Urlaubsabgeltung
Beamte sind von dem unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff erfasst, da maßgebliches Kriterium die persönliche Abhängigkeit respektive der Umstand ist, ob nach Weisung gegen Vergütung Leitungen für einen anderen erbracht werden. Dementsprechend gilt die Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG und damit Art. 7 Abs. 2 dieser Richtlinie, aus dem sich ein unionsrechtlicher Urlaubsabgeltungsanspruch ergibt, auch für Beamte, wenn das Beamtenverhältnis beendet ist (vgl. Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 03.05.2012 – C - 337/10 [Neidel] –; BVerwG, Urteil vom 31.01.2013, - - 2 C 10/12). Der Beendigungsgrund ist für den Abgeltungsanspruch unerheblich (möglich sind: Eintritt oder Versetzung in den Ruhestand, Entlassung kraft Gesetz, Entlassung aus zwingenden Gründen, Entlassung auf Verlangen, Verlust der Beamtenrechte nach § 41 BBG oder § 24 BeamtStG, Entfernung aus dem Dienst aus disziplinarrechtlichen Gründen, Tod des Beamten, d.h. verstirbt eine Beamtin oder ein Beamter, so steht der Erbin, dem Erben oder den Erben ein finanzieller Abgeltungsanspruch zu).
Der EuGH hob zudem hervor, dass sich die Arbeitszeitrichtlinie lediglich auf die Aufstellung von Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz beschränkt. Es sei Sache der Mitgliedstaaten, zu entscheiden, ob Beamten weitere Urlaubsansprüche gewährt werden und ob daraus eine Urlaubsabgeltung beansprucht werden kann. Mangels nationalstaatlicher Regelungen ist der Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG auf die sich aus Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG ergebenden vier Wochen Erholungsurlaub beschränkt, mithin auf eine Abgeltung von maximal 20 Tagen pro Urlaubsjahr bei einer 5-Tage-Woche (vgl. EuGH, Urteil vom 03.05.2012, – C - 337/10 [Neidel] ). Zudem folgt aus dem Charakter des Urlaubsabgeltungsanspruchs als Mindeststandard, dass mangels nationaler Regelung wonach bei Ausscheiden aus dem aktiven Dienst im Laufe der zweiten Jahreshälfte der komplette Jahresurlaub zustehen würde, ein Urlaubsabgeltungsanspruch lediglich im Verhältnis zur Dauer der Dienstzeit während dieses Jahres gegeben ist. Im Urlaubsjahr bereits genommener Erholungsurlaub oder Zusatzurlaub mindert den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubsanspruch, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt der Anspruch entstanden ist (zu bedenken ist, dass Beamtinnen/Beamte während der Freistellungsphase bei der Altersteilzeit keinen Urlaubsanspruch erwerben). Zudem kann ein Abgeltungsanspruch nur für noch nicht verfallene Urlaubstage bestehen. Sowohl auf Bundesebene (§ 7 EUrlV Bd) als auch im Land Berlin (§ 9 EurlVO Bln) verfällt der Urlaub grundsätzlich nach 12 Monaten, im Falle der Dienstunfähigkeit verfällt er mit Ablauf von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres. Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung hält einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten für ausreichend (vgl. EuGH, Urteil vom 22.11.2011, - C- 214/10 [KHS], Rn. 40 ff; BVerwG, Urteil vom 31.01.2013, - 2 C 10/12 -, Rn. 20 ff).
Allerdings obliegt es nach der Rechtsprechung des EuGH dem Arbeitgeber, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub auszuüben (EuGH, Urteil vom 6.11.2018 – C -684/16- [Max-Planck-Gesellschaft], EuGH, Urteil vom 22.09.2022 C -518/20 [Fraport] und C- 727/20). In Fällen, in denen der Arbeitgeber während des Bezugszeitraums des in Rede stehenden Urlaubs tatsächlich gearbeitet hat, bevor er voll erwerbsgemindert oder arbeitsunfähig geworden ist, kommt es im Hinblick auf die Möglichkeit eines Verfalls des Urlaubs auf die Erfüllung der Informationsobliegenheit durch den Arbeitgebers an. Daher ist auch bei Beamten anzunehmen, dass der Urlaub in dem Fall nur verfällt, wenn die personalführende Dienststelle die Beamtin oder den Beamten zuvor schriftlich auf den Anspruch des unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub hingewiesen hat und die Beamtin oder der Beamte bewusst von einer Inanspruchnahme absieht ( vgl. EuGH, Urteil vom 22.09.2022 C -518/20 [Fraport] und C- 727/20).
Der Urlaubsanspruch verfällt aber mit Ablauf der 15-Monatsfrist, wenn die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer (bzw. die Beamtin/der Beamte) seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert war, ihren/seinen Urlaub anzutreten. Für diesen Fall kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber (Dienstherr) seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist, weil diese nicht zur Inanspruchnahme des Urlaubs hätten beitragen können (vgl. BAG, Urteil vom 20.12.2022 - 9 AZR 245/19, Rn. 43 sowie 9 AZR 401/19, Rn. 21).