Bewerber mit dem aktuell besseren Gesamturteil durch (BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2015 – 2 BvR 1958/13 und BVerwG, Beschluss vom 22. Juni 2023 – 2 VR 1.23 ). 
Der Antragsgegner habe diese Vorgaben in seiner Auswahlentscheidung gemessen an den dienstlichen Beurteilungen des Antragstellers und der ausgewählten Bewerber frei von gerichtlich überprüfbaren Beurteilungsfehlern beachtet. Die Einwände des Antragstellers gegen die dienstlichen Beurteilungen der ausgewählten Bewerber würden nicht durchgreifen. 
Unter anderem hatte der Antragsteller Einsicht in die Personalakten und die Vorlage der Beurteilungsbeiträge zu den Beurteilungen der ausgewählten Bewerber verlangt sowie die Plausibilisierung der den Ausgewählten erteilten dienstlichen Beurteilungen. Das OVG wies darauf hin, dass Beurteilungsbeiträge lediglich in einem Rechtsstreit des Beurteilten wegen der ihm erteilten dienstlichen Beurteilung eine Bedeutung haben. In einer solchen Fallkonstellation würde den Dienstherrn nach den Regeln der materiellen Beweislast die womöglich nachteiligen Folgen der Unterlassung treffen, wenn er dem Beurteilten im Rechtsstreit schriftliche Beurteilungsbeiträge nicht zur Kenntnis gibt. Anders verhalte es sich jedoch mit dienstlichen Beurteilungen Dritter. Sofern Dritte sich mit ihrer dienstlichen Beurteilung abfänden, sei der Beurteiler nicht zur Plausibilisierung angehalten. Die dienstliche Beurteilung vermittele dem Beurteilten eine geschützte Rechtsposition, die vom Dienstherrn nur eingeschränkt beseitigt werden könne. Sie sei kein Verwaltungsakt, schon gar nicht ein begünstigender Verwaltungsakt mit belastender Drittwirkung, der von Außenstehenden angefochten werden könne (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.03.2016 - 2 A 4.15 -). Das OVG schloss sich der höchstrichterlichen Rechtsprechung an, wonach sich die Angriffsmöglichkeiten des unterlegenen Bewerbers im Konkurrentenstreit darauf beschränken, ob die dienstliche Beurteilung eines Ausgewählten oder die Auswahlentscheidung auf sachfremden Erwägungen beruht und den anderen unzulässig bevorzugt (so das BVerfG, Beschlüsse vom 2. Oktober 2007 – 2 BvR 2457/04 – und vom 8. Oktober 2007 – 2 BvR 1846/07 ), wozu eine Beurteilung trotz ungenügender Tatsachengrundlage zählt (BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 – 2 C 16.09 –). 
Forderungen eines unterlegenen Bewerbers Beurteilungsbeiträge zu den dienstlichen Beurteilungen der Ausgewählten vorzulegen und diese zudem plausibilisieren zu müssen, seien nicht ohne Weiteres berechtigt. Beurteilungsbeiträge seien nur Elemente neben möglichst zahlreichen anderen Erkenntnissen, die vom Beurteiler maßstabsgerecht eingeordnet und gewichtet werden müssten. Nur soweit sachfremde Erwägungen und unzulässige Bevorzugungen vorgetragen würden oder nach dem Eindruck des Gerichts im Raum stünden, hätte der Dienstherr Grund zum Vortrag. Dazu könne dann auch die Notwendigkeit der Plausibilisierung einer dienstlichen Beurteilung gehören. Ein Verdacht sachfremder Erwägungen oder unzulässiger Bevorzugungen sei hier weder hinreichend aufgezeigt worden noch ansatzweise erkennbar. 
Zu der Behauptung des Antragsstellers, die Beurteilungen der Ausgewählten seien allesamt rechtswidrig, führte das OVG aus, dies treffe nicht zu, soweit die Beurteilungen in diesem Verfahren gerichtlich nachprüfbar seien, da der Antragsteller, wie bereits ausgeführt, nicht ohne Weiteres die Plausibilisierung der anderen erteilten dienstlichen Beurteilungen verlangen könne. Die Angriffsmöglichkeiten beschränkten sich darauf, ob die dienstliche Beurteilung eines Ausgewählten auf sachfremden Erwägungen beruhe und den anderen unzulässig bevorzuge, wozu auch eine Beurteilung trotz ungenügender Tatsachengrundlage zähle. Es müssten mithin konkrete Anhaltspunkte für sachwidrige Erwägungen bzw. eine unzulässige Bevorzugung aufgezeigt werden oder erkennbar sein, um den Dienstherrn zur Plausibilisierung veranlassen zu können. Das OVG müsse diese Beschränkungen entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO beachten und dürfe nicht von Amts wegen in eine weitergehende Nachprüfung der dienstlichen Beurteilungen der Ausgewählten eintreten. Sachfremde Erwägungen oder unzulässige Bevorzugungen der Ausgewählten seien weder vom Antragsteller aufgezeigt worden noch seien solche ersichtlich. 


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BVerwG, Urt. v. 09.11.2023 - 2 C 12.22 -

Mehrarbeit bei Teilzeitbeschäftigung ist versorgungsrechtlich irrelevant

Leitsatz

Für die Berechnung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit bei Teilzeitbeschäftigung ist ausschließlich die sich aus der Teilzeitquote im Teilzeitbewilligungsbescheid ergebende Dienstzeit maßgeblich; darüber hinaus geleistete Arbeitszeiten bleiben außer Betracht. 

Der Kläger, ein Lehrer aus Baden-Württemberg, begehrte u.a. die Berücksichtigung von über die Teilzeitquote hinausgehenden Arbeitszeiten bei der Berechnung seiner ruhegehaltsfähigen Dienstzeiten. Das BVerwG verneinte (wie zuvor der Verwaltungsgerichtshof) eine Berücksichtigung in Anwendung des nationalen Rechts. Anders als der Verwaltungsgerichthof lehnte das BVerwG eine Berücksichtigung auch unter Anwendung des Unionsrechts ab.  
Die Anordnung von Teilzeitbeschäftigung mittels des Teilzeitbewilligungsbescheids als  rechtsgestaltendem Verwaltungsakt stelle die Rechtsgrundlage für die entsprechend ermäßigte Berücksichtigung der Teilzeit bei der Ermittlung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG) dar. Zusätzliche Arbeitsleistungen seien nicht berücksichtigungsfähig. Mehrarbeit sei primär durch Dienstbefreiung, also Freizeitausgleich, zu kompensieren. Sie sei kein Ersatz für reguläre Dienstzeit. Mehrarbeit ist deshalb gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG für Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte gleichermaßen versorgungsrechtlich irrelevant. 
Es ergebe sich keine Ungleichbehandlung aus  § 4 Nr. 1 des Anhangs zur Richtlinie 97/81/EG. Zusätzliche Arbeitsleistung sei für die Versorgung sowohl der vollzeitbeschäftigten als auch der teilzeitbeschäftigten Beamten gleichermaßen irrelevant. für die Berechnung der Versorgungsbezüge. Wenn sie nicht durch Freizeit ausgeglichen wird,  entstehe - bei Vollzeit- wie bei Teilzeitbeschäftigten - kein Anspruch auf Berücksichtigung bei der Versorgung. 
Ferner liege auch kein Verstoß gegen das unionsrechtliche Diskriminierungsverbot vor. Es wurde weder das Instrument der Teilzeitbeschäftigung rechtswidrig dazu eingesetzt den Beamten gegen seinen Willen in Teilzeitbeschäftigung zu verwenden, noch sei festzustellen, dass das Teilzeitbeschäftigungsverhältnis benutzt wurde, um dem Betroffenen Rechte vorzuenthalten, die Vollzeitbeschäftigten zuerkannt werden, denn in  diesen Fällen gehe es nicht um die versorgungsrechtliche Behandlung von Mehrarbeit, sondern um die Frage, ob die erbrachte Arbeitszeit als regelmäßige Dienstzeit bewertet werden könne. Der Grund für die Einordnung als Mehrarbeit liege darin, dass der Kläger den Teilzeitbewilligungsbescheid in dem die regelmäßige Arbeitszeit ermäßigt worden war, nicht angegriffen habe. Um durchzusetzen, dass die zusätzliche Arbeitszeit wegen einer rechtswidrigen Teilzeitbeschäftigung versorgungsrechtlich wie Dienstzeit behandelt wird, hätte er das  entsprechende Primärrechtsmittel einlegen müssen. Es seien keine Gründe für eine Besserstellung gegenüber vergleichbar Betroffenen, die damals unverzüglich Rechtsschutz in Anspruch genommen hatten, ersichtlich. Vielmehr müssten nach der Rechtsprechung des EuGH zwingende Gründe der Rechtssicherheit Berücksichtigung finden.  

Link zur Entscheidung:  

BVerwG, Urteil vom 09.11.2023 - 2 C 12.22 - 

Rechtsanwältin Iris Kalefeld

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